Die andere Seite des Grafen Zeppelin

Ausstellungen, Filme, Bücher, Vorträge, Festakte – zum 175. Geburtstag des Grafen Ferdinand von Zeppelin wird heuer einiges aufgeboten in der Bodensee-Region. Doch die andere Seite des Luftfahrtpioniers und Ehrenbürgers bleibt bei alledem unausgeleuchtet: Zeppelin war auch der Gründungsvater der Rüstungsindustrie rund um den Bodensee

Haben Sie gestern Abend im Bayerischen Fernsehen die Sendung „Capriccio“ und darin den Beitrag zum Grafen Zeppelin gesehen? Oder haben sich schon die Zeppelin-Schau im Zeppelin Museum Friedrichshafen angeschaut, die noch bis zum 15. September läuft? Aber den Festakt im Steigenberger Inselhotel Konstanz am 11. Juli werden Sie sicher nicht verpassen; da wird auch das neue Buch von Tobias Engelsing und Jürgen Bleibler „Die Zeppelins – Lebensgeschichten einer Adelsfamilie“ vorgestellt und gleichzeitig die Ausstellung „Die Zeppelins“ eröffnet, die vom 12.7. bis 29.12. im Konstanzer Rosgartenmuseum zu sehen sein wird. Man sieht: Zeppeline (s. Teaserfoto: Zeppelin über Tettnang, 1936) in allen Lüften und aller Munde.

Ganz England muss brennen“

Auf Fotos und in Artikeln wird der Herr Graf (s.Foto im Text) allzeit als älterer, friedvoller Herr verklärt, der an den See, an dem er seine Jugend verbrachte, zurück kam, um seinen Traum vom Fliegen zu verwirklichen. Der im Thurgau aufwuchs, dessen Vater in eine reiche Schweizer Unternehmer-Familie einheiratete, der später nach Berlin ging, wilhelminischer Berufsoffizier wurde und den nationalistischen Standesdünkel seiner Militär-Kameraden annahm. Sein überliefertes Bekenntnis: „Ganz England muss brennen“ aber wird wohl kaum in den Lobeshymnen und Jubelbüchern zitiert werden, die in diesem Jahr zu Ehren der Zeppelins erscheinen.

Tobias Engelsing, als Konstanzer Museumsdirektor auch Ausrichter der Ausstellung im Rosgartenmuseum, erinnert immerhin in einem aktuellen TV-Feature des Schweizer Fernsehens daran, dass „Zeppelin Berufsoffizier war, den die militärische Nutzung seiner Idee interessierte“, einer Idee, von Engelsing als „phallische Verkörperung deutscher Allmachtsträume“ qualifiziert.

Auch Schweizer Rüstungsbetriebe gehen auf Zeppelin zurück

Der Überlinger Historiker Oswald Burger wies schon 1987 auf Zeppelins Rolle als Gründungsvater der Bodensee-Rüstungsindustrie hin, und der Schweizer Journalist Kaspar Surber veröffentlichte im April letzten Jahres in der Zürcher Wochenzeitung WOZ einen Artikel, in dem er Zeppelin auch die Urheberschaft für die Rüstungsbetriebe am Schweizer Bodenseeufer zuwies. Denn als nach dem verlorenen 1. Weltkrieg dem Deutschen Reich von den Siegermächten nicht nur die Armee, sondern auch die Rüstung untersagt wurde, wanderten Waffenschmieden aus Friedrichshafen in die nahe Schweiz ab und betrieben ihr blutiges Geschäft unter neuer, unbefleckter Flagge.

Kaspar Surber in der WOZ: „Flugzeugbauer Claude Dornier verlagerte wegen des Rüstungsverbots nach 1918 die Endproduktion von Friedrichshafen ins schweizerische Altenrhein. Eine klare Umgehung des Völkerrechts – unterstützt vom Schweizer Fremdenpolizeichef Heinrich Rothmund und deutschfreundlichen Kräften im Generalstab. Der Flugplatz entstand. Nach dem 2. Weltkrieg kam die Firma in den Besitz von Claudio Caroni und hieß neu Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein (FFA). Zwei Erben dieser Gründung politisieren heute in Bern: Der Ausserrhoder FDP-Nationalrat Andrea Caroni ist der Enkel des ehemaligen FFA-Besitzers, der Thurgauer SVPler Peter Spuhler besitzt den Waggonbau.“

Dornier, Maybach – alle Ziehsöhne des Grafen

Claude Dornier, zunächst Mitarbeiter, später Kompagnon von Zeppelin, war seit 1913 in der Friedrichshafener Rüstungsindustrie aktiv. Der Graf machte ihn zum Chef seiner Flugzeugabteilung. Daraus wurden die Dornier-Werke, die den Aufbau der NS-Luftwaffe prägten und im 2. Weltkrieg Bomber und Aufklärer bauten. Heute firmiert die Firma als EADS, siebtgrößter Rüstungsbauer der Welt.

Auch Wilhelm Maybach darf als Ziehsohn des Grafen Zeppelin gelten. Der Autokonstrukteur baute im Auftrag des Grafen seinen Maybach-Motorenbau in Friedrichshafen auf, der sämtliche Motoren für die nun nach dem 1.Weltkrieg nur noch zivilen Zeppeline lieferte. Während des 2. Weltkrieges aber hatte die Firma das Monopol auf Benzinmotoren für alle deutschen Panzer. Heute liefert die Firma als MTU/Tognum ihre Panzermotoren und Antriebssysteme in die ganze Welt: Für Unterseeboote in Israel und für Panzer in Pakistan und für Korvetten in Finnland.

Die Askania-Werke schließlich, eine Tochtergesellschaft des Zeppelin-Betriebs, wurden in den letzten Kriegsjahren von Berlin nach Friedrichshafen verlagert, um dort Torpedos für die Wehrmacht zu bauen. Als 1944 die Luftangriffe auf den Rüstungsstandort Friedrichshafen immer verheerender wurden, sollte die Fabrik nach Überlingen verlegt werden: 800 Häftlinge aus dem KZ Dachau mussten in Überlingen einen vier Kilometer langen Stollen in den Molassefels treiben, der die Rüstungsproduktion aufnehmen sollte. Mindestens 168 Gefangene überlebten Haft und Arbeitsbedingungen nicht – die Gedenkstätte Birnau erinnert noch heute an die Opfer.

Das Erbe Zeppelins blüht als Bodensee-Rüstung noch heute

Unbeschadet blüht die Bodensee-Rüstungsindustrie als Erbe Zeppelins weiter: Dornier ist in der EADS aufgegangen. ZF blieb ZF. Aus den Askania-Werken entstand Diehl Defence, das heute in Überlingen modernstes Zubehör für Lenkwaffenkörper und Drohnen produziert. Aus den Maybach-Motorenwerken, die einst Nazipanzer ins Rollen brachten, wurde MTU-Tognum, die immer noch Panzer weltweit ins Rollen bringt. Bis in die neueste Gegenwart: An dem umstrittenen Geschäft, 270 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 nach Saudi-Arabien zu liefern, verdienen Bodensee-Betriebe munter mit: MTU-Tognum liefert die Panzermotoren, ZF das Getriebe, ATM ComputerSysteme aus Konstanz den Bordcomputer.

Nur – solche blutigen Einzelheiten wird man in den Jubelgesängen auf den vor 175 Jahren in Konstanz geborenen Grafen Ferdinand von Zeppelin wohl eher selten hören. So hat das Zeppelin Museum in Friedrichshafen dem militärischen Teil ihrer kürzlich erneuerten Dauerausstellung den sinnvollen Titel „Auftrieb, Antrieb, Aerodynamik – Giganten in Bewegung“ gegeben. Kommentar: siehe oben.

Autor hpk

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