Die Eliteschüler der Nation
Konstanz jubelt über den Titel „Elite-Uni“! Wirklich ganz Konstanz? Nicht nur Studierende, nicht nur in Konstanz, kritisieren, dass die Exzellenzinitiative gerade für Studenten kaum Verbesserungen bringe. Vielmehr drohten Forschung und Lehre weiter entkoppelt zu werden, und die Betreuung der Studierenden würde zum Anhängsel des Universitätsbetriebs. „Schluss mit der Elitenbildung“ fordert dann auch der AStA der Uni Konstanz. Denn auch Hörsäle kennen nicht nur Muster- und Eliteschüler.
„Unverhohlenes Ziel der Exzellenzinitiative ist eine so genannte funktionale Hierarchisierung der Hochschulen, bei der einzelne Universitäten zu Forschungsleuchttürmen aufgewertet und andere zu Massenausbildungsstätten degradiert werden sollen. Dies zeigt sich schon daran, dass vier Universitäten (TU München; LMU München; RWTH Aachen; Universität Heidelberg) fast ein Drittel der gesamten Fördersumme der 1. Runde auf sich vereinigt haben“, erläutert Sandro Philippi, hochschulpolitischer Referent im AStA.
Und weiter: „Die Exzellenzinitiative schafft dabei die Unterschiede, die sie zu messen vorgibt. War das hiesige Hochschulwesen für eine grundsätzliche Gleichwertigkeit in Lehre und Forschung bekannt, soll nun mittels ungerechter Verteilung der Gelder Ungleichheit produziert werden. In der nun anlaufenden zweiten Förderrunde können diese als Legitimationen für weitere Förderungen herangezogen werden.“
„Der Effekt dieses Eingriffs hat sich inzwischen gezeigt: Drittmittelgeber orientieren sich an den Ergebnissen der Initiative und geben denen mehr, die ohnehin schon begünstigt wurden. Die Drittmittelquote wiederum wird bei der Entscheidung über die zweite Förderrunde einen bedeutenden Einfluss haben. Im Ergebnis wird dabei das Matthäus-Prinzip angesteuert, bei dem immer diejenigen viel erhalten, die ohnehin schon viel haben. Was das mit Gerechtigkeit zu tun haben soll, ist mir schleierhaft“, ergänzt Claudia Tutino, Mitglied des Außenreferats der Studierendenvertretung.
Auch föderale Differenzen werden hierbei eher verstärkt als abgebaut. So ist auffällig, dass vor allem Universitäten aus Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen hohe Geldsummen über die Exzellenzinitiative einspielen konnten. Auf der Strecke gebliebene Länder versuchten nun, ihrerseits Förderprogramme aufzubauen. Welche Bundesländer dafür Gelder haben, dürfte klar sein.“
„Auch auf die Lehre hat das gemeinsame Projekt von Bund und Ländern verheerende Auswirkungen. So wird ausschließlich Forschung gefördert. Um allerdings förderbar zu werden, müssen personelle und materielle Ressourcen in erfolgversprechende Bereiche umgeleitet werden. Das führt zu einer einseitigen Konzentration der Mittel und trägt dazu bei, dass es in den angeblichen Eliteuniversitäten zu Engpässen kommt“, stellt Patrick Bredl, Mitglied des Senats- und Rektoratsausschusses für Lehre und Weiterbildung, klar.
„ Damit in der Forschung gute Leistungen hervorgebracht werden, kommt es verstärkt zu Freistellungen in der Lehre. Schon bei Berufungsverfahren zeigt sich, wie Forschung zunehmend an Gewicht gegenüber der Lehre erhält“
„Statt durch finanzielle Verknappung, wie sie in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat, die Hochschulen in unternehmerische Logiken zu drängen, sollten die Grundmittel der Hochschulen drastisch erhöht werden. Nicht zwanghaft Profilbildung sollte relevant sein, um Mittel zu vergeben, sondern soziale Bedürfnisse und gesamtgesellschaftlicher Fortschritt“, fordert Johanna Heuer, Präsidentin des Studierendenparlaments und sagt: „Die zunehmende Ökonomisierung von Bildung und Wissenschaft resultiert aus Verwertungslogiken, die den vorherrschenden Gesellschaftsverhältnissen entsprechen. Es gilt diese Strukturen zu überwinden“
Autor: PM/hpk
Kontakt: Sandro Philippi, Tel.: 01746151666; U-AStA der Uni Konstanz, Fach D56, 78457 Konstanz; Tel.: 07531/88-2517, -2516, Fax: 07531/88-3158; Mail: <asta@uni-konstanz.de>
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Weitere Links:
Zweifelhafter Geldsegen (Neues Deutschland, 16.06.12)
Konzentration auf die Lehre (Frankfurter Rundschau, 15.06.12)
Nicht ohne Grund wird im Sprachgebrauch der Begriff der „Elite-Unis“ für die von der Exzellenzinitiative geförderten Hochschulen gewählt: Einem ausgewählten Kreis an Wissenschaftlern und besonders talentierten, leistungsreichen und gebildeten Nachwuchsforschern kommt nicht nur Aufmerksamkeit, sondern erhebliche finanzielle Bezuschussung zugute, von der der Großteil des Campus keinerlei Vorteil haben wird. Während in langsam alternden Universitätsgemäuern, in welchem oftmals sanitäre Anlagen in nahezu jämmerlichem Zustand anzutreffen sind, in denen die Räumlichkeiten für Studenten teilweise nur mit dem Nötigsten ausgestattet und instand gehalten werden und in denen mit den bisherigen Studiengebühren einige überschaubare bauliche Veränderungen vorgenommen wurden, entstehen daneben in rasanter Geschwindigkeit neue Gebäude der Extra-Klasse, von denen Professoren im „normalen“ Hochschulbereich nur träumen können.
Nicht nur die materielle und finanzielle Ausstattung ist es, die einen Keil zwischen die Studierendenschaft, aber auch teils zwischen die Wissenschaftler treibt. Gerade die offenkundige Zwei-Klassen-Lehre und -Forschung ist ein Faktor, der Neid und Missgunst vorantreibt und auch ein klares Abbild einer auseinanderdriftenden Gesellschaft widerspiegelt. Natürlich begünstigt die Exzellenzförderung auch unseren Wissenschaftsstandort und lässt Deutschland weiterhin erfolgreich im Wettbewerb um hochklassige Bildung teilnehmen; doch das Eifern auf der einen Seite hängt die große Mehrheit ab, die ebenso einen Anspruch auf qualitativ anspruchsvolle Qualifikation hat.
Wenn Deutschland nicht nur Wert darauf legt, in der Liga der besten Forschung mitzuspielen, sondern den Anspruch erhebt, Hochschulbildung für jeden attraktiv und sozial gerecht zu gestalten, braucht es neben einer Exzellenzinitiative eben auch eine Bildungsinitiative für alle Hochschulen, die sowohl Studierenden als auch Lehrenden und Mitarbeitern einen sachgerechten, zeitgemäßen und würdigen Arbeitsplatz bietet, in den ebenso investiert werden muss wie in die Elite des Landes.
Eliteunversität klingt gut. Die damit verbundenen Fördergelder kommen nur wenigen, ausgewählten Forschungsprojekten zugute. Die Lehre wird ausgespart. Vorlesungen und Seminare überfüllt. Professoren haben keine Zeit für vertiefende Fachgespräche mit den Studenten. Der Sparzwang in der Lehre schlägt sich in der Ausbildungsstruktur nieder. Bachelor- und Masterstudiengänge führen zur Verschulung der Lehre, wie ich als Vater von 2 Studentinnen feststellen kann und konnte. Die Skripte der Professoren dienen als Grundlage für die zahlreichen Klausuren. Andere Forschungsansätze und -ergebnisse durch Eigenarbeit kennenzulernen, das verhindert die Verdichtung des Studiums durch den Zwang zur ständigen Reproduktion der professoralen Meinung in Klausuren. Bachelor- und Masterabschlüsse sind in ihrer Qualität Schmalspurausbildung, die Studenten entläßt, die keine breite Ausbildung vermittelt, die kritische Reflexion und wissenschaftliches Selbstverständnis einschränkt. Elite für sehr wenige, der Rest bleibt akademisches Proletariat.
Die Politik betont in Feiertagsreden die gesellschaftliche Relevanz von Bildung. In der Praxis versagt sie die notwendigen Finanzmittel.
Hendrik Riemer, Pol. Wiss. / Lit. Wiss M.A.