Die Fähnlein der Frau Reiser

Sabine Reiser macht Ernst mit ihrer Idee der Bürgerbeteiligung. BIF heißt ihr Projekt der „direkten Demokratie“, mit der sie in der letzten Woche des OB-Wahlkampfs noch Stimmen gewinnen will. Sie kündigt nicht weniger als „einen Wandel der politischen Kultur“ an und stapelt damit reichlich hoch. Denn eigentlich geht es nur um eine Abstimmung via Internet. Dennoch dürfte es Widerstand genug in Stadtverwaltung und Gemeinderat geben

Bürger-Ideen-Forum (BIF) heißt Reisers neue Idee und ist doch nur eine Erweiterung der interaktiven Konstanz-Karte, die man schon seit Wochen auf ihrer Homepage (s. Foto) findet: Da kann man/frau farbige Fähnlein anklicken und dann Wünsche, Anregungen oder Beschwerden formulieren. Was jetzt nur als Wahlkampf-Gag daher kommt, soll – wenn Sabine Reiser denn Oberbürgermeisterin wird – Bürger-Service werden. Und selbst BürgerInnen, die keinen Computer haben, sollen sich beteiligen können. Mit Beschwerden über überfüllte Mülltonnen oder über Verkehrshindernisse auf Fahrradwegen zum Beispiel.

Per Website, die von der Stadtverwaltung noch eingerichtet werden müsste, sollen Mitbürger ihre Vorschläge zum Besten geben (wer keinen PC hat, könnte das per Formular im Rathaus erledigen), dann werden die Anregungen von der Verwaltung auf ihre fachliche Umsetzung geprüft und letztlich den Gremien (Gemeinderat und seinen Ausschüssen) zur Entscheidung vorgestellt. Jeder Ideengeber soll binnen Tagesfrist Bescheid bekommen, was mit seiner Anregung geschieht; andere Bürger könnten – wieder per Rückmeldung via Internet – die Idee aufgreifen und im Zweifel unterstützen. Als OB verstünde sich Sabine Reiser „als Anwalt der Bürger“, der auf die Einhaltung dieser Regeln achtet.

Nein, Widerstand aus der Stadtverwaltung wegen der zu erwartenden Mehrarbeit befürchtet sie nicht. Und nein, Widerstand aus dem Gemeinderat wegen des Verlustes der Meinungshoheit der alt eingesessenen Meinungsträger erwartet sie auch nicht. Und nein; eine Inflation spinnerter Ideen kann sie sich auch nicht vorstellen. Und wiederum nein, Missbrauch dieser Internet-Funktion werde nicht vorkommen, weil nur Konstanzer Bürger mit Klarnamen sich beteiligen dürfen. Munter verteidigt sie ihren „Wandel der politischen Kultur“, wonach dieses „vorgezogene Verfahren der Bürgerbeteiligung ein Mehr an direkter Demokratie“ verspreche.

Das alles verbreitet die Kandidatin in einem aufwändig und farbig gedrucktem Faltblatt mit Komik-Erklärungen. Putzig gemacht und erklärlich beschrieben, eingängig und immerhin einmalig, denn ihre KonkurrentInnen können solchen Service nicht aufweisen. Kostet ja auch Geld.

Nur: Ist das die „Konkretisierung der Wahlkampfziele“, die Sabine Reiser propagiert? Ist Spielerei im Internet ein Wahlkampfmotor? Was ist mit Wohnungsbau und Krankenhaus-Reform, was mit Verkehrschaos und Integrationsproblemen? So viele Fragen – so wenige Antworten. Doch der Wahrheit die Ehre: Das gilt nicht nur für Sabine Reiser, das gilt für alle Möchtegerns in diesem Wahlkampf.

Autor: hpk