Die Gemeinsschaftsschule erhält einen Namen – und was für einen!
Morgen will der Konstanzer Gemeinderat den endgültigen Namen für die Konstanzer Gemeinschaftsschule am Zähringerplatz beschließen. Lotte Eckener (1906-1995) soll dann die Namenspatin der Schule werden. Sie war Konstanz und dem Bodenseeraum lange eng verbunden, wurde als Fotografin und Verlegerin tätig und hat viel von der Welt gesehen und dokumentiert – in den dreißiger Jahren auch das Meersburger Schloss als Hintergrund einer Hakenkreuzfahne.
Die Frage, wie die neue Gemeinschaftsschule denn heißen soll, hatte der Gemeinderat bewusst offengelassen: Die Namensgebung sollte die Schule nach ihrer Gründung selbst vornehmen. Die Schule hat sich inzwischen entschieden, wie es in der Vorlage für die morgige Gemeinderatssitzung heißt: „Mit Schreiben vom 02.12.2022 teilte die Schulleitung nun mit, dass sich die Schulgemeinschaft der Neuen Gemeinschaftsschule am Zähringerplatz (bestehend aus der Gesamtlehrerkonferenz, dem Elternbeirat, der Schulkonferenz sowie der Beteiligung der beiden Lerngruppen der 5. Klasse) ausführlich mit der Namensgebung der Schule auseinandergesetzt und mehrheitlich für den Namen ‚Lotte Eckener Gemeinschaftsschule‘ ausgesprochen habe. Das Votum der Schulkonferenz war dabei einstimmig. Als Begründung der Entscheidung wird ausgeführt, dass die Tätigkeit von Lotte Eckener als Verlegerin und Fotografin sehr gut zum schulischen Profilierungsschwerpunkt Werkstatt/Atelier passe und die Tatsache, dass sie bis 1995 in Konstanz gelebt auch die ‚jüngere Geschichte‘ repräsentiere.“ [sic!]
Diesem Votum soll sich nach dem Willen der Verwaltung der Gemeinderat morgen anschließen, denn der hat das letzte Wort in dieser Angelegenheit.
Das schmucke Meersburg in Wort und Bild
Da ein wenig Lektüre nichts schaden kann, haben wir mal einen flüchtigen Blick in das einzige Buch mit Beiträgen von ihr geworfen, das sich in unserem Archiv fand. Es heißt „Meersburg“ und ist ein Gemeinschaftswerk von ca. 36 größtenteils unnummerierten Seiten, zu dem Lotte Eckener 40 Fotografien beisteuerte. Es erschien im „See-Verlag-Friedrichshafen“, und zwar ca. 1937.
Die Einleitung stammt von Wilhelm von Scholz (1874-1969), dem der Konstanzer Gemeinderat vor einigen Jahren nach heftigen Debatten „seine“ Straße weggenommen hat. Warum diese Aberkennung? Wilhelm von Scholz gehörte laut Wikipedia im Oktober 1933 „zu den 88 Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten. 1934 gewann er den Wettbewerb für eine Hymne zu den Olympischen Spielen in Berlin und entwarf ein Weihegedicht ‚für die im Kampf um die nationale Erhebung des deutschen Volkes gefallenen badischen Nationalsozialisten‘, das an einem Denkmal im Innenhof des Konstanzer Rathauses platziert werden sollte.“ Er lobte Adolf Hitler nach Kräften und wurde dafür nicht nur mit Geld belohnt, sondern gegen Kriegsende auch auf die „Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Schriftsteller“ gesetzt, auf der er sich in übelster Gesellschaft befand.
Eine Burgchronik von Hubert Naeßl (1900-1966) folgt in dem schmalen Bändchen – Naeßl lebte laut archinform als Stadtbaumeister in Meersburg und heiratete die damalige Burginhaberin Maria von Miller.
Nach diesen beiden Textbeiträgen und einem eher stimmungsvollen Gedicht von Arnold Weiß-Rüthel (1900-1949), der 1940 für fünf Jahre in Konzentrationslagern verschwinden wird, folgen die Fotografien von Lotte Eckener: Burg und Schloss, Unter- und Oberstadt, Wasser und Schwäne. Nichts Unerwartetes also, klare Konturen, kontrastreiches Schwarzweiß, für uns Heutige ein Blick in die Vergangenheit mit manch Beiläufigem in geschickter Perspektive, die das der Fotografin Wesentliche betont.
Burg, Hakenkreuz, Schloss
Auffällig ist das allererste ihrer hier publizierten Bilder „Blick auf Meersburg“, die Eröffnung sozusagen – leider können wir es hier wegen der Urheberrechtslage nicht publizieren. Es wurde auf einem Schiff aufgenommen, das auf Meersburg zusteuert. Es zeigt im Vordergrund den Schiffsbug, an dem etliche Wimpel flattern, und im Hintergrund die Unterstadt, das Neue Schloss und die Burg – das ganze zentrale Meersburg-Panorama also. Im Vordergrund knattert in der Bildmitte am Bug des Schiffes, einen großen Teil des Meersburger Schlosses verdeckend (welches doch die Hauptrolle im Bild spielen sollte), eine Hakenkreuzfahne machtvoll im Wind, darüber einige andere kleine Wimpel.
Ein Zufall? Bei einer professionellen Fotografin wie Lotte Eckener ist das nicht anzunehmen, denn das Bild ist sichtlich so komponiert, dass Fahne und herrschaftliche Gemäuer ins Bildzentrum rücken. Die Einheit des ganz alten Deutschlands und des neuen Nazi-Deutschlands wird hier für alle sinnfällig beschworen: Burg, Hakenkreuz und Schloss gehören zusammen.
Auf einer Fahrt nach Meersburg hätte sich auf dem Schiff ein unverfänglicherer Vordergrund als eine Hakenkreuzfahne auf dem Schiff gefunden (Meersburg selbst ist auf dem Bild nicht beflaggt), wenn die Fotografin dies denn gewollt hätte. So aber ist es dieses Bild ein unverkennbares künstlerisches Bekenntnis zum Nationalsozialismus.
Wie gesagt: Der Gemeinderat hat morgen das letzte Wort – der Schule mögen wir zu ihrer Namenswahl beim besten Willen nicht gratulieren.
Text: O. Pugliese, Bild: Lotte Eckener, wohl Ende der 1920er Jahre, Pressebild, zur Verfügung gestellt vom Hesse Museum Gaienhofen.
@oliver schwabe: Das Gedicht wurde ohne Titel und Quellenangabe abgedruckt. Es beginnt so:
Meersburger Weißherbst lockt wie braunes Gold
im Glas, das meine Lippe fromm berührt.
Schließ deine Augen, wenn dein Gaumen spürt,
wie dir der Tropfen in die Kehle rollt.
Liebe/r Autor/in,
könnten Sie mir mitteilen, wie das erwähnte Gedicht von Arnold Weiss-Rüthel heißt, das Sie erwähnen? Ich recherchiere gerade zu seinem Leben und Wirken. Besten Dank und beste Grüße
@ Veronika Fischer:
Unter den ursprünglichen Vorschlägen für die Namensgebung war auch Katharina Weißenborn (1884 – 1978, Künstlerin), für die sich die LLK ausgesprochen hat. Weißenborn reiste viel, kehrte aber 1939 nach Weimar zurück, musste jedoch aufgrund der Bombardierungen häufig ihren Wohnort wechseln und verlor dadurch einige ihrer Werke und Manuskripte. Nach 1945 richtete sie sich als gewerkschaftlich organisierte thüringische Künstlerin ein Atelier ein und wurde Vorstandsmitglied des FDGB, Bereich „bildende Kunst“ sowie im Kulturbund, wo sie sich für den kulturellen Neuaufbau des Landes engagierte. 1948 kam sie an den Bodensee (Quelle Wikipedia). Ausschlaggebend für die jetzige Namensentscheidung war m. E., dass sich die „Schulgemeinschaft der Neuen Gemeinschaftsschule am Zähringerplatz (bestehend aus der Gesamtlehrerkonferenz, dem Elternbeirat, der Schulkonferenz sowie der Beteiligung der beiden Lerngruppen der 5. Klasse) ausführlich mit der Namensgebung der Schule auseinandergesetzt und mehrheitlich für den Namen „Lotte Eckener Gemeinschaftsschule“ entschieden hat ( siehe https://www.konstanz.sitzung-online.de/public/vo020?VOLFDNR=1009917&refresh=false). Für mich leider keine gute Wahl.
Ob es sich von einem einzelnen Bild auf die politische Gesinnung einer Fotografin schließen lässt, wage ich zu bezweifeln. Zumal die dargestellte Symbolik zu dieser Zeit ja omnipräsent war. Ob Lotte Eckener dies nun unterstützt, es krititsch aufgreift oder es ein Zufallsprodukt war, bleibt reine Interpretation.
Fraglich ist für mich aber, warum man keine Person wählt, von der die politische Haltung klar und eindeutig antifaschistisch ist.
Vielen Dank für die Recherche. Wir wissen nun, dass Lotte Eckener mindestens eine Mitläuferin des Hitlerfaschismus war. Und dass das Kuratorenpaar der ihr gewidmeten Ausstellung von Hesse-Museum und Forum Allmende diesen Aspekt übersehen oder ausgeblendet hat, wie auch die Schulgemeinschaft der neuen Gemeinschaftsschule sich damit nicht auseinandergesetzt hat. Dabei wäre die Abwägung, ob Lotte Eckeners Wirken als Fotografin, Autorin und Verlegerin sie nicht ungeachtet ihres Mitläufertums als Namensgeberin qualifiziert, oder ob stattdessen ein brauner Fleck im Lebenslauf in jedem Fall ins Das-geht-gar-nicht öffentlicher Ehrungen zu münden hat, doch eine interessante und durchaus ergebnisoffene Frage gewesen.