Die gewollte Verunsicherung

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Selbstversuch: Stadtrat Michael Fendrich

Schlechte Nachricht für Konstanzer Verkehrsteilnehmer: Das Provisorium einer Begegnungszone am Bahnhof bleibt mindestens sechs Monate so, wie es jetzt ist. Und das ist auch beabsichtigt, wie Baubürgermeister Kurt Werner bei der gestrigen Eröffnung versicherte: Denn „die Verunsicherung ist gewollt“. Für Radfahrer, Behinderte und Kinderwagen-Nutzer, aber auch Laden-Besitzer und Bus-Fahrgäste brechen harte Zeiten an. Doch der Bürgermeister baut auf die Lernfähigkeit seiner Mitbürger.

Nichts spricht gegen eine Begegnungszone, aber alles gegen ein solches Provisorium. Zur Einnerung: Von den 177 000 Euro, die vor dem Bahnhof verbuddelt wurden, kommen 140 000 aus der Portokasse des Lago-Parkhaus-Betreibers. Für dieses Sümmchen hat sich die Mehrheit des Gemeinderates die Genehmigung zur Parkhaus-Erweiterung abkaufen lassen. Da aber derzeit die Stadtkasse nicht allzu üppig gefüllt ist, reichte es nur für „das Provisorium“, für das Konstanz gerade mal 30 000 hin blätterte.

Und dafür wurden grüne Baumstämme als Bänke aufgestellt, grüne Banderolen um die Blumenkübel drapiert und grüne Striche aufs Trottoir gepinselt. Die sollen den Passanten den Weg weisen – dummerweise beschreiben sie aber meist nur Kreise. Ein Ringverkehr besonderer Art.

Aber auch anderes ist verschlimmbessert: Die Bordsteinkanten wurden erhöht – wohl um den Einstieg in den Bus zu erleichtern. Folge aber auch: Rollstuhlfahrer und Kinderwagen-Nutzer können nur die zwei Querwege ganz am Anfang und ganz am Ende der „Zone“ nutzen und verlieren dabei viel Zeit. Außerdem ist die Verbreiterung der Fußwege nicht wirklich gelungen: In den Mulden zwischen dem notdürftigen neuen und dem schadhaften alten Belag sammelt sich das Regenwasser, was gerade bei Sommergewittern regelmäßig für nasse Füße sorgt. Und die Verlegung der Bushaltstellen sorgt für ständigen Verdruss der Geschäftsbesitzer (seemoz berichtete mehrfach), die kaum noch ihre Ladentür öffnen können.

Aber auch auf der Fahrbahn kommt es zu ständigen Drängeleien: Die Einfahrt aus der Dammgasse ist nur stockend möglich, weil parkende Busse die Sicht versperren. An die Geschwindkeitsbegrenzung auf 20 km/h halten sich die meisten Autofahrer ohnehin nicht, was auch daran liegt, dass die Tempoanzeigtafeln nur sehr sporadisch funktionieren.

Macht alles nix, denn „in der Modellphase geht es vor allem darum zu lernen“, so Bürgermeister Werner. Neue Erkenntnisse, die in den nächsten sechs Monaten gesammelt werden, sollen in die Beratungen für den Endausbau einfließen. Ziel der Umgestaltung sei, sagt der Baubürgermeister, nicht nur den Verkehr zu entschleunigen, sondern auch zu reduzieren. „Verkehrszählungen haben ergeben, dass täglich 11 500 Fahrzeuge am Bahnhofplatz vorbei fahren. Durch den Stadtboulevard könnte der Durchgangsverkehr verlagert und der Verkehr in diesem Bereich um rund 3 000 verringert werden. Zwei Verkehrszählungen im Sommer und im Spätherbst 2012 sollen dokumentieren, wie sich das Verkehrsaufkommen am Bahnhofplatz verändert. Der Endausbau ist ab 2013/2014 nach Aufnahme der Kosten in den nächsten Doppelhaushalt geplant“. Bis dahin erhofft sich Bürgermeister Werner „ein reges feedback aus der Bevölkerung“. Das fängt hier und heute schon an.

Denn das heißt im Klartext: Der Murks am Bahnhof bleibt uns bis zum Jahresende erhalten. Bis dahin gibt es nasse Füße, genervte Ladenbesitzer, quängelnde Busfahrgäste und orientierungslose Bahnreisende. Das ist doch mal ein schöner Erfolg der Stadtplanung.

Autor: hpk

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