„Die Grenze im Krieg“ und die Grenze in den Köpfen
Warum eine Ausstellung über den 1.Weltkrieg, wenn doch am Bodensee kaum ein Schuss gefallen ist? Antwort gibt die kleine, feine Schau „Die Grenze im Krieg“, die am morgigen 18. Juli im Konstanzer Kulturzentrum öffnet. Und da wird klar: Die Auswirkungen des Krieges 14/18 auf die Dreiländer-Region führten zu einschneidenden Veränderungen, die teilweise bis in die Gegenwart wirken
Grob zusammen gezimmerte Munitionskästen ersetzen die sonst üblichen Vitrinen, Schaubilder hängen von der Decke herab, Filmboxen liefern historische Töne und Bilder: Die kleine Ausstellung im Erdgeschoss des Kulturzentrums am Münster zeigt das Konstanz der Jahre 1914 bis 1918 aus Sicht der Soldaten des Konstanzer Regiments, das am Ende des Krieges 3000 Tote zu beklagen hatte (insgesamt dürften 6000 junge Männer der Bodensee-Region in den Krieg gezogen sein).
Aber auch aus Sicht der Konstanzer Krankenschwester, die mit ihren Kolleginnen aus dem ganzen Land die über 50 000 Verwundeten und über 180 000 Kriegsgefangenen pflegte, die über die Lazarettstadt Konstanz mit damals 60 000 Einwohnern während des Krieges ausgetauscht wurden; und auch aus Sicht der Schweizer Nachbarn, die sich plötzlich hinter einer verschlossenen Grenze wieder fanden – immerhin pendelten zu Kriegsanfang 4000 deutsche Arbeiter in die aufstrebende Industriestadt Kreuzlingen, denen von einem Tag auf den anderen der Weg zu ihrem Arbeitsplatz versperrt war. Andererseits blieben die Lebensmittel-Exporte aus der Schweiz aus, was zu schlimmen Versorgungsengpässen führte, Konstanz aber später zur Schmuggler-Hochburg machte.
Exponate aus Privatbesitz
Viele Gründe also, die Tobias Engelsing, Ausstellungsmacher und Leiter der Konstanzer Museen, fand, um die Jahre 1914-18 am See näher zu beleuchten: Das Zusammenleben mit den Schweizer Nachbarn war auf Jahrzehnte hinaus gestört, die Bodensee-Region wurde zum ersten Mal zum Refugium für Flüchtlinge und Pazifisten und der Gefangenen-Austausch ließ Konstanz zu einem Drehpunkt des Krieges werden. Engelsing war dann auch nicht überrascht, wie viele Exponate, die jetzt gezeigt werden, aus privaten Nachlässen deutscher und Schweizer Familien stammen: „Von der Uniform-Jacke bis zum Patronen-Amulett, vom Klappspaten bis zum Blechnapf – alles fand sich noch fein gepflegt auf den Dachböden“. So ist – fast – eine Schau aus biografischer Perspektive entstanden.
Fratze des Krieges
Die Ausstellung müht sich, „das Zeitalter des Massakers“ nicht zu beschönigen, schon gar nicht zu verherrlichen oder als Abenteuer-Spielplatz darzustellen, wie es auch heute noch vielerorts geschieht. Dokumentiert wird das überdies in dem ungemein informativen, reich illustriertem 360-Seiten-Buch, das zur Ausstellung erschienen ist: Die Fratze des Krieges wird in den Beiträgen namhafter, lokaler Historiker (J. Klöckler, M. Bosch, B. Stark, A. Moser; L. Burchardt, T. Engelsing, L. Foege u.a.) nicht verschwiegen, wie beispielsweise in der Foto-Serie, die kürzlich im Südkurier erschien, sondern schonungslos offen gelegt. Das ist wahrlich seine 21 Euro wert.
Fortsetzung in 2015
Und sie müht sich erfolgreich, historische Verbindungslinien aufzuzeigen: Wie entstand aus der Verbitterung der Kriegsgeneration gegen Regierung und Monarchie das „Revolutiönchen“ von 1918? Und wie später der Revanchismus, der letztlich auch zum Nationalsozialismus führte? Bei solchen Einblicken darf man gespannt sein auf die nächste Ausstellung, die Engelsing derzeit für 2015 vorbereitet: „Juden in Konstanz“ will nicht nur von Verfolgung und Vernichtung berichten, sondern auch ein Schlaglicht auf den jüdischen Einfluss auf die Konstanzer Stadtentwicklung werfen. Auch da darf man gespannt sein…[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk
Ausstellung „Die Grenze im Krieg“ vom 18.7. bis Ende 2014; Kulturzentrum am Münster, Öffnungszeiten Di-Fr 10-18 Uhr, Sa, So bis 17 Uhr; Eintritt: 3 €, ermäßigt: 2 €, Sozialpassinhaber: 1 €, Schüler in Klassen: freier Eintritt.
Eröffnung, Gedenkstunde und Buchpräsentation: Donnerstag, 17.7., 19.30, im Inselhotel.
Buch: „Die Grenze im Krieg“, ca. 360 Seiten, 21,90 Euro, erhältlich im Buchhandel und im Museumsshop.
Weitere Informationen zu Kinder- und Begleitprogramm (Filme und Vorträge): Tel: 900 246, e-mail: rita.frank@konstanz.de