Die heimlichen Leiden des jungen Uli B.
100 Tage Schonfrist für den neuen Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt sind vorbei. Smart ins Amt geglitten, zeigt sich ihm nun, dass der kommunalpolitische Alltag für einen Newcomer hartes Brot sein kann. Die aktuellen Probleme der größten Stadt am Bodensee drücken schwer auf die Stimmung. Um solche Schwierigkeiten zu bewältigen, braucht es Entscheidungskraft, aber auch fähiges Personal, das dem städtischen Oberhaupt solide und verlässlich zuarbeitet. Und da harzt es zum Teil gewaltig
Erst wenige Monate ist es her, da wählte der Gemeinderat einen neuen Stadtwerke-Chef. Der sei ein Garant für frischen Wind und innovative Ideen, hieß es damals. Doch kurz vor Amtsantritt ließ der Mann wissen, dass er auf den Job verzichte. Im Nachhinein muss sich auch die Mehrheit des Gemeinderats fragen, was sie bewogen hat, diesen selbstverliebten Lautsprecher aus dem hohen Norden zu unterstützen. Nun soll es Geschäftsführer Kuno Werner vorläufig alleine richten, doch eine langfristige Lösung bei den Stadtwerken muss her.
Pleiten und Pannen…
Weitaus mehr Sorgen machen da schon andere Baustellen, die sich fast täglich vor Uli Burchardt auftun. Das Minus bei der Philharmonie beläuft sich aktuell auf rund 700 000 Euro und die Hoffnung, mit dem neuen Intendanten würden sich die roten Zahlen mittelfristig in schwarze verwandeln, ist auf Treibsand gebaut. Die vhs ist nach den Amokläufen der beiden Vorstandsdamen und einiger willfähriger Mittäter nachhaltig geschwächt und dümpelt einer unsicheren Zukunft entgegen. Das Amt für Wirtschaftsförderung führt ein seltsames Eigenleben und wäre gut beraten, umgehend die aktuellen Vorgänge um das dubiose Projekt „Kompetenzzentrum“ am Seerhein transparenter zu gestalten und endlich die Karten auf den Tisch zu legen. Auch das Stadtmarketing steht auf der Kippe, denn der tiefere Sinn dieser Abteilung erschließt sich immer weniger.
Sofortiger Handlungsbedarf ist vor allem beim Thema Verkehr angesagt. Die Stadt versinkt im Chaos und Burchardt könnte punkten, wenn er das Problem zur Chefsache machte und sich was traute. Warum, so fragen sich viele, lässt er an neuralgischen Punkten nicht einfach die rechte Fahrspur allein für Busse reservieren? Das wäre schnell umsetzbar und auch sinnvoll. Wer auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verweist, muss dafür sorgen, dass zumindest diese halbwegs freie Fahrt haben. Auch der beschlossene P&R-Platz am Schänzlebrückenkopf Nord könnte schneller Realität werden und nicht erst, wie Baubürgermeister Kurt Werner plant, im Laufe der nächsten Monate.
…und auch noch Arbeitsverweigerung
Doch nicht nur hier zeigt sich die Blockadehaltung Werners, die bei manchen Projekten fast schon einer Arbeitsverweigerung gleichkommt. Mit seinem Namen sind Vorhaben verbunden, denen allesamt Verzögerungs- oder sogar massiver Pannengeruch anhaftet: Münsterplatz, Begegnungszone, Umgestaltung des Konzilvorfeldes oder Haltestelle am Sternenplatz, um nur einige Punkte zu nennen. Es wäre an der Zeit, dass Uli Burchardt seinen Bürgermeister zur planerischen Ordnung ruft und ihn daran erinnert, dass man für ein gutes Gehalt auch zielorientierte Arbeit verlangen kann. Schon werden Stimmen lauter, die vorschlagen, Hannes Kumm, den zu Recht hoch angesehenen Stadtbaumeister im Ruhestand, um vorübergehenden Beistand zu bitten.
Mit Claus Boldt, Sozialbürgermeister auf Abruf, hat Burchardt ebenfalls einen Dezernatsleiter an der Backe, und das noch bis Juni, dessen Schadensliste rekordverdächtig ist. Fast alles, was in den vergangenen Jahren schief ging und die Steuerzahler Millionen gekostet hat (Maultaschenskandal, Debakel um Müller-Esch, tatkräftige Beteiligung bei den Schräglagen vhs oder Philharmonie) geht mit auf sein Konto. Glücklicherweise steuert die Amtszeit von Pleiten-Claus auf ihr verdientes Ende zu. Schade nur, dass man ihn nicht persönlich für den von ihm angerichteten Schaden zur Verantwortung ziehen kann.
Flockig-lässig war gestern
Im Falle Boldt geht es in dessen verbleibender Amtszeit nur noch darum, weitere Katastrophen zu verhindern. Dieser Bürgermeister war einer der größten Rohrkrepierer, den sich die Stadt in ihrer jüngeren Geschichte geleistet hat. Dass Boldt auf eine zweite Amtszeit verzichtet, ist nur ein schwacher Trost. Auf seine Beigeordneten darf Burchardt also nicht zählen. Der Oberbürgermeister kann froh sein, dass ihm zumindest mit Hauptamtsleiter Roland Bunten und dessen Team eine fähige Truppe zur Seite steht. Ohne diese sähe er reichlich alt aus.
Uli Burchardt merkt langsam: Flockig-lässig war gestern, nun geht es zügig ans Eingemachte, denn die Haushaltsberatungen stehen vor der Türe. Während seines OB-Wahlkampfes konnte er es sich leisten, weitgehend unverbindlich und charmant-wolkig zu bleiben und allerlei Begehrlichkeiten am Köcheln zu halten. Ob ein weiteres Parkhaus in der Innenstadt oder ein erneuter Anlauf beim Uraltthema Konzert- und Musikhaus: Denkverbote, so Burchardt geschmeidig und bisweilen auch etwas naiv, würde es bei ihm nicht geben. Da kam regelmäßig Freude auf bei unterschiedlichen Lobbyistenzirkeln aus dem bürgerlichen Lager, dessen oberstes Ziel schon immer war, sich die Stadt zur Beute zu machen.
Es darf auch gerne mehr kosten
So nimmt es auch nicht Wunder, dass der neue OB bei der letzten Debatte um das Konziljubiläum, die weitgehend von der Tagespresse ignoriert wurde, ins Horn seines Amtsvorgängers blies. Gegenüber dem Südwestrundfunk erklärte Burchardt, man werde die fünf Jahre „groß feiern“. Dem auf Nachhaltigkeit pochenden Rathauschef müsste mittlerweile klar sein, dass die Kritik an dem künstlich aufgeblähten Jubiläumskonzept in der Bürgerschaft wächst und man es schlichtweg nicht verantworten kann, von städtischer Seite mindestens 6 Millionen Euro für das Jubiläum einzubringen.
Fast fahrlässig schon seine Weigerung, bei eben dieser Summe einen festsitzenden Deckel auf den Topf zu machen. Man wolle sich da keine Grenzen setzen und sich weitere Optionen offen halten. Will heißen: Es darf auch gerne mehr kosten. Burchardts Job aber wäre, schleunigst überflüssigen Jubiläumsballast abzuwerfen und das Spektakel sowohl zeitlich als auch finanziell in einen vernünftigen Rahmen zu setzen. Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr.
Autor: H.Reile
Sehr geehrter Herr Dr. Engelsing,
natürlich hat Herr Boldt die zuständigen Leiter der städtischen Kultureinrichtungen machen lassen, und dies rechnen Sie ihm wahrscheinlich hoch an. Auch in Ihrem Ausgabenbereich dürfte Herr Boldt so wenig Kontrolle ausgeübt haben, wie er das bei der abgestürzten Philharmonie praktiziert hat. Denn Herr Boldt hat öffentlich bei einer Kritik an ihm seine Führungsqualitäten kundgetan, dass er in seine Amtsleiter Vertrauten hat. Aber gerade das ist der Grund, dass ihr Kollege Riem solch ein hohes Minus einfahren konnte. So ein Chef ist der Liebling aller Angestellten, denn Kontrolle wird meist nicht gewünscht.
Die Darstellung „Rohrkrepierer“ ist eigentlich sehr treffend. Beim Rohrkrepierer versagt der Zweck einer Zündung. Das Rohr schützt aber hierbei vor einem größeren Schaden. Auf die Person umgesetzt, hat das häufige Versagen von Herr Boldt, als Zentral- und Führungsperson, uns Steuerzahler nicht vor Schaden geschützt. Geschützt hat Herr Boldt das Amt, das ihn, im Vergleich zum Rohrkrepierer, nun auch schützt, denn eine Haftung für seine unzureichende Führungsleistung, kann bei ihm nicht eingefordert werden.
Beste Grüße
Sehr geehrter Herr Dr. Engelsing,
ganz abgesehen davon, dass auch Sie in Ihrer journalistischen Arbeit der Vergangenheit bereits Menschen mehr oder weniger öffentlich herabgesetzt haben, verwundert mich doch, dass Sie hier ausgerechnet Beispiele anfügen, aus denen eine Schmähkritik eben nicht offensichtlich wird:
Wie Sie richtig feststellen, deckt das Grundgesetz keine Schmähkritik. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Grundsatzurteil allerdings äußerst hohe Hürden gesetzt, indem es „ausfällige Kritik“ nicht generell als „Schmähkritik“ ansieht. Wie Sie richtig erwähnen, muss sich die Diffamierung auf die Position oder Funktion, nicht auf die Person als solche beziehen, um von „Schmähkritik“ sprechen zu können.
Somit eignet sich der von Ihnen – möglicherweise absichtlich nur zur Hälfte – zitierte Satz des „Rohrkrepierers“ überhaupt nicht für ein passendes Exempel zur „Schmähkritik“. Beginnt der Satz doch ausdrücklich mit „Dieser Bürgermeister…“. Herr Boldt wird demnach explizit in seinem politischen Amt als „Rohrkrepierer“, als „Fehlzündung“, bezeichnet; eine persönliche Verunglimpfung gegen seine Person kann ich nicht erkennen.
Gleichermaßen mag es sein, dass die Zuschreibung aus Ihrer Sicht und aus Ihrer Erfahrung auf den Bürgermeister nicht zutrifft. Auch hier muss man feststellen: Der von Ihnen kommentierte Artikel zählt eine Reihe von Versäumnissen aus seiner bisherigen Wirkungszeit auf, auf die dann auch die von Ihnen kritisierte „Schmähung“ abzielt. Diese zweifellos subjektive Wahrnehmung ist zulässig – von Ihrer Seite, aber ebenso von Seite der „seemoz“-Redaktion.
Deshalb ist für mich nicht ersichtlich, welcher Verstoß durch die „seemoz“-Redakteure vorliegen soll.
Dennis Riehle
Die Meinungs- und Pressefreiheit im Grundgesetz deckt nicht die so
genannte Schmähkritik, bei der nicht mehr die Sachauseinandersetzung,
sondern die Diffamierung der Person im Mittelpunkt steht. Leider hat
„Seemoz“ in jüngster Zeit in der Charakterisierung von Personen in
öffentlichen Ämtern häufiger zu Formulierungen gegriffen, die sich
zumindest hart an der Grenze zur Schmäkritik bewegt haben.
Bürgermeister Claus Boldt als einen „der größten Rohrkrepierer, den
sich die Stadt in ihrer jüngeren Geschichte geleistet hat“ zu
bezeichnen, gehört meines Erachtens dazu. Solche Polemik wird aber
weder seinem umfangreichen Tätigkeitsgebiet der letzten Jahre noch
seiner Person gerecht. Für die Museen kann ich nur feststellen, dass
wir Claus Boldt als stets sachbezogenen, für die Institutionen seines
Dezernats eintretenden und menschlich vertrauenwürdigen Vorgesetzten
erlebt haben.
Schmähungen dieser Art und übles Nachtreten zeugen nicht von kritischem Geist und sie sind nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit von „Seemoz“ zu stärken.
Dr. Tobias Engelsing
Direktor der Städtischen Museen