Die Lebenslüge des Bruno Helmle
Nun ist es klar: Der langjährige Konstanzer Oberbürgermeister Bruno Helmle (1959 – 1980) war enger mit dem NS-System verbandelt als bislang angenommen. So das eindeutige Ergebnis eines Gutachtens, das Lothar Burchardt, Wolfgang Seibel und Jürgen Klöckler im Auftrag der Stadt erstellt haben. Helmle hat nach 1945 seine Biographie geschönt, vieles verschwiegen und die Öffentlichkeit belogen. Von „bewusster Irreführung“ und „Tatsachenverdrehung“ ist in dem umfangreichen Papier die Rede.
(hr) Völlig überraschend kommt diese Erkenntnis nicht. Ohne die Helmles, Globkes, Mendes, Oberländers, Kiesingers, Filbingers und viele andere, die nach 1945 politische Karrieren hinlegten, hätte das NS-System nicht funktioniert. Auch Helmle war ein kleines, aber funktionierendes Rädchen in einer gigantischen Mord- und Vernichtungsmaschine. Als Finanzbeamter hat er sich nachweislich an jüdischem Eigentum bereichert und er wird als Regierungsrat, der „volksfeindliches Vermögen“ verwaltete, zumindest geahnt haben, dass Buchenwald und Auschwitz keine Ausflugsziele waren. Er ließ jüdisches Eigentum beschlagnahmen und langte zumindest in einem Fall, so Wolfgang Seibel, „kräftig zu“.
Nach 1945 war bei Helmle und seinesgleichen angesagt, möglichst schnell die braunen Schatten abzustreifen und nahtlos in die Nachkriegsgesellschaft einzutauchen. Das gelang ihm, er überstand schadlos ein Entnazifizierungsverfahren. Ihn belastende Akten waren nicht mehr auffindbar. Der „schöne Bruno“, wie ihn heute noch ältere Konstanzer nennen, machte Karriere und wurde beim zweiten Anlauf Oberbürgermeister der größten Stadt am See. Seine frühere Tätigkeit verharmloste er, bog sie um, und er hatte das Glück, dass auch niemand konkret nachfragte. Der stets freundliche und joviale Helmle genoss hohes Ansehen in der Bevölkerung, die sich mehrheitlich dem ungetrübten Blick in die Zukunft verschrieben hatte und nicht mehr interessiert war an den „dunklen Jahren“.
Und nun? Helmle liegt seit 16 Jahren unter der Erde und eine andere Generation soll darüber befinden, ob man ihm posthum seine Auszeichnungen – Ehrensenator der Universität und Ehrenbürger der Stadt – aberkennt. Wir erinnern uns: Der Wilhelm-von-Scholz-Weg wurde umbenannt, weil sein Namensträger Hymnen auf Hitler verfasste und noch in den letzten Kriegstagen die Konstanzer Bevölkerung aufgefordert hatte, sich „für Volk und Führer“ massakrieren zu lassen. Legt man die Messlatte bei der Diskussion um Bruno Helmle ähnlich hoch?
Denn die Auseinandersetzung kommt und sie wird vermutlich tiefe Gräben reißen. Der Gemeinderat will am 1.3. über das Gutachten diskutieren. Am 20.3. wird die Causa Helmle Thema bei einer Podiumsdiskussion im Konzil sein und dann wird wiederum der Gemeinderat darüber entscheiden, ob man sich Helmle als Ehrenbürger noch leisten mag. Uns stehen spannende Wochen bevor.
Hier geht es zum Gutachten: