Die Nase im digitalen Wind

Serviceportal KonstanzKonstanz arbeitet daran, sich digital besser zu präsentieren. Am letzten Donnerstag hat der Oberbürgermeister die neuen Serviceseiten der Stadt freigeschaltet, die BürgerInnen den Umgang mit der Bürokratie erleichtern und so manchen Gang zum Amt auf Dauer überflüssig machen sollen. Außerdem unterstützte der Rat einstimmig die Teilnahme am Wettbewerb „Digitale Stadt“.

Die Stadt Konstanz ist mit Volldampf unterwegs in die digitale Zukunft, und deshalb hat Oberbürgermeister Uli Burchardt am Donnerstag das neue Serviceportal der Stadt Konstanz im Internet eröffnet. Dies tat er passenderweise nicht durch Druck auf einen roten Knopf, sondern durch Klick auf einen roten Button. Entwickelt und gestaltet wurden die neuen Seiten übrigens von der renommierten Konstanzer Firma Seitenbau.

Zwei Vertreter des Unternehmens erhielten in der Ratssitzung die Gelegenheit, ihr Werk vorzustellen. Bedauerlich war dies deshalb, weil sie die neuen Seiten aus ihrer sehr technischen Sicht als Entwickler präsentierten und kaum aus jener der Bürger und Gewerbetreibenden, die das Portal nutzen sollen. Außerdem fanden die beiden, man muss es so hart sagen, einfach kein Ende. Gemeinderätinnen und -räte hörten denn auch bald intensiv weg, das Publikum rollte vor Ödnis mit den Augen, und Stadtrat Klaus-Peter Kossmehl (FWK) schaute so gebannt auf den Bildschirm seines Laptops, als erwarte er dort jeden Augenblick eine Freibier-Erscheinung.

Eine Seite für alles

Kurz gefasst: Unter service.konstanz.de finden sich ab sofort zahlreiche Links auf alle möglichen Informationsseiten und Formulare. Der Witz daran: Hier werden Informationen sowohl der Stadt als auch des Landes und Bundes zusammengeführt, ohne dass der Benutzer das merkt, er kommt über diese eine Internet-Adresse also an Informationen aus vielen verschiedenen Quellen. „Als erste Kommune in Baden-Württemberg realisiert Konstanz die vollständige Verknüpfung der Daten der eigenen Serviceseite mit dem Serviceportal Baden-Württemberg“, teilt der Konstanzer Pressereferent Walter Rügert denn auch stolz mit.

Der Vorteil für die Verwaltung: Das Ding ist pflegeleicht, ändert man Informationen wie etwa Öffnungszeiten an einer Stelle, wird diese Änderung überall automatisch übernommen. Ändert das Land etwas an den Texten zu gesetzlichen Vorgaben, wird das automatisch in die Internetauftritte aller angeschlossenen Kommunen übernommen. Für Konstanz gibt es hier derzeit: 54 „Lebenslagen“, 1500 Texte zu Lebenslagen, 900 Leistungsbeschreibungen und 8000 Behördendaten. Die Informationen sind so konzipiert, dass BürgerInnen viel von daheim aus erledigen können und nicht mehr für alles ins Amt rennen oder dort anrufen müssen. 2017 ist „unter anderem geplant, dass die Verfahren für Anwohnerparkausweise und Wohnungsgebermeldungen ohne Behördengang abgewickelt werden können“, verspricht der Pressereferent.

Wer jetzt Angst hat, er könne seine/ihre Amtsgeschäfte künftig nicht mehr ohne Computer, Smartphone oder ähnliches Teufelswerk verrichten, sei beruhigt: Das Bürgerbüro und andere Amtsstuben bleiben wie gehabt geöffnet, und dort sitzen auch weiterhin SachbearbeiterInnen aus Fleisch und Blut, denen man/frau seine/ihre Anliegen vortragen kann. Noch ein Detail erscheint erwähnenswert: Da wir Föderalismus haben, entwickelt fast jedes Bundesland sein eigenes Internetportal zur Bürgerinformation, es wäre doch gelacht, wenn man das Rad nicht für viel Geld täglich neu erfinden könnte. Ganz anders Baden-Württemberg. Es hat sich mit Sachsen zusammengetan, um dieser kostentreibenden Kleinstaaterei ein Ende zu bereiten, und das passt auch kulturell, denn in beiden Bundesländern kann man so ziemlich alles – außer Hochdeutsch.

Digitale Stadt

Wirtschaftsförderer, Marketingfachleute und ähnlich gestimmte Berufsgruppen neigen dazu, den Mund ziemlich voll zu nehmen und einen Optimismus zur Schau zu stellen, der dem im Erdenleben verhafteten Normalmenschen gelegentlich bitter aufstößt. So auch in Sachen „Digitale Stadt“. Dies ist ein Wettbewerb des Branchenverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (bitkom), an dem die Stadt Konstanz teilzunehmen gedenkt. Um es vorwegzunehmen: Der Gemeinderat unterstützt diese Bewerbung einhellig.

Zu diesem Zweck sollte er in seiner Sitzung am Donnerstag aber ein Unterstützungsschreiben beschließen, das vor vollmundigen Sprüchen, Eigenlob und Ausrufezeichen nur so strotzte: „Dieses tolle Projekt“, „Mit echter Begeisterung“, „Weil wir es wirklich wollen!“, „Wir sind dabei!“ hieß es im Entwurf. Man merkt unschwer, dieser mitreißende sprachliche Hüftschwung entstammt dem Schatzkästlein der pubertären Kraftmeierei längst vergangener Jahrzehnte. Salve, mein Wirtschaftsförderer. Holger Reile (LLK) stellte im Rat den Antrag, dieses Unterstützungsschreiben sprachlich zu entschärfen und zumindest die übelsten sprachlichen Testosteronbomben zu streichen. Gemeinderätinnen und -räte aller Lager schlossen sich ihm mehrheitlich an, und so wird das endgültige Schreiben sprachlich etwas nüchterner ausfallen.

Anke Schwede (LLK) gab außerdem zu bedenken, dass die Digitalisierung für die in der Verwaltung Beschäftigten nicht nur Erleichterungen, sondern auch viel Mehrarbeit mit sich bringt: „Wir betonen auch an dieser Stelle, dass für die kommenden tiefgreifenden Umgestaltungsprozesse und bei der Umsetzung der ehrgeizigen Ziele genügend Personal zur Verfügung stehen muss, um das Pensum bewältigen zu können. Es wird ja nicht weniger angestrebt, als ‚Vorzeige-Kommune der Digitalisierung zu werden und sich damit auf der digitalen Landkarte Europas als Leuchtturm zu positionieren‘, wie es in der Vorlage der Januar-Sitzung hieß. Das heißt, ob die im Haushalt vorgesehenen drei zusätzlichen Stellen in 2017/18 ausreichen werden, muss kritisch begleitet und auf eine Unterbesetzung zeitnah mit außerplanmäßigen Stellen reagiert werden.“

Immerhin konnte in der Debatte zwischendurch auch herzlich gelacht werden, als Erzschelm Roger Tscheulin (CDU) darauf hinwies, dass Konstanz in diesem Wettbewerb gegen Kommunen wie Wolfsburg antreten muss, „und Wolfsburg kooperiert darin mit VW, das ja softwaremäßig bekanntlich ganz vorn liegt“. Gegen diese Konkurrenz wird Konstanz kaum anstinken können.

O. Pugliese