Die negative Kiwi: Außen grün, innen braun?

Nachhaltige Landwirtschaft ein Scharnier für RechteBei einem weiteren Vortrag im Contrast ging es vergangenen Donnerstag um die Versuche der Rechten, im grün-alternativen Spektrum Anschlussmöglichkeiten zu finden. Gerade dessen naturmystische, esoterische Seite ist anfällig für diese Versuche, die sich neben der Hinwendung zur ökologischen Landwirtschaft auch in der Gemeinschaftlichkeit und Naturnähe völkischer Siedlungsprojekte zeigen.

Wie schaffen es Rechte, ihr Gedankengut zu verbreiten und zu normalisieren? In einer dreiteiligen Vortragsreihe widmet sich die Konstanzer Infokneipe in Contrast mit Unterstützung des Recherchenetzwerks Allgäu Rechtsaußen genau dieser Frage. Der Journalist Sebastian Lipp, selbst aktiv auf der Plattform, gibt in drei Modulen Einblick. Im zweiten Teil ging es nun darum, wie Rechte und völkische Siedler*innen die Ökoszene unterwandern.

Analog zu ihrem Vorgehen, sich über das Instrument der Musik und die Kaschierung ihrer radikalen Ansichten breitere Kreise zu erschließen, geht es den Rechten auch in ihrer Hinwendung zum alternativen Milieu darum, in andere Szenen Verbreitung zu finden und den Boden für ihre Ideologie zu bereiten. Wie uns die großen Demos der sogenannten Querdenkenden vor Augen führ(t)en, ist die Distanz zwischen den Milieus nicht mehr in der Form gegeben, wie sie eigentlich in der groben Trennung von linken und rechten Spektren bestehen müsste. Ein verbindendes Moment scheint dabei im Antiautoritarismus zu liegen, der das Trennende in der Abwendung von der staatlichen Ordnung überbrückt. Die ideologischen Angebote der Rechten, die die Korruption der politischen Klasse oder die sinistren Pläne der im Hintergrund agierenden Eliten als die Schuldigen der momentanen Miseren ausmachen, schaffen es so, trotz ihrer offenkundigen geistesgeschichtlichen Ahnenschaft, Gehör zu finden. Zentrales Merkmal ist aber, dass sich die Rechten zunächst in einem konformistischen Deckmantel tarnen, in dem sie ihre Radikalität und eigentlichen Beweggründe kaschieren. Versteckten rechtsradikale Musikant:innen ihre Chiffren in tanzbarem Ska oder postromantischem Lagerfeuerfolk, so tarnen sie sich mittlerweile auch als ökologisch bewusste Landwirte und Naturschützer:innen, um in das grüne Milieu vorzustoßen.

Schafe, Pelze und Wölfe

Nachhaltige Landwirtschaft scheint ein Scharnier für die Rechten zu sein, im ländlichen Raum Fuß zu fassen. Biohöfe bieten dabei ebenso regionales Obst und Gemüse an wie sie gleichzeitig Orte der ideologischen Unterwanderung und Zentren der Organisation rechter Netzwerke sind. Über den ökologischen Anbau lässt sich also nicht nur eine umweltbewusste Kundschaft anlocken, sondern zugleich in weltanschauliche Muster einweisen. Der Schutz der Natur, der Tiere und Pflanzen, kann so schnell zum Schutz der Heimat werden, des Bodens oder eines „Volks“. Die rechten Akteure wollen, so die Vermutung, nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern sich als besorgte Nachbarn geben, denen das Leben im Dorf und der Schutz der Natur am Herzen liege, und die dann auf die Sorgen und Nöte der Menschen mit entsprechenden Narrativen und Sinnstiftungsangeboten empathisch eingehen.

Im Schutze der nachbarschaftlichen Vertrautheit oder dem Zuspruch, der Bio-Landwirten in Fragen der Ökologie zuerkannt wird, werden Thesen der Rechten verbreitet. Dabei bilden sich „völkische Siedlungen“ vor allem in ländlichen, strukturschwachen Gebieten, da die Rechten hier offene Ohren für Ideologie erwarten. Auch wenn noch zwischen den Gruppen der völkischen Siedler und rechtsextremen Akteuren getrennt wird, sind die Grenzen mehr als fließend, wie Referent Lipp in mehreren Beispielen aufzeigte.

Der im Allgäu ansässige „Mutterhof“ gibt sich als ein modernes Pionierprojekt für eine ökologische und nachhaltige Landwirtschaft der Zukunft, dessen Image auch über ein professionelles Werbevideo nach außen getragen wird. Das Innere dieser Organisation sieht freilich anders aus: Unter dem Deckmantel alternativer Überzeugungen und politischer Neutralität verstecken sich die altbekannten xenophoben, reaktionären und paternalistischen Denkmuster, Verschwörungstheorien und Hoffnungen auf eine „völkische Revolution“. Anders, als es uns das propagierte Image zeigen will, sind die völkischen Siedler:innen keineswegs harmlose, bodenständige und politisch desinteressierte Zeitgenossen, sondern strategisch versierte, ehrgeizige und meist gebildete Akteure, die ihre politischen Ziele langfristig verfolgen. Der Schein der Rückwärtsgewandtheit soll hier auch trügen: Es geht um autarke Strukturen, die eine Überwachung und Kontrolle unmöglich machen. So kann im Privaten ein Netzwerk entstehen, das nach innen geschlossen ist. Die ideologische Tendenz lässt sich neben der militärischen Ausbildung auch an der Integration von Kindererziehungs- und Jugendorganisationen ablesen. Die Hoffnung wäre allzu naiv, diese klandestinen Strukturen dienten allein hippieesken Fluchtbewegungen aus der entfremdeten Moderne.

Der Traum vom Eskapismus im Grünen

Ihren ideologischen Grund finden diese völkischen Siedlungs- und Hofprojekte zum Teil in der Anastasia-Buchreihe, die eine quasi-religiöse Grundlage unter dem Deckmantel schlechter Belletristik bildet. Die Verknüpfung von Ökologie, Naturromantik und Esoterik ist die hauptsächliche Strategie, in grün-alternative Spektren vorzudringen, und bietet zugleich verschiedene Andockstellen für rechte Ideologien. Nicht zuletzt lässt sich mit der Hoffnung auf die Heilkraft von Zedern durchaus auch Geld verdienen.

Um der skeptischen Distanz der Öffentlichkeit entgegenzuwirken, greifen rechte Strategen nicht nur auf das Narrativ der Wunderdame Anastasie aus der Taiga zurück, sondern sie versuchen, ihr Image nach außen durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zu lenken und mit dem bürgerlich-alternativen Milieu zu verknüpfen. In Bildern und Videos von Festen, Tänzen und harmonischen Dorfleben, von blühenden Wiesen voll glücklicher Kühe und fröhlicher Kinder, soll die ideologische Ausrichtung der Höfe kaschiert werden. Ziel ist auch, Kritik zu entkräften: Indem nur die vermeintliche schöne Oberfläche eines idealisierten Dorf- und Gemeinschaftslebens an die Öffentlichkeit gelangt, soll jeder Vermutung, hier wären radikale Kräfte am Werke, der Boden entzogen werden.

Bestellte Äcker, satt-grüne Wiesen, eine im Kreis tanzende Dorfgemeinschaft: Diese Bilder sollen eine heile Welt vermitteln, weit weg von der hochtechnisierten, anonymen und gefährlichen Moderne der Städte. Eine Welt von damals, in der das Leben angeblich noch einfacher war, die Natur näher, der Mensch beschützter und verbundener mit seiner Umwelt und seinen Mitmenschen.

Geschliffene Mauern

Die Siedlungs- und Hofprojekte bilden ein dezentrales, mittlerweile bundesweites Netzwerk, das den Rechten eine Basis im Hinterland bietet, und das immer weiter expandiert. Getarnt als Bio-Bauern oder selbstständige Hof- und Dorfgemeinschaften etablieren sich diese Initiativen, ohne allzu großes Aufsehen in den Medien oder der Politik zu erregen. Die Toleranz der Öffentlichkeit und Wirtschaft gegenüber diesen Tendenzen lässt sich unter anderem an der Zeitung „Nachhaltiges Allgäu“ ablesen, das eine Scharnierfunktion zwischen der Neuen Rechten, Vertreter:innen „permakultureller“ Thesen und Reichsbürger:innen übernimmt und in dem gleichzeitig große lokale Unternehmen weiter Anzeigen schalten. Die Strahlkraft in das ökologische Spektrum ist ebenso wenig zu unterschätzen wie Potentiale der Normalisierung der Akteur:innen und ihrer Ansichten. So wächst die Fähigkeit der Rechten im ländlichen Raum zur Organisation, ihr gesellschaftlicher Einfluss und ihre Handlungsfähigkeit.

Wie immer wäre mehr zu sagen, für Interessenten unten eine kleine Auswahl an Links. Morgen, Donnerstag den 10.11 um 19 Uhr, findet die Trilogie der Vorträge im Contrast ihren Abschluss. Im Zentrum werden dann Verschwörungsideologien stehen.

Allgäu Rechtsaussen: Mutterhof Unterthingau & Rechte
Allgäu Rechtsaussen: Von kruder Esoterik & Militärdiktatur
Deutschlandfunk: Völkische Siedlungen

Text: Tobias Braun
Symbolbild: Pexels