Die Rechenkünstler und der Mindestlohn
Urlaubsgeld und jährliche Sonderzahlungen sind nicht auf den Mindestlohn anrechenbar. Und eine Kündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam. Das hat das Arbeitsgericht Berlin in einem der ersten Urteile zum Mindestlohn entschieden – der Konstanzer Arbeitsrechtsanwalt Michael Wirlitsch hat die Entscheidung ausgegraben
Die Arbeitnehmerin wurde von der Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von EUR 6,44 je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt; sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von EUR 8,50 bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.
Kündigung unwirksam
Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig, so die überzeugende Begründung des Arbeitsgerichts.
Das heißt: Arbeitnehmer erhalten zusätzlich zum Mindestlohn alle Zahlungen, die sie als Ausgleich für zusätzliche Leistungen bekommen, wenn sie auf Verlangen ein Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leisten.
Welche konkreten zusätzlichen Zahlungen erhalten Arbeitnehmer neben dem Mindestlohn?
- Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge,
- Zulagen für Qualität, Quantität und besondere Leistungen (z. B. Akkordzulage),
- Aufwendungsersatz,
- Spesen,
- vermögenswirksame Leistungen,
- Trinkgelder.
Es lohnt sich also, den Rechenkünstlern unter den Arbeitgebern auf die Finger zu schauen und die Monatsabrechnung genau zu überprüfen. Und sich im Zweifel auch juristisch zu wehren. Das aktuelle Urteil aus Berlin ist zumindest eine Richtschnur…
Autor: PM/hpk (Arbeitsgericht Berlin im Urteil vom 04.03.2015 – Aktenzeichen 54 Ca 14420/14)