Die richtige Antwort: City-Maut

Nicht nur Skandinavien wählt sie als Ausweg aus der Verkehrsmisere, auch London hat sie, norwegische Städte – kaum größer als Konstanz – nutzen sie seit Jahren, in Bologna, Rom und Mailand gibt es sie, Stockholm hat sie trotz einiger Proteste eingeführt und fortschrittliche Kommunalpolitiker in Konstanz fordern sie: Die City-Maut. Die wahrscheinlich einzige Möglichkeit, dem Verkehrskollaps der Innenstädte im nächsten Jahrzehnt zu entkommen.

51,7 Prozent der Stockholmer Wahlbevölkerung entschied sich in einem Referendum für die Maut, in Schweden lustiger- und bezeichnenderweise „Gedrängelsteuer“ genannt. Während eines siebenmonatigen Tests war ein 35 Quadratkilometer großer Innenstadtbereich zur Mautzone erklärt worden, 18 Stationen sammelten bei der Einfahrt die Gebühren über Automaten ab. Das Ergebnis, so die begeisterte Stockholmer Oberbürgermeisterin: „Bessere Luft, weniger Autos und dennoch mehr Besucher in der Innenstadt“. Und, aber das verschwieg die gewiefte Kommunalpolitikerin: Mehr Geld im Stockholmer Stadtsäckel, das in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investiert werden soll.

Warum nicht mal mit Bus oder Bahn fahren?

Denn – und das sei den Konstanzer Einzelhandelsfanatikern in Parteien und Stadtverwaltung ins Stammbuch geschrieben: Käufer und Besucher lassen sich von der City-Maut nicht schrecken; sie nutzen zum Citybesuch nur andere Verkehrsmittel. Bereits vor dem Maut-Test fuhren 70 Prozent der in Stockholm arbeitenden Menschen mit dem öffentlichen Nahverkehr. Ihre Zahl wuchs in der Testphase an, und auswärtige Besucher wie Käufer nutzten den ÖPNV überproportional: Die Auslastung von Bussen und Bahnen stieg um 43 Prozent.

In der Testphase mussten alle Autofahrer, die von 6.30 bis 18.30 Uhr in die Innenstadt Stockholms wollten, Maut bezahlen. Sie betrug je nach Tageszeit zwischen 1 und 2,10 Euro. Eingezogen wurde die Gebühr vom Staat, der sie dann an die Stadt weitergab. Beim Einfahren und beim Verlassen der Innenstadt filmten Kameras die Nummernschilder der Fahrzeuge. Vielfahrer bekamen einen Transponder, der hinter der Windschutzscheibe angeklebt wurde; die Mautsumme wurde dann automatisch von ihrem Konto abgebucht. Gelegenheitsbesucher der Stadt konnten die Abgabe an Kiosken bezahlen. Während der Testphase war der Individualverkehr in der Stadt um 25 Prozent zurückgegangen. Damit wurden die Erwartungen, die bei 10 bis 15 Prozent gelegen hatten, deutlich übertroffen.

Wie wäre das für Konstanz?

Gerade in einer Stadt wie Konstanz, deren Alt- und Innenstadt ein Touristenmagnet und seiner engen Gassen wegen für den Autoverkehr gänzlich ungeeignet ist, sollten derartige Erfahrungen schnell Schule machen. Denn wir erleben es tagtäglich: Gerade in Zeiten des günstigen Wechselkurses überschwemmen Urlauber aus ganz Europa und Kunden aus der Schweiz die Fußgängerzonen und verstopfen mit ihren Autos die Gassen. Erst gestern dirigierte ich vier Nobelkarossen, allesamt mit Schweizer Kennzeichen, aus dem Gassenwirrwarr der Niederburg zur Ausfahrt in die Laube: Die schwitzenden, stöhnenden, schimpfenden Fahrer hatten sich heillos verfranst.

Dabei ist die Lösung so einfach: Nur wenige Mautstationen an den Rheinbrücken und an der Schweizer Grenze könnten den Besucherverkehr regulieren; für Innenstadtbewohner und Zulieferfahrzeuge würde eine Ausnahmeregelung gefunden. Auf dem Münsterplatz wird das längst schon geübt.

Die Innenstadt könnte – wirklich – autoverkehrsfrei, die gerade in Konstanz gefährliche Feinstaubbelastung reduziert und die vom Einzelhandel so geliebten Einkäufer aus der Schweiz umerzogen werden. Wenn das denn nötig ist – die Nachbarn aus der Schweiz und Österreich sind von ihren Autobahnen das Maut-Plackerl längst gewohnt.

Wie war das noch mit den Fußgängerzonen?

Denn wer braucht das Auto für jeden Einkauf? Ich kaufe einen Kühlschrank, der im Auto transportieren werden müsste, auch nur alle zehn Jahre, und die luxuriöse Einbauküche wird ohnehin angeliefert. Die Sorgnisse der überbesorgten Einzelhändler sollten ohnehin nicht überzogen werden. Nur noch mit Schmunzeln erinnert man sich an die Grabesgesänge eben dieser Händler, als vor Jahrzehnten die Fußgängerzonen eingerichtet wurden – vom Ladensterben war die Rede, vom Niedergang des Einzelhandels, von der Entvölkerung der Innenstädte. Heute möchte niemand diese Flaniermeilen missen – die Einzelhändler am wenigsten.

In vielen anderen Städten der Welt gibt es Überlegungen, ein City-Mautsystem einzuführen, etwa in San Francisco, Hamburg oder Münster. Die erste Stadt übrigens, die eine Innenstadtgebühr erhob, ist seit 1975 Singapur. Und deren Einzelhandelsumsätze sind tatsächlich sagenhaft.

Autor: hpk