Die Schattenboxer aus Immenstaad

20130731-005504.jpgDer EADS-Cassidian-Chef Bernhard Gerwert gab sich vor dem Untersuchungsausschuss zum Euro-Hawk-Debakel zerknirscht: „Mit mir ist nicht gesprochen worden“, kritisierte der Manager aus Immenstaad den Ausstieg aus dem Drohnen-Deal. Doch das Schreckgespenst gefährdeter Arbeitsplätze am Bodensee – von willfährigen Presseleuten eilfertig verbreitet – will nicht so recht wirken. Denn EADS ist in jedem Fall auf der Gewinnerschiene

Zwar seien noch keine Entlassungspapiere geschrieben…den Rest der Drohung lässt Cassidian-Sprecher Dirk Erat bewusst offen. Doch dem Heimatblatt reicht das, um Arbeitsplatz-Ängste zu schüren. Und „Südkurier“-Politik-Redakteurin Margit Hufnagel reicht das, um das Schreckgespenst verlorener Millionen-Aufträge zu zimmern. Damit fällt sie auf die Schattenboxer aus Immenstaad herein.

Die für die Bundeswehr gestoppte Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ ist eine vergrößerte Variante der RQ-4B „Global Hawk“ des US-Herstellers Northrop Grumman. Durch eine verlängerte Spannweite wurde die Tragfähigkeit auf 1360 Kilogramm erhöht. Die US-Version erreicht bis zu 20.000 Meter Flughöhe und kann bis zu 40 Stunden im Einsatz bleiben. Bei der Bundeswehr sollte das unbemannte Flugzeug zur Aufklärung eingesetzt werden. Dazu wurde es mit modernen Sensoren ausgerüstet, die Cassidian liefert. Der Kaufvertrag mit Northrop Grumman und EADS wurde zu Zeiten der Großen Koalition 2007 unterzeichnet. Geplant war die Anschaffung eines Prototyps und vier serienmäßig produzierter Maschinen. Am 14. Mai 2013 stoppte das Verteidigungsministerium das Projekt. Quelle: dpa

Denn Drohnen will die Bundeswehr – ob sie nun Euro Hawk, Heron oder Talarion heißen. Und bei jedem dieser Projekte ist EADS-Cassidian mit im Spiel. Während sich die Variante Euro Hawk trotz aller Lippenbekenntnisse wohl nicht realisieren lässt und Verteidigungsminister de Maizière womöglich den Job kosten wird, hat Cassidian noch weitere Eisen im Feuer: Bislang verfügt die Bundeswehr über drei Aufklärungsdrohnen namens „Heron“, die am Hindukusch im Einsatz sind. Die von einem israelischen Hersteller geleasten und zusammen mit Rheinmetall Defense vertriebenen, unbemannten Flugkörper, für die Cassidan die Elektronik herstellt, sind nur bis 2014 verfügbar – die Strategen im Verteidigungsministerium fordern aber Ersatz.

Da trifft es sich gut, dass EADS-Cassidian schon seit 2010 an einem eigenen Drohnenprogramm unter dem Codenamen “Talarion” arbeiten lässt (seemoz berichtete). In einem internen Papier heißt es, EADS selbst habe für die Entwicklung “bereits mehr als 200 Millionen Euro ausgegeben”, was Cassidian-Chef Gerwert (s. Foto) vor dem Untersuchungsausschuss noch vor zwei Tagen bestätigte.

Das „Rüstungsgeschäft der Zukunft“, wie Rüstungsgegner Jürgen Grässlin die Drohnen-Technologie nennt, wird also an Cassidian und ihren Technikern in Immenstaad nicht vorbei gehen. Fragt sich nur, wie die Drohne dereinst heißen wird. Nicht fraglich ist hingegen, dass Cassidian erneut Millionen an Steuergeldern einstreichen wird und die Arbeitsplätze in der Bodensee-Region – fast möchte man sagen, leider – gesichert bleiben. Allen PR-Unkenrufen zum Trotz.

Autor: hpk

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