Die Schröpfung der BürgerInnen fällt vorerst aus
Die meisten Themen in der gestrigen Sitzung des Konstanzer Haupt- und Finanzausschusses (HFA) gingen klaglos über die Bühne: Mehr Geld für den Grunderwerb Hafner und für verschiedene Sanierungen wurden einstimmig durchgewinkt. Doch bei der geplanten Gebührenerhöhung für Auskünfte der Verwaltung zogen die GemeinderätInnen nicht mit.
„Die Stadt ist nicht gezwungen, höhere Gebühren zu erheben“. Dieser unerschütterliche Standpunkt von Günter Beyer-Köhler (FGL) setzte sich letztlich durch, als es darum ging, die Gebühren für BürgerInnen-Anfragen an die Verwaltung teils drastisch zu erhöhen (vergl. dazu „Das wird richtig teuer für die KonstanzerInnen“). Mehr Bürger-Freundlichkeit forderte der FGL-Stadtrat und schlug vor, die alte Regelung fast ohne Gebühren zu belassen. Dem widersprach der CDU-Fraktionsvorsitzende Roger Tscheulin, der fast die Hälfte aller Redezeit für sich in Anspruch nahm: „Wer Aufwand auslöst, muss auch zahlen“, forderte er und vergaß zu erwähnen, dass die Beamten auch ohne Auskunftspflicht schon vom Steuerzahler entlohnt werden.
Jan Welsch (SPD) verwies auf vergleichbare Kommunen, die weit geringere Gebühren erheben, und Matthias Schäfer (JFK) betonte wie auch Holger Reile (LLK), dass sich die Vorlage der Verwaltung kaum von der aus dem letzten Oktober unterscheide, als der Ausschuss diesen Antrag schon einmal abgelehnt hatte. Reile zudem: „Solche Gebührenordnung konterkariert die Informationsfreiheit der BürgerInnen“.
Bürgermeister Andreas Osner, der den erkrankten OB im Vorsitz vertrat, und Justiziarin Silvia Löhr, die gar um die Funktionsfähigkeit der Verwaltung bei zu vielen Anfragen fürchtete, konnten die StadträtInnen nicht überzeugen: Mit sieben zu fünf Stimmen aus dem bürgerlichen Lager wurde der Verwaltungsvorschlag abgelehnt. Doch das letzte Wort hat dazu der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am 24. April.
Konstanz ist finanziell sorgenlos
Die Präsentation des Finanzberichts für das erste Quartal 2018, erstmals vom neuen Kämmerer Ulrich Schwarz vorgestellt, geriet zur Galavorstellung: Trotz hoher Einnahmeausfälle bei der Gewerbesteuer (rund 9 Mio. €) und Mehrausgaben durch die Erhöhung der Kreisumlage (gut 2 Mio. €) würde sich im Ergebnishaushalt mit einem Gesamtergebnis von plus 15,07 Mio. € eine Punktlandung ergeben. Im Finanzhaushalt kann auf der Einnahmenseite zusätzlich mit rund einer Mio. € aufgrund von Veräußerungserlösen bei Grundstücken gerechnet werden. Die Rücklagen belaufen sich derzeit auf 16,8 Millionen.
Dennoch regte sich Unmut: Holger Reile (LLK) wollte wissen, wieso Mietzuschüsse zur Wobak und Landeszuschüsse in der Rechnung ausgefallen sind. Antwort des Kämmerers: Der Förderzeitraum für solche Zuschüsse sei abgelaufen – zukünftig erhalte die Wobak die Zuschüsse direkt, der Posten tauche deshalb im Haushalt nicht mehr auf.
Manche Räte machen sich dennoch Sorgen: Roger Tscheulin sorgt sich um die Gewerbesteuer, Jan Welsch um die Konjunktur – beide rieten zum Sparkurs. Dabei schoss Jürgen Faden (Freie Wähler) den Vogel ab, als er flugs Einsparungen beim Personal der Stadtverwaltung einforderte.
StadträtInnen mit Spendierhosen
Gleichwohl: Bei einer derart stabilen Finanzlage hatten die RätInnen keine Probleme, etlichen Zusatzzahlungen jeweils einstimmig zuzustimmen: So werden 4,7 Millionen für den Kauf zusätzlicher Hafner-Grundstücke aufgewendet, das evangelische Jugendhaus erhält einen Zuschuss von 34 000 Euro, für die Sanierung an der Kindertagesstätte Maria-Hilf werden 51 000 bewilligt, der Verein Wurzelkinder-Waldkindergarten (der heißt wirklich so) erhält einen Zuschuss von 28 000 Euro
Einzig bei der Förderung der Rathausoper um 30 000 €, wie vom Kulturausschuss vorgeschlagen, zeigte sich Diskussionsbedarf. Wolfgang Müller-Fehrenbach wollte für seine CDU-Fraktion den angepeilten Beitrag auf 20 000 € senken, lieferte aber keine nachvollziehbare Begründung. Die Leiterin des Kulturamts, Sarah Müssig, verteidigte die Rathausoper als „erhaltenswertes Kulturgut“, das nach dem Weggang seines Gründers Peter Bauer dringend Unterstützung für die Nachfolger-Suche brauche. Mit einer knappen Mehrheit (sechs zu fünf bei zwei Enthaltungen) schloss sich der Ausschuss der Meinung von Müssig an.
Mieterhöhung in der Anschlussunterbringung?
„Die Benutzungsgebühr einschließlich der Nebenkosten beträgt für die Flüchtlingsunterkünfte Bücklestraße 11 (Siemensareal), Flurweg 14/14 a (Egg), Mühlenweg 15/17 (Zergle) und Schottenstraße (Paradies) pro Person und Monat 354 € für Erwachsene und 213 € für Minderjährige“. Diese von der Verwaltung vorgeschlagene Mieterhöhung in der Anschlussunterbringung von Geflüchteten wollten verschiedene RätInnen nicht mittragen. Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) forderte eine neue Vorlage, in der eine Rabattzahlung eingearbeitet werden soll, Jan Welsch (SPD) spielte das Problem runter, indem er darauf verwies, dass ohnehin das Job Center die Mehrkosten übernehme, und Holger Reile forderte eine Besichtigung der Unterkünfte, um sich über den Zustand der Wohnungen zu informieren, die von Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn noch vor der nächsten Gemeinderatssitzung auch zugesagt wurde. Dennoch stimmte eine knappe Mehrheit von sechs zu fünf (bei zwei Enthaltungen) den geplanten Mieterhöhungen zu. Aber auch hier entscheidet letztlich der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung.
hpk
Unabhängig von den zahlreichen Bürgerbeteiligungs- und Transparenzversprechen und der damit verbundenen moralischen Verpflichtung gegenüber den Wählern findet sich u.a. hier:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverwg-7-c-6-15-behoerden-auskunftserteilung-gebuehren/
ein passender Kommentar zu der rechtlichen Beurteilung der Gebührenbemessung anhand einer BVerwG Entscheidung in einem IFG Fall (https://www.bverwg.de/201016U7C6.15.0)
Die BVerwG Entscheidung stellt klar, dass eine „abschreckende Wirkung“ von Gebühren nicht zulässig ist. Das BW LIFG ist zwar nicht an allen Stellen identisch, der Grundsatz, dass Gebühren so gestaltet werden müssen, dass der Zugang „wirksam in Anspruch genommen werden kann“, ist allerdings fast wortwörtlich auch in BW im Gesetz verankert. Eine nach oben offene zeitbasierte Abrechnungsform erfüllt diese Rahmenbedingungen wohl nicht.
Auch insofern bleibt zu hoffen, dass der Gemeinderat dem HFA folgt.
Angelika Bernecker:
Es ist leider so, dass die Verwaltung nicht sagen kann, wer dieses Recht auf Auskünfte in Anspruch genommen hat, bzw. nur aufwändig ermitteln kann.
Daher ist es wichtig, dass zumindest ab jetzt – unaufwändig digital – mit protokolliert wird, was aufläuft, nicht in Anspruch genommenen wird usw.
Interessant wäre es, zu erfahren, wie viele Bürger m/w in den letzten Jahrzehnten dieses Recht auf Auskünfte der Verwaltung in Anspruch genommen haben und wie groß der jeweilige Zeitaufwand des bearbeitenden Mitarbeiters war. Vielleicht sollte Uli B. wieder einmal ein externes Expertenteam damit beauftragen, eine Statistik der letzten Jahre zu erstellen, um diese Umstände zu klären. Frau Löhrs Befürchtung eines Zusammenbruch, zumindest jedoch einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Konstanzer Verwaltung, lassen das Schlimmste ahnen. Dass sich Herr Tscheulin bzw. die Fraktion der CDU für eine Erhöhung einsetzt, wird jene mit der Arbeit des Gemeinderats vertraute Mitbürger nicht überraschen. Letztendlich ist dieses Vorgehen der SV nichts anderes als eine weitere Einschränkung der Bürgerbeteiligung – und so durchschaubar.