Die Sperrstunde soll wieder einmal auf den Prüfstand
Das Junge Forum Konstanz hat sich seit seiner Gründung einer Verkürzung der Sperrzeiten (also längeren Kneipenöffnungszeiten) verschrieben. Es hat jetzt beantragt, dass die Gastronomie in Konstanzer Innenräumen auch linksrheinisch werktags bis 3.00 Uhr und am Wochenende bis 5.00 Uhr offenhalten darf. Am Donnerstag entscheidet der Gemeinderat.
Das Thema ist immer wieder für einige Aufregung gut, denn für Anwohner*innen gastronomischer Stätten können vor allem die lauen Sommernächte, in denen sie gern bei offenem Fenster schlafen würden, zur Hölle werden: Raucher*innen versammeln sich vor den Kneipen und unterhalten sich mit zunehmendem Alkoholpegel immer vernehmlicher, und auch die Verabschiedung der Zechenden voneinander kann zu später Stunde auf der Straße zu einem zähen Dramolett ausarten. Kurzum: An Schlaf ist kaum zu denken, und wenn dann noch in der Kneipe unter einem die Musik läuft und läuft und läuft …
Wenn es am schönsten ist
Auf der anderen Seite stehen die Wünsche mancher Gastrobetriebe, durch längere Öffnungszeiten mehr Umsatz zu machen, und der Wunsch der Zechenden, nicht schon morgens um 1.00 Uhr nach Hause geschickt zu werden, wenn es doch gerade am schönsten ist.
Das Junge Forum Konstanz (JFK) bringt deshalb sein Herzensthema wieder einmal als Antrag in den Gemeinderat ein: „Der Gemeinderat möge beschließen, dass die Sperrstunde in Konstanz gemäß den Möglichkeiten der Landesgesetzgebung für die Innengastronomie entsprechend dem Baden-Württembergischen Gaststättengesetz unter der Woche auf 3 Uhr, am Wochenende auf 5 Uhr angepasst wird. Die neue Sperrzeitregelung soll zunächst ein Jahr zur Probe in Kraft treten. In diesem Zeitraum sollen die Auswirkungen der neuen Sperrzeit evaluiert werden.“
Derzeit sieht es in Konstanz nach Angaben der Verwaltung so aus: In rechtsrheinischen Stadtteilen einschließlich Ortsteilen ist für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten werktags um 2.00 Uhr, am Wochenende um 3.00 Uhr Zapfenstreich. Linksrheinisch gilt werktags 1.00 Uhr, am Wochenende 3.00 Uhr.
Ein Jahr Bewährung
Das JFK meint hingegen: Man sollte es doch wenigstens mal probieren, ob das tatsächlich der Stein des Anstoßes ist, für den man die Sperrzeitverkürzung (also Öffnungszeitenverlängerung) bisher immer gehalten hat. Die Jugendbewegten jedenfalls sehen nur Vorteile in einer Neuregelung: „Seit unserem Antrag zur Anpassung der Sperrstunde von 2014 ist einige Zeit vergangen. Die eine Stunde, die unsere Gastwirtinnen und -wirte pro Woche länger offen haben dürfen, hat niemandem weh getan. Lärmbeschwerden und Probleme bewegen sich nicht auf einem höheren Niveau als damals.“
„Auch in Hinsicht auf den Tourismus als eines der Hauptstandbeine der Konstanzer Wirtschaft stellt die Sperrstunde eine negative Beeinträchtigung des Stadterlebnisses für viele BesucherInnen dar. Insgesamt hält es das Junge Forum für möglich, dass längere Öffnungszeiten keinen oder sogar einen positiven Effekt auf die Lärmsituation in der Innenstadt haben könnte: Gäste, die sich ansonsten zur Schließzeit in Gruppen auf der Straße versammeln, würden auf diese Weise die Lokale vereinzelt über einen längeren Zeitraum verlassen, was einen geringeren Lärmpegel zur Folge hätte. […] Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine Liberalisierung der Öffnungszeiten einen deutlichen Zugewinn für EinwohnerInnen, WirtInnen, BesucherInnen und TouristInnen bedeutet, die aufgrund der Beschränkung auf den Innenraum keine unmittelbare zusätzliche Lärmbelastung erwarten lässt.“
Verwaltung will lieber vorweg prüfen
So manche Anwohner*innen werden sich bei dieser paradoxen Beschwichtigung zwar in Qualen winden, denn es ist ihnen lieber, wenn um 1 Uhr zehn Leute auf einmal lärmend die Kneipe verlassen und dann Ruhe einkehrt, als wenn die ganze Nacht über alle halbe Stunde zwei oder drei Grölende in die Nacht hinausschwanken. Aber das lässt sich ja evaluieren, denn das JFK will erst einmal nur eine einjährige Probephase einlegen und erst dann endgültig entscheiden. Unter von seniler Bettflucht gepeinigten älteren Anwohner*innen wird es damit wohl kaum einen Blumenpott gewinnen, aber wir bettnässenden Klappergreise sind wohl auch nicht die Zielgruppe eines Jungen Forums.
Die Verwaltung ihrerseits ist nicht grundsätzlich gegen das Ansinnen der Jungen, wie aus ihrer Erwiderung deutlich wird, aber eben auch nicht unbedingt dafür, und begrüßt eine grundsätzliche Überprüfung der aktuellen, seit 2015 gültigen Regelung: „Ein vorangehendes Prüf- und Beteiligungsverfahren ist aus Sicht der Verwaltung allerdings angesichts der Bedeutung und Auswirkungen der Sperrzeitregelungen für Gäste, Betreiber, Anwohner und Stadt unerlässlich.“ Sie will also erst einmal die betroffenen Fachämter, Behörden, Bürger und Interessensvertreter anhören – oder alternativ bei der bisherigen Regelung bleiben.
Wie der Gemeinderat entscheiden wird, ist offen. Die trinkenden Massen dürfen also weiterhin dem Jungen Forum die Daumen drücken.
Text: Sitzungsunterlagen/O. Pugliese
Bild: O. Pugliese