Die Stadt mogelt bei Statistiken für Studenten-Wohnplätze
Dieter Bellmann ist sauer: Der Geschäftsführer des Beschäftigungs- und Bildungswerkes „Neue Arbeit“, der in der ehemaligen Chérisy-Kaserne in Konstanz für Arbeit und Wohnraum auch und gerade für Studierende sorgt, vermutet Mogeleien bei städtischen Statistiken. Es geht um die Wohnraumnot von Studenten in Konstanz. Und um die Untätigkeit staatlicher Stellen. Die nun auch noch vertuscht werden soll.
Es gibt viele Möglichkeiten, Statistiken zu schönen. Eine ist, den Bewertungszeitraum zu verändern – und das hat jetzt die Stadtverwaltung Konstanz getan, um die Zahlen für Konstanzer Studenten-Wohnplätze in besserem Licht erscheinen zu lassen. Bellmann moniert: „Wenn man den aktuellen Bestand (der Studenten-Wohneinheiten, d. Red.) aus 2009/10 als Basis wählt (2344 Plätze), kommt man bis 2015 auf einen Zuwachs von 996 neuen Plätzen oder 42,5%. Das klingt recht rosig und beruhigend. Die Realität sieht aber anders aus.“
Auf seemoz-Nachfrage präzisiert er: „Die Gegenüberstellung der Ist-Bestände vor dem Jahr 2009 (2.973) und den Planzahlen für 2015 (3.340) ergibt dann nur noch einen Netto-Zuwachs von 367 Plätzen bis 2015 oder 12,3%. Das sieht dann schon etwas bescheidener und weniger beruhigend aus, und dies ist wohl auch der Grund, warum die Betrachtung erst 2009 beginnt. Eine typische „Mogelstatistik“ nenne ich das.“
Völlig ignoriert werden zudem weitere 200 Plätze, die es in der Chérisy-Kaserne einst gab. Von diesen sind seit 1998 etwa 80 verschwunden. Immerhin sind es heute noch 120, die in der ehemaligen Chérisy-Kaserne vorgehalten werden: Seit 30 Jahren vom Staat nicht gefördert. Wenn dieser Zustand anhält, das Wissenschaftsministerium die Auszahlung der erforderlichen und längst zugesagten Beträge an bürokratischen Hürden scheitern lässt, werden diese 120 Plätze schrittweise auch noch verschwinden.
Bellmann weiter: „Beziehen wir diese Chérisy-Zimmer in die Rechnung ein, dann hatte Konstanz vor 2008 einen Bestand von 3.093 und seither einen Realverlust von 709 Plätzen zu verzeichnen. Der Befund schrumpft dann auf einen Netto-Zuwachs von 287 Plätzen bis 2015 oder 9,2% gegenüber dem Bestand, den es schon mal gab. Wenn die verbliebenen Wohnplätze der Neuen Arbeit auch noch wegfallen sollten, bleiben ganze 167 neue Plätze oder 5,0% Realzuwachs übrig. Und dies bei einem gleichzeitig zu erwartenden Anwachsenden der Studentenzahlen um fast 25%“.
Was also tut die Stadt, tut das Land, um dieser Studenten-Flut zu begegnen? Die Antwort ist banal: Nichts. Meinem Haus gegenüber in der Niederburg wohnen 15 Studenten – 22 Quadratmeter zu je 300 Euro. Der Eigentümer schmeißt alle zwei Monate mindestens einen nicht mehr zahlungsfähigen Mieter raus. Aber er findet stets neue – die Wohnraumnot begünstigt die Miethaie. Nur staatliche Kontrolle, staatlich geförderter Neubau könnte diesem Wildwuchs endlich Einhalt bieten – stattdessen schönt die Stadtverwaltung die Statistik.
Autor: hpk
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Ich möchte auf einen Nebenaspekt eingehen, der leider zu kurz kommt: Die Wohnungsnot führt angesichts der Unfähigkeit wichtiger ziviler Repräsentanten dazu, dass Selbsthilfemaßnahmen (Stichwort Solidarität unter Studenten) propagiert werden. Hier ist besonders Rektor Rüdiger zu erwähnen, der sich in diesem Zusammenhang ausnahmsweise auf alte 68 er Tugenden besinnt und bestehenden Wohngemeinschaften anempfiehlt, sie möchten doch bitte den armen Wohnungssuchenden Studenten Unterschlupf gewähren. Dies führt dazu, dass gerade flügge gewordene StudentInnen dies als Freibrief sehen, als Schwarzwohner in eh schon hochbelegten WG’s unterzutauchen. Wir als Vermieter bekommen als Folge davon die Quittung: Überbelegung führt zu vermehrtem Schimmelbefall in den Bädern und zu nicht mehr kontrollierbarem Wohnen. Ich habe dies bereits dem Einwohnermeldeamt mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass an diesem gesetzeswidrigen Zustand vor allem der selbstherrliche Rektor Rüdiger verantwortlich ist.
Werner Schumm
Vorstand Soziale Arbeit
300€ für 22qm in der Altstadt ist nicht sehr teuer – im Gegenteil ist es sehr günstig, berücksichtigt man die gute Lage. Das schokierende ist doch, dass die Wohnheimplätze meist nur ganz gering billiger sind als 300€, die Einzelappartments sind sogar nur für mindestens 300€ zu haben.
Studentisches Wohnen muss dringend ausgebaut werden und Seezeit muss für günstigere Preise sorgen!