Die Stadt zieht die Notbremse
Am Dienstag findet im Bodenseeforum eine Sitzung des Konstanzer Gemeinderates statt, bei der wohl etliche RätInnen fehlen werden: Sie gehören zu den Risikogruppen und scheuen den Kontakt zu anderen Menschen. Auch das Publikum ist nur beschränkt zugelassen, und die Bürgerfragestunde entfällt, dafür wird die Sitzung leicht zeitversetzt im Internet zu sehen sein. Es stehen einige wichtige Themen wie der neue Termin der OB-Wahl und die finanziellen Auswirkungen der Seuche auf dem Programm.
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Zumindest zwei Tage vor der Sitzung, die am Dienstag, 21.04., um 16.00 Uhr im Bodenseeforum beginnen soll, sieht es so aus, dass der Gemeinderat aus rechtlichen Gründen tatsächlich in beschlussfähiger Häupterzahl physisch zusammenkommen muss. Die Stadt ließ dazu folgendes wissen: „Nach aktueller Rechtslage ist es derzeit nicht möglich, anderweitig als mit einem persönlichen Treffen eine rechtssichere Beschlussfassung zu erzielen. Es werden vor Ort aber alle derzeit relevanten Sicherheitsvorkehrungen getroffen.“ Natürlich versucht die Verwaltung, die Öffentlichkeit an der Sitzung zu beteiligen, aber es wird „nur eine begrenzte Anzahl an Zuschauern zugelassen. Eine Bürgerfragestunde wird es nicht geben. Die Stadtverwaltung bittet vor Hintergrund der aktuellen Lage darum, die Sitzung von zuhause aus zu verfolgen.“ Dazu wird es ab 17 Uhr eine leicht zeitversetzte Übertragung der Sitzung im Internet geben, und zwar hier www.konstanz.de/podcast.
Was die Stadt allerdings unter einer „begrenzten Anzahl“ an Zuschauern“ versteht, bleibt offen, denn sie wird wohl kaum zehn Menschen in den Saal lassen und ab dem elften Schaulustigen zu standrechtlichen Erschießungen greifen, zumal Einschusslöcher in den Außenwänden des Bofos dem OB gar nicht gefallen dürften.
OB-Wahl soll verschoben werden
Da angesichts der Infektionsschutzmaßnahmen mit einer ordnungsgemäßen Neuwahl des Oberbürgermeisters zum geplanten Termin am 05.07. nicht zu rechnen ist, soll diese so lange wie möglich verschoben werden. Nach der derzeitigen Planung wird der Gemeinderat beschließen, die eigentliche Wahl am 27.09.2020 durchzuführen und eine eventuell notwendige Nachwahl auf den 18.10.2020 zu terminieren. Die Ausschreibung für die Stelle erschiene dann am 24.07., und Bewerbungen für die Stelle würden von 25.07. bis 31.08. entgegengenommen.
Der Wahlkampf fiele damit nur teilweise auf die Sommerferien, und die eigentliche Wahl fände zu einem möglichst späten Zeitpunkt statt, zu dem sich nur hoffen lässt, dass die Seuche dann weitgehend abgeflaut ist. Ziel dieses Termins ist es, KandidatInnen die Möglichkeit zu einem leidlich fairen Wahlkampf zu geben und WählerInnen wie WahlhelferInnen an den Wahltagen möglichst wenig zu gefährden – nach dem heutigen Kenntnisstand.
Gleichzeitig sollen auch die WahlhelferInnen besser vergütet werden. „Die Wahlhelfervergütung wurde zuletzt im Jahr 2012 angepasst, eine Anpassung ist daher nicht nur aufgrund steigender Anforderungen, sondern auch wegen der inflationär bedingten Preissteigerung empfehlenswert,“ schreibt die Verwaltung in ihrer Vorlage. In Zukunft sollen diese 500-600 Ehrenamtlichen je nach Funktion zwischen 40,- und 100,- Euro inklusive Zehrgeld, Reisekosten usw. erhalten, ein Betrag, der sich wahrlich an der Grenze zum Nasenwasser bewegt und der Stadtkasse pro Wahltag zusätzlich ca. 8.500,- Euro an Kosten verursacht.
Wirtschaftliche Folgen von Corona
Welche Folgen die Seuche im Einzelnen haben wird, lässt sich heute noch nicht sicher abschätzen, aber dass diese Folgen einschneidend sein werden, ist klar. Vor allem werden die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen wesentlich geringer ausfallen, den städtischen Eigenbetrieben und Kulturinstitutionen brechen die Einnahmen weg, es ist mit Insolvenzen und einer erhöhten Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit zu rechnen.
Die Lage ist also nicht nur für Bund und Länder, sondern auch für die Stadt Konstanz düster. Je nachdem, wann sich die Lage wieder normalisiert, rechnet die Stadt mit einem Gesamtverlust von 25-50 Millionen Euro, was angesichts eines jährlichen Haushalts von ca. 300 Millionen Euro erheblich ins Kontor schlägt. Der Oberbürgermeister hat eine partielle Haushaltssperre vom 03.04. bis vorerst 31.05. erlassen, was heißt: „Im Grundsatz gilt damit: Alle nicht unbedingt erforderlichen Maßnahmen sind zurückzustellen!“ Bereits begonnene Projekte wie etwa Baumaßnahmen werden abgearbeitet, aber neue Projekte sollen verschoben werden, und es ist auch vorläufig nicht an Neuanstellungen gedacht. Außerdem verhandelt die Stadt mit dem Personalrat über den Abschluss einer Tarifvereinbarung zum Kurzarbeitergeld für Stadttheater, Städtische Museen, Stadtbibliothek, Bäder, Südwestdeutsche Philharmonie und Bodenseeforum.
Angesichts dieser gravierenden Veränderungen hat die SPD beantragt, nach der Steuerschätzung im Mai einen 2. Nachtragshaushalt aufzustellen, weil ihr die Haushaltssperre als Instrument zur Krisenbewältigung nicht ausreicht, da die Abweichungen von der Haushaltsplanung zu gravierend sind. „Eine Haushaltssperre ist eine verwaltungsinterne Notbremse. Für den weiteren finanzpolitischen Umgang mit der Krise braucht es jedoch politische Grundsatzentscheidungen, insbesondere wenn es um die jetzt gebotene neue Prioritätensetzung des Investitionsprogramms geht.“
Die Verwaltung ihrerseits hält dagegen, der Aufwand sei erheblich und kaum in der von der SPD geforderten Zeit zu leisten. Außerdem werde man auch nach dem Steuertermin Ende Mai noch nicht wissen, wie es eigentlich weitergeht, so dass auch dann keine vernünftige Haushaltsplanung möglich sei: „Aktuell sind noch keine belastbaren Aussagen zur Höhe der finanziellen Auswirkungen möglich, da sich die Rahmenbedingungen (Dauer von Schließungen, Hilfsprogramme des Bundes/Landes, usw.) laufend verändern.“
Man darf gespannt sein, wie das die Mehrheit des Gemeinderates sieht.
Tot ist noch lange nicht gut
Der Tod des rechtsgewirkten Ex-Stadtrates Walter Eyermann hat vor einigen Wochen zu einer Kontroverse geführt, denn allen voran die Linke Liste verwahrte sich gegen die städtische Traueranzeige, die Oberbürgermeister Uli Burchardt auch im Namen des gesamten Gemeinderates für Eyermann geschaltet hatte. Also dürfte der einleitende erste Tagesordnungspunkt der Sitzung, „Würdigung verstorbener ehemaliger Gemeinderäte“, für einige Kontroversen sorgen.
De mortuis nil nisi bene – sinngemäß über Verstorbene sollst Du nur gut sprechen, das gilt nach unserem modernen Verständnis nun einmal nicht für Menschen, die zu Lebzeiten immer wieder ihre schlechte Gesinnung und Gesittung unter Beweis gestellt haben, auch wenn sie einige Zeit im Gemeinderat saßen. Für sie gab es auch schon bei den Alten statt lobender Nachrufe die Damnatio memoriae, die Verdammung des Andenkens.
O. Pugliese (Bild: Kaurimuscheln, Euro / CC BY-SA)
Die Tagesordnung ist unter www.konstanz.sitzung-online.de/public zu finden.
Die Videos werden ab Dienstag, ca. 17 Uhr, unter www.konstanz.de/podcast zu finden sein.