Die Tage der Pappel sind gezählt

Aller Protest vergebens: Selbst noch in der gestrigen TUA-Sitzung wetterten erboste BürgerInnen gegen die Fällung der Pappel, Turnschuhbaum genannt, am Konstanzer Winterersteig. Es half nichts: Die Mitglieder des Technischen und Umweltausschusses stimmten mit sieben zu vier Stimmen und bei einer Enthaltung für die Fällung. Damit sind die Tage des Baumes, bevor er noch zum Wallfahrtsort werden kann, gezählt – schon in den nächsten Tagen wird er umgehauen.

Die Stadtverwaltung hatte schweres Geschütz aufgefahren: Gerhard Majer von den Technischen Betrieben, für die Pflege der über 1000 Konstanzer Stadtbäume verantwortlich, hatte mit Dr. Wessoly einen – wie er sich selbst nannte – „europaweiten Baumsachverständigen, der in 13 000 Gutachten für die Erhaltung von schützenswerten Bäumen eingetreten ist“, eingeladen, um ihre Version der Baumpflege gegen die der Bürgerinitiative zu verteidigen. Die nämlich hatte mit Unterstützung des Schweizer Baumpflegers Dietrich publikumswirksam für den Erhalt der Pappel plädiert.

Mit zahlreichen Bildbeispielen wollte die städtische Abteilung „Grünpflege“ ihre Fällabsicht untermauern: Elf Pappeln am Winterersteig wurden in den letzten Jahren aus Sicherheitsgründen bereits gefällt: 2012 war eine Pappel umgefallen und auf Bootsliegeplätze gestürzt, der letzte Sturm habe dem Turnschuhaum gefährliche Risse beschert, die Pappel sei hohl, ein Pilz habe sie aufgezehrt, die Verkehrssicherheit sei kritisch. Dennoch sprach sich Baumliebhaber Wessoly für einen „Rückschnitt“ aus – „ja, man kann den Baum noch drei Jahre stehen lassen, wenn geeignete Sicherungsmaßnahmen greifen.“

Die aber kosten, wie TBK-Experte Majer betonte: Ein Rückschnitt könnte bis zu 5000 Euro kosten und „dann wäre der Baum nicht mehr derselbe“. Außerdem warnte er die RätInnen vor der Haftungsverpflichtung, die bei einem Entscheid für den Baumerhalt von der Verwaltung auf die Ausschussmitglieder überginge.

„Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen“

Die ließen sich von dieser Drohung kaum entmutigen: Gisela Kusche (FGL), die diese TUA-Diskussion erst möglich gemacht hatte, kritisierte die Verteufelung des Dietrich-Gutachtens durch die Verwaltung und befand: „Ein Rückschnitt des Baumes, kombiniert mit verschiedenen Sicherungsmaßnahmen, lohnt sich“. Das sah Heinrich Fuchs (CDU) anders, der mit selbst gefertigten Foto-Dokumenten jüngst umgestürzter Bäume für die Fällung des Baumes stritt, der sich Alfred Reichle für die SPD anschloss. Allein Holger Reile (LLK) gab der verbissenen Diskussion eine sarkastische Note, als er empfahl, „die Protestierer sollten sich doch nicht „unter dem Absingen diverser Klagelieder an die Baum-Borke nageln lassen“. Stattdessen wünschte er sich von den ProtestierInnen „genauso viel Empathie, wenn es darum geht, gegen soziale Missstände vor Ort anzugehen, wenn unsere Stadtgesellschaft allmählich in Schieflage gerät. Zwei Termine darum zum Vormerken: Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen, ein Jahr darauf OB-Wahlen“.

Nach einigem formalen Hin und Her kamen auch BürgerInnen zu Wort: Franz-Josef Stiele-Werdermann monierte das „ingenieurmäßige Herangehen“ der Gutachter, das der Natur nicht gerecht würde, und Christel Thorbecke, Sprecherin der Bürgerinitiative, kritisierte die Stadtverwaltung, deren Argumentation allzu sehr der vor drei Jahren bei der Baumfällung im Tägermoos ähnele: „Damals wurden 41 gesunde Bäume gefällt, die von der TBK zuvor als krank erklärt worden waren.“

Nach der Abstimmung – sieben für Fällung, vier von FGL und LLK dagegen, eine Enthaltung – verkündete Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn unumwunden: „Der Baum wird gefällt“.

hpk

P.S. Über die übrigen Ergebnisse der TUA-Sitzung erfahren Sie alles morgen auf seemoz.