Die unendliche Geschichte in der Schwaketenstraße (1)

Mehr als zwei Jahre schon müssen MieterInnen in der Konstanzer Schwaketenstraße auf einer Baustelle leben, mit gravierenden Folgen für ihre Lebensqualität. Seit Juni 2018 lässt dort der Immobilienkonzern Vonovia ihre Unterkünfte modernisieren. Maßnahmen, die von Beginn an den Verdacht weckten, der Vermieter wolle sich auf dem Rücken der BewohnerInnen bereichern, nicht nur weil sie ihm Spielraum für weitere Mieterhöhungen verschaffen.

Spiel mit gezinkten Karten

Bereits in den Jahren 2002/2003 nämlich hatte der damalige Eigentümer („LEG Immobilien“) die Häuser in der Schwaketenstraße 98 bis 108 energetisch modernisiert. Viele Fachleute und der Mieterbund zweifelten deshalb den ökologischen Nutzen der neuerlichen Modernisierungsmaßnahmen an. In der Schwaketenstraße sollten eine intakte Vollwärmedämmung und funktionstüchtige Fenster weit vor dem Ende ihrer Lebensdauer erneuert werden, so ihr Urteil. Nicht nur in Kreisen der MieterInnen keimte der Verdacht, dass der Wohnungskonzern mit gezinkten Karten spielt. Der Vorwurf: Tatsächlich nötige Maßnahmen wie etwa die Erneuerung der maroden und von Legionellen befallenen Wasserleitungen, für die eigentlich der Vermieter finanziell geradestehen muss, will der Konzern mit der Modernisierung vermischen. Auf diesem Umweg könnte der als profitgierig berüchtigte Bochumer Konzern einen erklecklichen Teil der Instandhaltungskosten über die Modernisierungsumlage wieder bei den MieterInnen holen.

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Nicht allein das dubiose Finanzgebaren und der fragwürdige Nutzen der aufwendigen Bauaktivitäten indes geben reichlich Anlass für Kritik. Eine MieterInnen-Initiative, zu der sich Betroffene in der Schwaketenstraße mittlerweile zusammengefunden haben, klagt zudem über mannigfaltige Belastungen und Gefährdungen von BewohnerInnen. Die Initiative wirft Vonovia vor, mit dieser Baustelle komplett überfordert und nicht in der Lage zu sein, solch ein großes Modernisierungsvorhaben zu stemmen.

Beleg ist für die empörten MieterInnen allein die schier endlose Dauer des Projekts. Die Modernisierungsankündigung flatterte ihnen am 16. März 2018 in die Wohnung. Danach ging es erst einmal ganz schnell: Baubeginn war am 19. Juni 2018, und laut Vonovia-Ankündigung sollten die Arbeiten bis zum 31. Januar 2019 abgeschlossen sein. Inzwischen sind aus den ursprünglich geplanten 33 Wochen Bauzeit 126 geworden, und knapp zweieinhalb Jahre nach Baustart wird an der Schwaketenstraße immer noch gewerkelt. Für die erheblichen Belastungen durch die Baustelle gestand Vonovia den BewohnerInnen 20 Prozent Mietminderung bis November 2019 zu. Ein Betrag, der in keinem Verhältnis zum tatsächlich erduldeten Ungemach und vor allem der Gefährdungen steht, die zudem bis zum heutigen Tag andauern.

Versäumnisse und Verfehlungen

Die von der MieterInnen-Initiative geführte Liste von Versäumnissen und Verfehlungen ist lang. Nach der Übernahme im Jahr 2016 habe es Vonovia versäumt, eine Bestandsaufnahme des Zustands der Häuser vorzunehmen. „So wurden notwendige sicherheitsrelevante Instandhaltungen nicht erkannt und behoben, was dazu führte, dass die Tiefgarage längere Zeit von den Behörden gesperrt wurde“, berichtet ein Initiativen-Sprecher. Dort sind unter anderem Fluchtwege nicht gewartet und die Feuerlöscher jahrelang nicht geprüft worden.

Entsprechend vernichtend fiel im April 2019 ein Feuerwehr-Gutachten an das Baurechtsamt aus: „Die Schachtabdeckungen müssen durch flüchtende Personen eigenständig über eine Leiter nach oben gezogen werden. Dieser Öffnungsmechanismus ist sehr schwerfällig und nicht durch jede Person bedienbar. In einem der schmalen Schächte befanden sich Brandlasten und Hindernisse (Fahrzeugauspuffteile, Kraftstoffkanister, etc.). Augenscheinlich wurde der Öffnungsmechanismus mehrere Jahre nicht mehr gewartet und bedient.“ Weiter wird ausgeführt: „Feuerlöscher sind gemäß DIN 14 406, Teil 4, in Zeitabständen von längstens 2 Jahren durch Sachkundige auf ihre Funktionsbereitschaft zu überprüfen und ggf. instand zu setzen. Bei den angetroffenen Feuerlöschern wurde die letzte Prüfung im Jahr 2015 durchgeführt.“

Kriminell gefährliche Zustände, die den Gebäudeeigentümer eigentlich umgehend zum Handeln zwingen müssten. Nicht so im Fall des Miet-Haies Vonovia, der offenbar zudem auf eine erstaunliche Langmut des zuständigen Konstanzer Baurechtsamts zählen kann.

Ähnliche Verantwortungslosigkeit legten im Verlauf der Bauarbeiten auch die von Vonovia beauftragten Firmen an den Tag. „Gefährdungen durch die unqualifizierten Bauarbeiter“ seien „weder erkannt noch abgestellt“ worden, so der Vorwurf der Initiative. So habe man beispielsweise die neuen Wohnungstüren im Treppenhaus gelagert und dadurch Fluchtwege versperrt. Die Verpackung der Türen sorgte dann noch zusätzlich für Brandgefahr in den Treppenhäusern. Erneut schlug die um eine Stellungnahme gebetene Feuerwehr Alarm: „Dieser Zustand darf natürlich nicht sein – speziell nicht nach Feierabend und übers Wochenende. Ich konnte leider von der Bauleitung niemanden mehr am Vormittag antreffen. Aufgrund dessen habe ich die zuständige Baurechtsbehörde informiert, welche sich darum kümmern wird.“

Aktuell gehen von der Baustelle nicht nur Gefahren für die Mieterinnen und Mieter aus, sondern auch für den öffentlichen Straßenverkehr. So krachte schon 2019 etwa ein ungesicherter Bauzaun auf parkende MieterInnen-PKWs, diesen August kippte solch ein Absperrungsgitter auf den Geh- und Radweg. Trotz solcher Vorfälle lassen die Verantwortlichen die Bauzäune bis zum heutigen Tag nicht vorschriftsmäßig sichern. Öffentliche Gehwege werden zudem immer mal wieder als Materiallager genutzt, sodass FußgängerInnen nur das Ausweichen auf die Straße bleibt. Immer wieder karren überdies Baufahrzeuge teils ungesichertes Material und Gerät auf dem Geh- und Radweg hin und her.

Erst nach dem Eingreifen der zuständigen Behörden hatten sich die Verantwortlichen schließlich bequemt, Warnschilder aufzustellen. In einer E-Mail an die Mieterinitiative beteuert die Stadt: „Wir haben uns der Sache angenommen und haben im Genehmigungsverfahren mit der dort arbeitenden Firma explizit in den von der Stadt geforderten Auflagen angeordnet, dass die Geh- und Radwege freizuhalten und nicht als Materiallager zu nutzen sind. Zudem war ein Kollege bereits vor Ort und hat den Bauleiter direkt gesprochen und ermahnt.“ Nachhaltigen Eindruck scheinen die Ermahnungen der Aufsichtsbehörde indes nicht hinterlassen zu haben. Denn bereits nach einigen Tagen schon, hat die MieterInnen-Initiative beobachtet, „waren alle Vorschriften wieder vergessen und es wurde weitergearbeitet wie zuvor.“

Matthias Oehlschläger/red (Fotos: M. Oehlschläger)