Die unendliche Geschichte in der Schwaketenstraße (2)

Mehr als zwei Jahre schon müssen MieterInnen in der Konstanzer Schwaketenstraße auf einer Baustelle leben, mit gravierenden Folgen für ihre Lebensqualität. Seit Juni 2018 lässt dort der Immobilienkonzern Vonovia ihre Unterkünfte modernisieren. Teil 2 unserer Bestands­aufnahme beschäftigt sich mit der Frage, warum das alles solange dauert, und was sich der Konzern sonst noch einfallen lässt, um sich an den geplagten BewohnerInnen zu bereichern.

Verantwortungslose Inkompetenz

Die zweieinhalb Jahre andauernde Bauzeit hat tiefe Spuren hinterlassen bei den Leuten in der Schwaketenstraße. Viele sind zermürbt von den quälenden Begleitumständen wie Lärm, Schmutz und den ständigen Störungen des üblichen Tagesablaufs. Auch nach Abschluss der Arbeiten innerhalb der Gebäude kann von einer Rückkehr zu normalen Verhältnissen längst nicht die Rede sein. Die zum Vonovia-Gesamtpaket gehörenden Erneuerungsarbeiten von Auffahrten und Zugangswegen überschritten einmal mehr die vom Konzern angekündigte Dauer massiv. Statt wie versprochen sechs Wochen dauerte es 22 Wochen, bis die Arbeiten schließlich soweit fertiggestellt waren, dass man die eigene Wohnung wieder gefahrlos und ohne Baustellenschmutz betreten konnte.

Die Gründe für die jedes normale Maß sprengenden Verzögerungen liegen für die MieterInnen-Initiative, die sich zäh gegen die unschönen Zustände in der Schwaketenstraße wehrt, auf der Hand. Da sei zum Einen der den Verantwortlichen offenkundig nicht hinreichend bekannte Zustand der Bausubstanz, die sich immer wieder in einer schlechteren Verfassung präsentiere als erwartet. Verschärft werde diese Problematik noch durch die zentralistische Planung der Arbeiten in der Konzernzentrale. „Irgendwo am grünen Tisch in Bochum werden die Pläne erarbeitet, die vor Ort angepasst werden müssen und so zu Verzögerungen führen“, kritisiert ein Initiativen-Sprecher den Ablauf. Größtes Problem ist nach Einschätzung der Initiative indes die wenig professionelle Ausführung der Arbeiten vor Ort. Aus Kostengründen setzt Vonovia wie in der Branche üblich auf das Subunternehmer-System, das vom Einsatz mies bezahlter (und entsprechend schlecht qualifizierter) Beschäftigter und mangelnder Kontrolle durch die Bauleiter lebt. So seien immer wieder Mängel in den einzelnen Gewerken zu registrieren gewesen, deren Beseitigung dann viel Zeit in Anspruch nimmt.

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Den Einbau neuer Wohnungstüren nennt die Initiative als Beispiel: „Der neue Rahmen wurde einfach auf den alten Türrahmen geklebt und ausgeschäumt. Auf Nachfrage erklärten die Vonovia-Bauleiter, dies wäre heute so Standard. Einige Wochen später kam ein Brief der Vonovia, in dem mitgeteilt wurde, die neuen Rahmen müssten jetzt doch in der Wand verschraubt werden.“ Der Vorgang zeige eindrucksvoll die durch unkontrolliertes Arbeiten, Unwissenheit der Bauleiter und falsche Planung entstehenden Schwierigkeiten.

Manche Probleme erwachsen allerdings auch aus dem Bestreben der Vonovia-Planer, den Schein einer „Modernisierung“ zu wahren. So ließ man in den Küchen Steckdosen für einen Geschirrspüler anbringen – obschon in den Küchenzeilen von kleinen Einzimmerwohnungen gar kein Platz für solche Geräte ist. „Aber wer hat sich noch nie eine Steckdose unter dem Abfluss des Waschbeckens gewünscht“, fragt ein Mieter nicht ohne Galgenhumor.

Wie wenig sich der Immobilienkonzern um Vorschriften und Sicherheitsaspekte schert, zeigt ein anderes Beispiel. Als eine Vonovia-Tochterfirmamit den – noch andauernden – Arbeiten an den Außenanlagen begann, mussten MieterInnen erst einmal darum kämpfen, dass die Baustelle nachts beleuchtet wird. Erst nach einer geschlagenen Woche brachte der millionenschwere DAX-Konzern eine passable Ausleuchtung zustande, wozu er als Vermieter gesetzlich verpflichtet ist. „Trauriger Höhepunkt der Beleuchtungsbemühungen“ sei gewesen, erzählt ein Initiativen-Sprecher, „dass jemand in den Baumarkt geschickt wurde, der Solar-Garten-Leuchten für 19,99 das Stück besorgte. Am Bauzaun angebracht, schafften es die kleinen LED-Lämpchen nicht annähernd, die Wege zu den Häusern zu beleuchten.“

Dubiose Nebenkostenabrechnung

Als wäre dies noch nicht Ärger genug, haben sich die BewohnerInnen der Schwaketenstraße auch mit den ganz gewöhnlichen Dreistigkeiten herumzuschlagen, mit denen der Immobilien-Riese bundesweit seine MieterInnen abzockt: nicht nachvollziehbare Nebenkostenabrechnungen. Noch prozessieren einige Betroffene mit Hilfe des „Deutschen Mieterbundes Bodensee“ gegen die Abrechnungen für 2017, da sind schon die Briefe für 2019 in die Wohnungen geflattert.

In Bochum hat man die „zweite Miete“ als zusätzliche Möglichkeit entdeckt, den BewohnerInnen tief in die Taschen zu greifen. Vonovia lagert dazu viele Tätigkeiten in Tochterunternehmen aus, die dann Leistungen wie Gartenpflege und Winterdienst erledigen – sogenanntes Insourcing von Dienstleistungen. Viele dieser Aufgaben hatte früher ein Hausmeister erledigt, dessen Kosten als Posten in der Nebenkostenabrechnung aufgeführt waren. Heute heißt der Hausmeister nun Objektbetreuer und ist lediglich dazu da, wöchentliche Kontrollrunden zu drehen. Was genau kontrolliert wird und welche Maßnahmen bei festgestellten Mängeln eingeleitet werden, ist nicht bekannt. Bekannt ist allerdings, dass der Konzern für das Jahr 2019 über 29.000 Euro dafür kassieren will. Kleinere Reparaturen hat der Hausmeister früher selbst ausgeführt oder ein lokales Unternehmen damit beauftragt. Viele Mängel bleiben seitdem unerkannt, auf die Beseitigung trotzdem entdeckter muss teilweise Monate gewartet werden, weil Reparaturen nur ein zentraler Vonovia-Service erledigen darf, der jeweils eigens aus Stuttgart anreist.

„Winterdienst“ auf Vonovia-Art: Salz auf einem Zugangsweg, gestreut am 27.11. Temperatur: 2,5 Grad, Wetterzustand: trocken.

Das ist längst nicht das einzige Beispiel für die Kreativität des Konzerns bei der Nebenkostengestaltung. Für Gartenpflege sollen der aktuellen Abrechnung zufolge 2019 knapp 12.000 Euro angefallen sein, für den Winterdienst will man 5.500 Euro. Beides Aufgaben, die früher der Hausmeister übernommen hatte, jetzt aber von einem Tochterunternehmen der Bochumer ausgeführt und abgerechnet werden. Für die MieterInnen-Initiative nicht nachvollziehbare Beträge: „Man fragt sich, wie bei den immer milderen Wintern in Konstanz solche Kosten entstehen können.“ Ähnliches gelte für die Grünanlagenpflege: „Im Jahr 2019 war hier überall Baustelle, die Grünanlage vermüllt und teilweise schon nicht mehr existent.“ Harsch kritisiert man zudem die in Rechnung gestellten 16.000 Euro für die Müllabfuhr. Die Vermieterbegründung, die Gelben Säcke der Häuser 98 – 102 müsste der Dienstleister vom Müllstellplatz an die Straße tragen, hält die Initiative für vorgeschoben. „In den Häusern 104 – 108 belaufen sich die Kosten auf lediglich ca. 3.400 Euro“, rechnet sie vor.

Steigende Dividende

Fazit der AktivistInnen: „Seit Vonovia die Häuser übernommen hat, wurde der Service immer schlechter und die Kosten immer höher, die häufig nicht belegt oder nachvollziehbar sind. Lediglich nachvollziehbar sind die Gewinne der Vonovia aus den Nebenkosten.“ Auf 129 Millionen belaufen sich diese, Angaben der Frankfurter Rundschau zufolge, inzwischen dank des Kniffs mit dem Insourcing von Dienstleitungen.

Tatsächlich läuft es aktuell gut bei der Vonovia, wie jüngst Vorstandschef Rolf Buch verkündete. So soll die Dividende für die AktionärInnen um 12 Cent pro Aktie auf 1,69 Euro steigen. Allein die Mieterhöhungen aufgrund der nicht nur in Konstanz durchgezogenen, unnötigen und schlecht ausgeführten Modernisierungen schlagen 2020 mit einem Plus von 2,2 Prozent zu Buche. Die Zeche dafür zahlen die Vonovia-MieterInnen, die – wie in der Schwaketenstraße 98 bis 108 – überdies jahrelang auf einer Baustelle leben und die katastrophalen Zustände aushalten müssen.

Im Moment hoffen die MieterInnen in der Schwaketenstraße, dass diese unsäglichen Bauarbeiten endlich ein Ende finden. Ob sie jemals in Ruhe leben können, bleibt bei einem Vermieter wie der Vonovia fraglich. „Man darf gespannt bleiben“, sagt einer der Bewohner, „welche neuen Schikanen zur Rendite-Steigerung dem Unternehmen einfallen, die dann auf dem Rücken von MieterInnen ausgetragen werden“.

Matthias Oehlschläger/red (Fotos: J. Geiger, C. Jäger)

Zum Teil 1 geht es hier.