Die wohlsortierte Ordnung der Einsamkeit

Das Unitheater bringt mitten im Sommer unter studentischer Regie Anja Hillings „Mein junges idiotisches Herz“ als Tragikomödie auf die Bühne.

Alles beginnt mit einem Paket aus Australien. Weil der Postbote Ludger Hase die Rücksendung nicht loswird, klingelt er bei Karin Schlüter. Und stört diese bei einem veritablen Suizidversuch. Die Nachbarin, die eigentlich den Fruchtsaft-Lieferanten Miroslav erwartet, nimmt das Paket an und rückt es ab sofort nicht mehr heraus. Auch nicht an Hans Werner Sandmann, der der eigentliche Adressat ist und seit 24 Nächten nicht mehr schläft. Das hat etwas mit diesem geheimnisvollen Paket zu tun. Im Laufe des Tages gehen die Bewohnerinnen und Bewohner des Plattenbaus an der auf dem Paket sitzenden Karin Schlüter vorbei, während das bereits eingenommene Gift zu wirken beginnt.

Anja Hilling seziert in „Mein junges idiotisches Herz“ die Leben in einem Mehrparteienhaus irgendwo in Deutschland zu Anfang der 2000-er Jahre. Fiona Schilling und Matti Keller vom Unitheater Konstanz sind zufällig auf die Tragikomödie aus dem Jahr 2005 gestoßen und sofort an den Figuren hängengeblieben. „Wir suchten nach einem Stück, das einerseits schauspiellastig ist, andererseits aktuelle Themen behandelt, die gleichzeitig immer relevant sind“, sagt Matti Keller. Die beiden Studierenden werden mit sechs studentischen Darstellenden die Inszenierung ab dem 22. August auf die Bühne bringen. Wegen der Bauarbeiten auf dem Campus der Universität wird im Jugendzentrum Konstanz gespielt werden.

Die Menschen fangen an, miteinander zu reden

Die Figuren leben getrennt voneinander in ihrer eigenen Welt, ihr Seelenzustand reicht von unglücklich bis traumatisiert. Sie wohnen seit vielen Jahren in Nachbarschaft und wissen doch nichts voneinander. Das ändert sich mit der Ankunft des Pakets und Karin Schlüters Weigerung, es herauszugeben. Die wohlsortierte Ordnung der Einsamkeit gerät durcheinander. Die Menschen fangen an, miteinander zu reden.

„Plötzlich treten Menschen in ihr Leben und bringen die ganzen Lebensgefüge zum Einsturz“, wie es Fiona Schilling formuliert. Dass ausschließlich in Monologen erzählt wird, hat ihr besonders gut gefallen, unterschiedlichste Sichtweisen auf die Dinge, Selbst- und Fremdwahrnehmungen. Das spiegelt sich im Bühnenbild wider: Parallel zum Publikum werden halbtransparente Vorhänge gespannt sein, die einerseits die Räumlichkeiten voneinander abtrennen, andererseits aber durchlässig für die Blicke der anderen sind. Das Publikum blickt durch die Vorhänge hindurch.

Die Autorin

Anja Hillings erstes Theaterstück „Sterne“ wurde 2003 zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen und dort mit dem Preis der Dresdner Bank für neue Dramatik ausgezeichnet. 2005 wurde „Mein junges idiotisches Herz“ in einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Im selben Jahr wurde die 1975 geborene Anja Hilling in der Kritikerumfrage von Theater heute zur Nachwuchsautorin der Saison gewählt. Mit ihrem Stück „Schwarzes Tier Traurigkeit“ von 2007 gelang Anja Hilling auch der internationale Durchbruch.

Termine

Gespielt wird am 22., 23., 25. und 26. August 2023 jeweils ab 19.00 Uhr im Jugendzentrum Konstanz, Gustav-Schwab-Straße 12c. Der Kartenvorverkauf findet in Konstanz in der Buchhandlung zur Schwarzen Geiß, im Kulturkiosk Schranke und in der Tourist-Information statt.

Text: Uni-Theater, Bilder: Niklas Stanick. Oben: Franz Schmider als Hans Werner Sandmann, Jette Galas als Karin Schlüter, Natalie Rothenbächer als Paula Lachmär, Lara Reichel als Miroslav Vulic, Jam Langer als Eugen Zarter und Ida Pfefferle als Ludger Hase. Unten: Franz Schmider spielt Hans Werner Sandmann und Jette Galas spielt Karin Schlüter.