„Dieses Angebot zwingt uns geradezu in den Warnstreik“
„Wir sind systemrelevant“, hallte es am Mittwoch mehrere Stunden lang durch die Straßen der Konstanzer Innenstadt. Rund 300 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes machten mit einer Demonstration lautstark deutlich, dass sie nicht gewillt sind, sich für ihre unverzichtbare Arbeit mit billigem Applaus abspeisen zu lassen. Die Protestaktion begleitete den eintägigen Warnstreik bei städtischen Einrichtungen, zu dem die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di aufgerufen hatte.
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„Die Leute sind sauer, und das völlig zu Recht“, beschreibt Thomas Weisz, als ver.di-Gewerkschaftssekretär Mitorganisator von Demo und Streikaktionen, die Stimmungslage in kommunalen Einrichtungen. Auch seine Gewerkschafts-Kollegin Pauline Sanne bestätigt: „Das Maß ist voll, das Fass am Überlaufen.“ Auf entsprechenden Widerhall stieß der Gewerkschaftsaufruf zum Warnstreik. Weisz zufolge ging bei Kitas, Abfallwirtschaft und Technischen Betrieben am Mittwoch in Konstanz nichts. Zudem seien am städtischen Klinikum eine Station und drei Operationssäle geschlossen. Personal der Krankenhäuser in Radolfzell, Singen und Tuttlingen beteiligte sich ebenfalls an den Arbeitsniederlegungen.
Die Protestaktionen im Landkreis waren Teil einer bundesweiten Warnstreikwelle in der Tarifauseinandersetzung des öffentlichen Dienstes, bei der zehntausende Beschäftigte die Arbeit niederlegten. Anlass war ein erstes Angebot, das die Arbeitgeber am vergangenen Freitag in der zweiten Verhandlungsrunde vorgelegt hatten. Die Verhandler von Bund und kommunalen Arbeitgebern bieten darin den rund 2,5 Millionen Beschäftigten magere 3,5 Prozent an, verteilt auf drei Jahre. Für ver.di und viele Beschäftigte, die in den vergangenen Monaten landauf, landab noch als Corona-HeldInnen gefeiert wurden, ein Affront. Die Gewerkschaft fordert demgegenüber 4,8 Prozent mehr für das kommende Jahr, mindestens jedoch 150 Euro und einen kräftigen Aufschlag für Auszubildende, der insbesondere NiedriglöhnerInnen und Nachwuchskräfte stärken soll.
Auf der Konstanzer Marktstätte, wo der Demozug für eine Kundgebung Halt machte, brachte Andreas Gallus, beim Hauptzollamt in Singen beschäftigt, die Erwartung der ArbeiterInnen, Angestellten und BeamtInnen in den Gemeinden und beim Bund auf den Punkt: „Klatschen reicht nicht, schöne Worte machen nicht satt und zahlen keine Mieten.“ Das Angebot, das die Arbeitgeber nach zwei Verhandlungsrunden nun vorgelegt haben, bezeichnet er als „unanständig“. Es zwinge die Beschäftigten „geradezu in den Warnstreik“. Einkommensverbesserungen im hinterherhinkenden öffentlichen Dienst seien „alternativlos“, wenn man eine Gesellschaft mit intakter Daseinsvorsorge wolle. „Sonst bricht der Laden zusammen. Die Menschen werden sich überall da, wo sie die Möglichkeit haben, vom öffentlichen Dienst abwenden.“ Das vorherrschende Prinzip „Je sozialer die Arbeit, desto unsozialer der Verdienst“ gelte es zu bekämpfen. Auch Ursel Hanser, ver.di-Personalrätin im Singener Rathaus, verwies auf den schlechter Bezahlung geschuldeten Fachkräftemangel. Zudem gingen in den kommenden zwei Jahrzehnten 60 Prozent der Beschäftigten in den Ruhestand. Insofern seien Arbeitsplätze mit einem attraktiven Gehalt ein „Baustein für die Zukunft des systemrelevanten Öffentlichen Dienstes“.
Das Lamento über fehlende finanzielle Spielräume lassen die GewerkschafterInnen nicht mehr gelten. Corona liefere den Arbeitgebern nur einen willkommenen Vorwand für ihr mageres Angebot, ist Gallus überzeugt. Die Tarifrunden zuvor seien es andere gewesen. „Das Ganze hat System, das machen die immer so, egal wie die Lage ist.“ Der Gewerkschafter ist überzeugt: „Das Geld ist da“, man müsse es sich von denen holen, „die finanziell breitere Schultern haben“, etwa über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Das sieht auch Hanser so. Sie verweist auf die enormen Summen, die in die Kassen großer Unternehmen geflossen sind. „Wer ein 9 Milliarden schweres Rettungspaket für die Lufthansa schnürt, muss auch noch etwas für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst übrig haben“, betont die Gewerkschafterin unter großem Beifall der Demonstrierenden.
Scharf zurückgewiesen wurden von verschiedenen RednerInnen die aus der Politik laut werdenden Vorwürfe, die Warnstreiks seien in Pandemie-Zeiten unverantwortlich. Ursel Hanser etwa erinnerte daran, ver.di habe im Juni den Arbeitgebern angeboten, die Tarifrunde auf das Frühjahr 2021 zu verschieben. Insbesondere der kommunale Arbeitgeberverband sei damals zu keiner Verständigung bereit gewesen. „Wir haben diese Tarifauseinandersetzung unter den aktuellen Bedingungen nicht angestrebt. Es waren die Arbeitgeber, die unsere ausgestreckte Hand ausgeschlagen haben“, so Hanser. Vermutlich spekulierte die Arbeitgeberseite darauf, den Tarifgegner mit Corona im Zaum halten zu können.
Sollte das die Rechnung gewesen sein, ging sie nicht auf, wie die Beteiligung an Warnstreiks, Demonstrationen und Kundgebungen nicht nur in Konstanz bewiesen haben. Im Stadtgarten, wo die Konstanzer Demo mit einer Abschlusskundgebung endete, versicherte Südbadens ver.di-Geschäftsführer Reiner Geis unmissverständlich, man werde weiterkämpfen. Das magere Arbeitgeberangebot mobilisiert unter den in der Corona-Krise selbstbewusster gewordenen Beschäftigten Widerstand. Die Überzeugung, dass nicht etwa die Streiks für gute Arbeit im öffentlichen Dienst unverantwortlich sind, sondern die Zustände in den Krankenhäusern, Kitas und anderen öffentlichen Einrichtungen, sollte sich indes nicht nur unter den betroffenen Beschäftigten herumsprechen. Dass an der Konstanzer Demo neben Aktiven anderer Gewerkschaften – darunter die ebenfalls steikenden Forstleute der IG Bauen-Agrar-Umwelt, der IG Metall und stürmisch begrüßte KollegInnen der Schweizer Unia – auch eine Delegation von Fridays for Future teilnahm, ist schon mal ein gutes Zeichen.
J. Geiger (Fotos: P. Wuhrer)
Es ist an der Zeit denen auf die Finger zu schauen, die gerade die Fleischbrocken aus dem Eintopf fischen. Es scheint, dass es gar nicht mehr darum geht, dass Geld bei den „Verbraucherinnen“ auf dem Konto ankommt, ist es doch viel einfacher durch Direktzahlungen an Fluggesellschaften, Touristikunternehmen Gesundheitsindustrie oder Hotel- und Gaststätten alle UnternehmerInnen zu bedienen die laut genug, von Medien unterstützt, ihre Ansprüche hinaustwittern. tagesschau oder heute, die täglich gegen Gerwerkschaftsforderungen kommentieren, man könnte es fast „Hetze“ nennen, kann man gegenwärtig nur noch wegzappen.
Wofür soll ein monopolistischer Eintrittskartenvertrieb, der jeden Ticketkauf drastisch verteuert, finanzielle Unterstützung bekommen? Eine Auseinandersetzung und mögliche Solidarität mit niedrig Entlohnten, wie auch Hass IV BezieherInnen wird unmöglich. Ein Gedankenaustausch findet erst gar nicht statt.
Es wäre an der Zeit den oder die Beträge zu nennen, die als Unternehmergehalt im Gespräch sind. Es gibt dazu Richtwerte. Nach der GmbH-Rechtsprechung sind bei bis zu 50 MitarbeiterInnen Summen zwischen 130.000 bis 150.000 Euro (brutto) jährlich zu nennen.
Über Dienst- oder Firmenwagen sowie Gewinnbeteiligung wäre auch zu reden, obwohl diese steuerlich abgeschrieben werden. Es wurde schon berichtet, dass etwa Zahnärzte, ich glaube bis 90% ihres Vorjahreseinkommen erhalten und leer stehende Krankenhausbetten, die es oft nicht einmal gibt, mit 560 Euro täglich honoriert werden.
Das, mit den von Peter Stribl genannten Schülerfahrten ist mehr als ärgerlich und könnte durch eine Notlösung, als Schulbus gekennzeichneter Sonderverkehr, der eingeschränkt nur zu bestimmten Zeiten fährt, gelöst werden.
@Peter Köhler, zur Erinnerung:
„Ich habe kein Verständnis dafür, dass mitten in der Krise Schülertransporte bestreikt werden. Überhaupt keins. Egal, ob das Anliegen nachvollziehbar ist (die Berechnungen scheinen aus der Vor-Covid-Ära zu stammen).“
Dem gegenüber:
„Scharf zurückgewiesen wurden von verschiedenen RednerInnen die aus der Politik laut werdenden Vorwürfe, die Warnstreiks seien in Pandemie-Zeiten unverantwortlich. Ursel Hanser etwa erinnerte daran, ver.di habe im Juni den Arbeitgebern angeboten, die Tarifrunde auf das Frühjahr 2021 zu verschieben. Insbesondere der kommunale Arbeitgeberverband sei damals zu keiner Verständigung bereit gewesen. „Wir haben diese Tarifauseinandersetzung unter den aktuellen Bedingungen nicht angestrebt. Es waren die Arbeitgeber, die unsere ausgestreckte Hand ausgeschlagen haben“, so Hanser. Vermutlich spekulierte die Arbeitgeberseite darauf, den Tarifgegner mit Corona im Zaum halten zu können.“