Drei weitere Stolpersteine in Konstanz

Mittlerweile liegen rund 94.000 Stolpersteine für Opfer des Nazi-Regimes in über 1.800 europäischen Kommunen. Alleine in Konstanz, Kreuzlingen und Tägerwilen erinnern bisher 269 Stolpersteine an Verfolgte des NS-Systems, an Jüdinnen und Juden, politisch und religiös Verfolgte, „Euthanasie“-Opfer, Zwangssterilisierte, Deserteure, Sinti und Homosexuelle. Nun werden am 4. April 2023 in der Konstanzer Schulstraße 14 drei weitere Steine für Alfons, Gertrude und Max Levi verlegt.

Stolpersteine für die Familie Levi

Wenn am kommenden Dienstag die drei Stolpersteine verlegt werden, sind auch Karen und Connie Levi zugegen. Sie werden uns vom Schicksal ihres Vaters Max (1921–2005) erzählen, dem es als 16-Jährigem gelang, 1938 zusammen mit seinen Eltern in die USA auszureisen.

Sein Vater Alfons Levi (1887–1947) lebte ab 1903 in Konstanz, diente als Sanitäter im 1. Weltkrieg und war ab 1927 Mitinhaber der Fa. Ottenheimer & Komp. 1932 gründete er ein „Spezialgeschäft für Partiewaren“ mit Sitz in der Paradiesstraße. Nach dem Machtantritt der Nazis verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Familie erheblich und so sah sie sich aufgrund der zunehmenden Ausgrenzung und Schikanierungen zur Auswanderung gezwungen. Der Familie – die Mutter von Max war jung gestorben, 1927 heiratete sein Vater Gertrude Hofmann – gelang es dank Bürgschaften von Verwandten, Visa für die USA zu erhalten. Gemeinsam verließen sie Konstanz im Mai 1938 und versuchten unter großen Schwierigkeiten, sich in San Francisco eine neue Lebensgrundlage aufzubauen. Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und zunehmender gesundheitlicher Probleme fand Alfons Levi erst ab 1941 eine Arbeit, zunächst als Silberpolierer, 1942 als Packer. Er starb bereits am 29. Dezember 1947 60-jährig an den Folgen eines Herzinfarkts.

Seine aus einer wohlhabenden Frankfurter Familie stammende zweite Ehefrau Gertrude Levi (1896–1979) hatte ihre Schulzeit in England und der Schweiz verbracht und war später an einer Kunstschule in Frankfurt ausgebildet worden; in San Francisco versuchte sie, das spärliche Einkommen durch das Vermieten von Zimmern zu verbessern und arbeitete nach dem Tod ihres Mannes als Hilfsschwester und Altenpflegerin.

Max Siegmund Levi, 1921 in Konstanz geboren, hatte aufgrund der perfiden Rassengesetzgebung der Nazis keine höhere Schule besuchen können und absolvierte eine Bäckerlehre. Nach der Ankunft in den USA bestand der 16-Jährige zwar die Aufnahmeprüfung für eine High School, begann aber zunächst als Bäcker zu arbeiten, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Später arbeitete er als Kaufmann, machte sich selbstständig und führte ein erfolgreiches Großhandelsgeschäft. Nach einer kurzen ersten Ehe, in der eine Tochter geboren wurde, heiratete er 1950 Eva Wolffheim, die 1939 mit ihrer Familie aus Berlin nach Shanghai hatte fliehen müssen. Mit ihr bekam er zwei weitere Töchter – Karen und Connie Levi – und einen Sohn. Max Levi starb am 24. Mai 2005 in den USA. 

Schülerinnen und Schüler des Hegau-Bodensee-Seminars erarbeiteten die Biografien

Die Biografien von Alfons, Gertrude und Max Levi haben Teilnehmende des Hegau-Bodensee-Seminars erarbeitet. Bereits in den Jahren davor waren 23 jüdische Stolpersteinbiografien im Rahmen von HBS-Seminaren, die Petra Quintini von der Konstanzer Stolperstein-Initiative bis 2021 gemeinsam mit Manuel Boxler geleitet hat, von Schülerinnen und Schülern recherchiert worden. Nun haben Vlad Boldea, Jonas Geiger, Franziska Guder, Alina Mak, Dila Özmicco, Laura Palloshi, Helena Friedland und Zoe Sanne aus der Klassenstufe 9 des Suso-Gymnasiums im Rahmen des Hegau-Bodensee-Seminars  „Nationalsozialismus und jüdisches Leben in Konstanz“ mit ihrem Lehrer Frank Martin und Petra Quintini ihre Arbeit der Geschichte der Familie Levi gewidmet. Für die Recherche waren sie unter anderem im Stadtarchiv Konstanz und auch gemeinsam im Staatsarchiv in Freiburg. Viele Informationen konnten sie auch einer autobiografischen Veröffentlichung von Karen Levi „A smile that lasts forever“ entnehmen.
Die SchülerInnen werden bei der am 4. April um 11 Uhr beginnenden Stolpersteinverlegung  die Biografien von Alfons, Gertrude und Max Levi in deutscher und englischer Sprache vorstellen; danach folgen die Ansprachen von Karen und Connie Levi. Sarina Tepel, Schülerin der Klasse 9a des Suso-Gymnasiums, umrahmt die Veranstaltung musikalisch.

Text: MM/sb, Foto: Einer von 269 Steinen, die in Konstanz bisher verlegt wurden (Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“)