#Druck.Machen. Die Filme
In einem ersten Betrag über das Veranstaltungsprogramm des ver.di-Ortsvereins Medien+Kunst Konstanz zu dessen 150-jährigen Jubiläum hatten wir die Konzerte vorgestellt. Schon diese Woche – am Dienstag – beginnt mit „Der marktgerechte Mensch“ nun eine Filmreihe im Zebra-Kino, die sich Arbeitsverhältnissen und dem Widerstand gegen Ausbeutung befasst.
Seit die Bilder laufen lernten, sind Spiel- und Dokumentarfilme ein Medium, das Menschen zusammenbringt, sie informiert und unterhält, über Macht- und Abhängigkeitsstrukturen aufklärt und – im besten Fall – zu eigenständigem Handeln ermuntert. Schon früh, noch zu Zeiten des Stummfilms, drehte beispielsweise Sergei Eisenstein den Film „Streik“ (1925) über einen Arbeitskampf zur Zarenzeit und noch im selben Jahr sein vielleicht bekanntestes Werk: „Panzerkreuzer Potemkin“ über Ereignisse während der russischen Revolution 1905 gilt längst als Klassiker der Filmgeschichte. Ebenso legendär ist Charlie Chaplins Spielfilm „Moderne Zeiten“ („Modern Times“, 1936), in dem der großartige britische Regisseur und geniale Trump-Darsteller die Entfremdung der Menschen durch die Fließbandfertigung anprangert. Vier Jahre später folgte sein antifaschistischer und antimilitaristischer Film „Der große Diktator“.
Auch wenn heute solch aufklärerische Filme über Ausbeutung, Unterdrückung und Gegenwehr kaum noch in den Großkinos zu sehen sind: Es gibt sie noch. Ein paar davon werden in diesen Wochen (beginnend ab Dienstag!) im Zebra-Kino vorgeführt, dessen Team mit dem Ortsverein Medien+Kunst ein Programm zusammengestellt hat, das sich sehen lassen kann.
Hier einige Infos zu den einzelnen Filmen:
5. April, 18:30 Uhr: Der marktgerechte Mensch
Spätestens seit der großen Finanzkrise 2007/08 befindet sich der Arbeitsmarkt im Umbruch. Die soziale Marktwirtschaft und die über Jahrzehnte erstrittenen Solidarsysteme werden mehr und mehr ausgehebelt. Der sich immer weiter beschleunigende Wettbewerb zerstört das gesellschaftliche Gefüge; das soziale Bindegewebe droht durch Verarmung, Vereinzelung und Entsolidarisierung zu zerbrechen.
Nach ihren Film „Der marktgerechte Patient“ (2018) über den akuten Zustand des Gesundheitssystems erzählen Leslie Franke und Herdolor Lorenz in „Der marktgerechte Mensch“ anhand einer repräsentativen Auswahl von Fallbeispielen von den verheerenden Veränderungen unseres Arbeitsmarkts. Unsichere und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Algorithmus-gesteuerte Arbeitsprozesse und Crowdworking haben unser Leben in den letzten Jahren rasant verändert – und nicht selten zu zerstörten Lebensläufen und psychischen Erkrankungen geführt. Der Film zeigt aber auch Solidarität zwischen jungen Menschen, die für einen Systemwandel eintreten, und stellt Betriebe vor, die nach dem Prinzip des Gemeinwohls wirtschaften. „Der marktgerechte Mensch“ will Mut machen und dazu motivieren, sich zusammenzuschließen und einzumischen. Denn ein anderes, gerechteres Leben ist möglich!
12. April, 18:30: „Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit
Harte Arbeitsbedingungen und miese Löhne: Das Leben von osteuropäischen LeiharbeiterInnen ist häufig alles andere als glamourös. In ihrem Dokumentarfilm zeigt Regisseurin Yulia Lokshina eine Welt, der man im Alltag normalerweise nicht begegnet.
Zum Inhalt: In der westdeutschen Provinz kämpfen osteuropäische Leiharbeiter:innen des größten Schweineschlachtbetriebs des Landes ums Überleben – und Aktivist:innen, die sich für deren Rechte einsetzen, mit den Behörden. Zur gleichen Zeit proben Münchener GymnasiastInnen das Stück „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ und reflektieren über die deutschen Wirtschaftsstrukturen und ihr Verhältnis dazu.
Verwoben mit den Gedankengängen der Jugendlichen und ihrer Auseinandersetzung mit dem Text in den Proben erzählt der Film in unterschiedlichen Fragmenten über Bedingungen und Facetten von Leiharbeit und Arbeitsmigration in Deutschland.
Der Film wurde 2020 mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet.
19. April, 18:30: „Danke, Chef!”
Profitsucht, Ausverkauf, Outsourcing, Lohn-Dumping: Auch in Frankreich sind Beschäftigte davon betroffen. Und so reagiert das Ehepaar Jocelyn und Serge Klur mit einem entschiedenen „Non!”, als ihre Arbeitsstellen nach Polen ausgelagert werden sollen. Zusammen mit Dokufilmer François Ruffin machen die beiden sich auf die Suche nach Antworten auf diverse Fragen. Warum ziehen die Jobs weg? Warum werden die Existenzen von Familien gefährdet? Wann ist die Profitmarge groß genug? Wie soll man sich in diesem Klima ein einigermaßen sorgenfreies Leben aufbauen?
Oberflächlich betrachtet ist die Kampagne der Klurs gegen Bernard Arnault, einem der reichsten Franzosen, ein amüsantes Spektakel, das an die Filme von Michael Moore erinnert. Darunter jedoch entpuppt sich „Merci, Patron!” als ein erfolgreiches und durchaus effizientes politisches Werkzeug, das mit dem Aufstieg einer französischen Protestbewegung seit dem Frühjahr 2016 in Verbindung gebracht wird.
Ein furioser Dokumentarfilm über skrupellose, subventionierte Bosse – und wirkliche Menschen.
26. April: „Der nackte König – 18 Fragmente über eine Revolution“
1979, Revolution im Iran. 1980, Revolution in Polen. Der Sturz des Schahs, des „Königs der Könige” im Iran, Massenstreiks und die Bewegung Solidarnosc in Polen. Was geschah in den Köpfen der jungen Frauen und Männer, die damals an den Erhebungen beteiligt waren? Was ging in ihnen vor, als ihre Revolution niedergeschlagen wurde, oder – wie im Iran – eine religiös-autoritäre Elite die Macht übernahm?
Der Filmautor Andreas Hoessli lebte damals als Forschungsstipendiat in Polen. Dort lernte er den Reporter Ryszard Kapuscinski kennen, der von der Revolution im Iran berichtete. Kapuscinskis Aufzeichnungen sind der Ausgangspunkt der Filmerzählung, in der der Filmautor auch die Berichte des polnischen Geheimdiensts über sich selbst aufgreift – er entdeckt dabei, dass er als Figurant unter dem Namen Hassan für die geheimen Dienste der Polnischen Volksrepublik angeworben werden sollte.
„Der nackte König” ist eine magische Analyse des menschlichen Ausnahmezustands „Revolution”. Ein beeindruckender Film von Andreas Hoessli, erzählt von Bruno Ganz. Er handelt von Menschen, die sich gegen eine Macht erheben, von der man glaubte, dass sie unbesiegbar sei..
Ein „so kluger wie poetischer Filmessay über Masse und Macht”, urteilte die Süddeutsche Zeitung.
Der Film gewann beim DOK.fest München den Hauptpreis in der Reihe „DOK.international Main Competition”.
12. Mai, 18:30: „Sorry We Missed You”
Und dann, zum Schluss, ein weiteres fulminantes Werk des britischen Regisseurs Ken Loach, das in Konstanz bisher nicht zu sehen war. Es erzählt die Geschichte von Ricky Turner, der mit seiner Familie gegen die Folgen der Finanzmarktkrise 2008 kämpft. Die Familie hat Schulden, und als der Vater einen neuen Job als Paketbote bekommt, bietet sich ihnen endlich die Chance, die Misere zu beenden. Er will als selbstständiger Fahrer arbeiten und hofft, hierdurch ein wenig von seiner Unabhängigkeit zurückzuerlangen. Doch die Bedingungen in der schönen neuen Arbeitswelt sind gnadenlos …
Nach „Land and Freedom” (über Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg, 1995), „Bread and Roses” (über den Kampf für bessere Arbeitsbedingungen von illegalen EinwanderInnen in den USA, 2000), „It’s a Free World” (über Leiharbeiter:innen, 2007) oder „I, Daniel Blake” (über einen nordenglischen Sozialhilfeempfänger, 2016) ist „Sorry We Missed You” haben Loach und sein Drehbuchautor Paul Laverty ein weiteres cineastisches Meisterwerk geschaffen.
Trailers zu den Filmen finden sich sich auf den Websiten des Zebra-Kinos und des ver.di-Ortsvereins Medien+Kunst Konstanz. Zu dessen anderen Angeboten gibt es einen Infotisch mit Flyern, dem Buch „Druck.Machen. Eine etwas andere Stadtgeschichte von Konstanz“ und Gewerkschftsmaterial. Für alle, die nach der Vorführung diskutieren wollen, ist in der Kula-Bar ein Tisch reserviert.
Text: MM/Pit Wuhrer
Bilder: Filmstills/Pressematerial der Verleihs