Dubioser Heilsbringer kommt nach Konstanz

In esoterischen und auch verschwörungs­theoretischen Kreisen ist Rüdiger Dahlke ein Star. Kommenden Mittwoch sollte er eigentlich zwei Vorträge an der Universität halten, doch die Universitätsleitung verweigerte die Überlassung der Räumlichkeiten. Nun hat der örtliche Veranstalter für Dahlke das Konzil gebucht. Kaum zu glauben: Auch der Südkurier tritt dabei als Medienpartner auf. Hier die Hintergründe, dazu eine Einschätzung des bekannten Sektenkenners Hugo Stamm.

Der Konstanzer Veranstalter Holger König organisiert schon seit längerem die Vortragsreihe „Expedition LEBEN“ und verspricht „qualitativ hochwertige Vorträge zu Gesundheit und Ernährung“. Nun glaubt er wohl, mit Vorträgen von Rüdiger Dahlke, der 2013 den Negativpreis „Goldenes Brett vorm Kopf“ erhalten hatte, einen besonderen Coup landen zu können. Also buchte er dafür Räumlichkeiten in der Universität und startete frühzeitig eine großflächige Werbekampagne (siehe Bild).

[the_ad id=“66238″]

Südkurier mit im Boot

Doch König hatte seine Rechnung auch ohne die Studierenden gemacht, die umgehend klare Position bezogen. Dahlke, so ist in einer aktuellen Pressemitteilung der StudentInnen zu lesen, vertrete „seit Jahrzehnten äußerst fragwürdige Therapien“. Damit sei er „eine Person, deren Ansichten in keiner Weise mit den Vorstellungen der universitären Wissenschaft in Einklang zu bringen ist“. Kritisiert werden in diesem Zusammenhang aber auch die Sponsoren und Medienpartner, die Holger König für seine Veranstaltungen auf seiner Webseite versammelt. Unter anderem sind darunter: Graf Hardenberg-Gruppe, Reichenau Gemüse eG, Ganter Hotel & Restaurant Mohren, Hirsch Privatbrauerei, DAK-Gesundheit, das Singener Gratisblättchen TV 3, das Südkurier Medienhaus und der Konstanzer Anzeiger. Zumindest von den Presseleuten hätte man verlangen können, dass sie genauer hinschauen, wen sie da unterstützen. Der Südkurier bietet seinen Abonnenten sogar einen ermäßigten Eintrittspreis für Dahlkes Vortrag an. Als Partner von „Expedition LEBEN“ werden auch der Konstanzer Entertainer Tobias Bücklein und Konzertveranstalter Armin Nissel mit seiner neuen Firma „KoLo“ aufgelistet.

Universität distanziert sich

„Die Äußerungen von Herrn Dahlke“, so die Erklärung der Pressestelle auf Anfrage von seemoz, „sind nicht mit wissenschaftlichen Fakten und der wissenschaftlichen Verantwortung einer Universität zu vereinbaren (…) und wir distanzieren uns ausdrücklich von den Thesen von Herrn Dahlke. Expedition LEBEN hätte für die Vorträge von Herrn Dahlke keine Zusage für einen Raum an der Universität erhalten dürfen. Wir haben dies dem Veranstalter klar mitgeteilt (…) Zudem haben wir dies aktuell zum Anlass genommen, unsere Qualitätsmechanismen für das Vermieten von Räumen an externe Veranstalter zu verbessern.“

Veranstalter König buchte daraufhin um und sein höchst umstrittener Referent wird nun im Konzil seine kruden Thesen vertreten. Auf unsere Anfrage, was er von den Vorgängen um seinen Referenten hält, hat Holger König bislang nicht geantwortet. Manfred Hölzl, Pächter des Konzils, ließ vergangenen Freitag etwas kleinlaut wissen: „Der Vertrag ging unterschrieben raus, das lässt sich nicht mehr ändern“. Auch er hatte sich im Vorfeld über Dahlke nicht informiert, aber wohl scheint ihm bei der Sache nicht zu sein.

H. Reile (Text und Foto)


Kult-Star der Esoterik-Szene: „Perfide und nahezu menschenverachtend“

Rüdiger Dahlke gehört zu den bekanntesten Kultfiguren der Esoterik im deutschsprachigen Raum. Sein Kerngebiet sind alternative Heilmethoden, die höchst umstritten sind. Diese offenbaren ein Weltbild, das geprägt ist von spiritistischem und teilweise magischem Denken, das sich weit von der wissenschaftlichen Erkenntnistheorie entfernt hat. Das ist umso bemerkenswerter, als Rüdiger Dahlke ursprünglich Medizin studiert hat und die Approbation als Arzt besitzt.

Doch der 68jährige Dahlke hat sich radikal entfernt vom Forschungs- und Therapieansatz der Schulmedizin. Vielmehr sieht er in der Humanmedizin einen destruktiven Kern, der die Patienten eher krank macht, statt sie zu heilen, wie er in seinen Büchern, Seminaren und Vorträgen erklärt.

Dahlke wird deshalb in der Esoterikszene und bei Anhängern der Alternativmedizin als Prophet und Heilsbringer verehrt. Diese Kreise attestieren ihm eine besonders hohe Glaubwürdigkeit, weil er beide Welten kennt und letztlich ein Konvertit ist. Seine Metamorphose von Arzt zum Alternativmediziner werten sie als Beweis, dass die Schulmedizin mit ihren vermeintlich brutalen Therapiemethoden (Medikamente von der verfemten Pharma-Industrie, Operationen, Chemotherapie, Bestrahlung usw.) unseriös sei. Sie stilisieren Dahlke als Kronzeuge in ihrem Kampf gegen die Schulmedizin hoch, was sich dieser gern gefallen lässt, fördert doch sein Kultstatus die Umsätze. Denn Dahlke vermarktet sich und seine rund 50 Bücher, Ausbildungen, Seminare, umstrittenen Therapiegeräte, sein Zentrum „TamanGa“ in der österreichischen Südsteiermark und weitere Angebote hoch professionell.

Dahlke nennt seine Alternativmethoden „Integrale Medizin“. Seine Grundthese: Krankheiten sind nicht primär die Folge von organischen Disfunktionen, sondern von seelischen Belastungen und inneren Konflikten. Noch mehr: Dahlke glaubt, in Krankheiten einen pseudoreligiösen Aspekt zu erkennen, spricht er doch von einer spirituellen Dimension. Deshalb betrachtet er Diagnosen und Therapieansätze der Humanmedizin als irreführend. Sein Rezept ist die ganzheitliche Therapie, die auf Körper, Seele und Geist zielt.

Das klingt zwar im Ansatz recht plausibel, entpuppt sich aber bei näherer Betrachtung als Mythos, der für Patienten Gefahren bergen kann. Nämlich dann, wenn beispielsweise Krebspatienten auf die „sanften“ Methoden von Dahlke setzen und den richtigen Zeitpunkt für eine erfolgversprechende schulmedizinische Behandlung verpassen.

Dass für Dahlke selbst Krebs spirituelle oder seelische Ursache haben kann, zeigt sich im folgenden Zitat: „Die nach wie vor hohe Zahl von Brustkrebserkrankungen lässt darauf schließen, dass es für viele Frauen unlösbare Probleme auf ihrem Entwicklungsweg gibt.“ Damit suggeriert Dahlke wie viele andere Naturheiler, die Patienten seien selber schuld, wenn sie erkrankten.

Gegenüber der Osnabrücker Zeitung bezeichnete Bernd Harder von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) Dahlkes Haltung als „perfide und nahezu menschenverachtend“. Seine Äußerungen seien „menschlich unbarmherzig und eiskalt“. Dahlke wies diese Zuschreibung als böswillige Unterstellung zurück.

In esoterischer Manier spricht Dahlke vom Schicksalsgesetz und Schattenprinzip, die auch bei Krankheiten eine wichtige Rolle spielen würden. Selbst bei Depressionen. Er ist überzeugt, „dass in jeder Depression ein großes Potenzial steckt: Wenn wir uns unserem Schatten stellen und die Reise ins Licht bewusst antreten, werden wir gestärkt und mit neuer Energie aus der Krise hervorgehen“.

Und in seinem Buch „Krankheit als Weg“, das er zusammen mit Thorwald Dethlefsen verfasst hat, schreibt er: „Der Hörsturz ist die Aufforderung nach innen zu horchen und der inneren Stimme zu gehorchen. Taub wird nur der, der für seine Innere Stimme schon lange taub ist“.

Zu Dahlkes fragwürdigen Therapien gehören Methoden wie die Reinkarnationstherapie, „Geistheilung“, Hildegard-Medizin und astrologische Symboltherapie. Er propagiert auch den Lichtnahrungsprozess des Mediums Jasmuheen (Ellen Greve). Die Australierin behauptet, der Prozess verändere die DNA und die Zirbeldrüse, so dass wir fähig würden, von kosmischem Licht und ohne weitere Nahrungsaufnahme leben zu können. Beim dreiwöchigen Kurs nehmen die Teilnehmer keine feste Nahrung zu sich und in der ersten Woche auch keine Flüssigkeit. Dass dieser Prozess zu einer gefährlichen Dehydrierung mit Langzeitschäden führen kann, sollte dem Arzt Dahlke bewusst sein. Ihm dürfte auch nicht entgangen sein, dass es dabei zu tödlichen Vorfällen gekommen ist.

Es überrascht deshalb auch nicht, dass Dahlke den Arzt Geerd Hamer in Schutz nimmt, der die Germanische Neue Medizin „erfunden“ hat. Diese sieht alle Ursachen von Krankheiten in ungelösten seelischen oder biologischen Konflikten. Für ihn sind Krebs-Erkrankungen „sinnvolle biologische Sonderprogramme“. Werde der Konflikt aufgelöst, setze rasch eine natürliche Heilung ein, behauptet Hamer. Obwohl verschiedene Gesundheitsbehörden viele Todesfälle von Hamer-Patienten dokumentiert haben, distanzierte sich Dahlke nicht von ihm. Auch nicht, als Hamer die Approbation entzogen und er mehrfach zu Gefängnisstrafen verurteilt worden war.

Deshalb überrascht es auch nicht, dass Dahlke verschwörungstheoretische Ansichten verbreitet. Doch der Popularität von Dahlke in esoterischen Kreisen tut auch dies keinen Abbruch.

Hugo Stamm