ECE: Ökologischer Protest gegen sinnleeres Gehopse
Nach den Themenschwerpunkten Arbeitsplätze im Einzelhandel und bei Filialisten, Immobilien, Wohnungsnot und Stadtentwicklung, Megacenter versus belebte Innenstadt stand die fünfte Kundgebung der ECE-kritischen Bürgerinitiative „Für Singen“ am letzten Mittwoch ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit in unserer globalisierten Welt.
„Das geplante ECE widerspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit“, mahnte die BI-Sprecherin Regina Henke. Es zerstöre mit seinen 80 Läden die gewachsene Struktur der Singener Innenstadt und deren mittelständischen Einzelhandel. Gerade der Mittelstand, der den Wohlstand der Stadt mitbegründet habe, erweise sich aber immer mehr als Garant für eine nachhaltige, ökonomische Entwicklung.
„Wir müssen die Welt für unsere Nachfahren erhalten“, zitierte Andreas Syré (s. Foto) von der Singener attac-Gruppe Oberbürgermeister Bernd Häusler. Gesagt hatte er dies beim „ersten Singener Klimagipfel“ Ende April. Für Syré ist es daher „ein Rätsel, wie in Singen erst ein Klimagipfel veranstaltet und kurz darauf dem ECE zugestimmt werden konnte“. Für ihn jedenfalls ein Schritt in die falsche Richtung.
Klimagipfel und ECE – wie passt das zusammen?
Zur Erinnerung: Beim „Singener Klimagipfel“ referierte der international renommierte Klimafolgenforscher Professor Stefan Rahmstorf. Auch er zeigte ein Szenario im Sinne von „was passiert, wenn nichts passiert“ – gemeint ist, wenn sich der Ressourcenverbrauch in den Industrienationen so weiterentwickle wie bisher. Die Ziele der Klimakonferenz Paris 2016 würden weit verfehlt werden und die Erderwärmung würde weiter zunehmen. Eine Veranstaltung, bei der sowohl die Entscheider der Stadtverwaltung als auch mehrere Gemeinderäte zugegen waren. Nachhaltigen Eindruck scheint sie aber bei den meisten nicht hinterlassen zu haben. Nur Hubertus Both (Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler) führte bei seiner Entscheidung gegen das ECE auch die verheerenden Folgen unseres Massenkonsums für Umwelt und Klima an.
Syré weiter: T-Shirts, produziert von Näherinnen in Bangladesh unter frühkapitalistischen Arbeitsbedingungen, Ausbeutung der fischreichen Fanggründe vor Mauretanien durch ausländische Großunternehmen für Billigfisch in Schnellrestaurants oder Abbau seltener Erden unter menschenrechtswidrigen Verhältnissen in afrikanischen Minen für unsere Smartphones … transportiert werden diese Waren auf immer noch gigantischeren Container-Schiffen – angetrieben mit Schweröl, das die Weltmeere verpestet – für die die Elbe vertieft und der Hamburger Hafen erweitert werden sollen, die Autobahnen weiter ausgebaut, Gigaliner zugelassen, neue Logistik-Zentren u.a. für Amazon riesige Flächen verbrauchen werden.
Wer hat das größte Shoppingcenter im ganzen Land?
Fakten, die umweltbewussten BürgerInnen nicht unbekannt sind. Und alles Probleme, die es auch ohne ECE schon gibt. Aber dafür Grund genug, sich einer weiteren förmlichen Explosion von Konsum und Shoppingtourismus entgegenzustellen, ebenso einem größenwahnsinnigen, giergetriebenen Handelskrieg benachbarter Städte. „Smartphone, Smartphone in der Hand, wer hat das größte Shoppingcenter im ganzen Land“- könnte es bald heißen, wenn einsichtige BürgerInnen dem nicht mit Ihrem Nein zu ECE am 17. Juli Einhalt gebieten.
Andreas Syré wünschte sich abschließend, dass bald etwas ganz Anderes geschieht: Dass der kleine Weltladen zum großen Kaufhaus fair gehandelter Waren werde, dass immer mehr Textilien künftig ökologisch hergestellt werden, dass Reparaturwerkstätten wieder selbstverständlich werden …
Und wie sehen das die Aktiven der Pro-ECE-Bürgerinitiative „Lebendiges Singen“? Mit ihrem Flashmob „Tanzen für Singen“ mitten in der Fußgängerzone lieferten sie vergangenen Samstag den besten Beweis, dass die Stadt auch ohne Konsum-Trutzburg lebendig sein kann: einem – allerdings wohl kaum nachhaltigen, sondern umwelt-unfreundlichen – Straßenkreuzer entstieg ein engagiertes Tanzpaar und bot unter lauter Musik-Beschallung eine Kostprobe seines Könnens. Anschließend nutzte eine Gruppe ECE-Unterstützer (unverkennbar mit den bunten „Ja zum Einkaufsvergnügen“-T-Shirts) Straße und freien Himmel zu weiterer sinn- und argumentfreier Bewegungstherapie fürs ECE.
Demonstrativ zur Schau gestellte Sorgenfreiheit und die Bereitschaft zur bedingungslosen Gefolgschaft für die Propagandisten des grenzenlosen Wachstums oder einfach nur Ausdruck der eigenen Genugtuung, nicht zur falschen Zeit am falschen Ort geboren worden zu sein? Einfach nur konsumverblendetes Gehopse unterm Vulkan(kegel) … Wieviel lustiger hätte die Szene wohl ausgesehen, wenn die TänzerInnen statt ihrer Smartphones jede/r einen Kühlschrank auf dem Rücken hätte tragen müssen? Soviel an Rohstoffen hat die Herstellung ihrer ständigen Begleiter nämlich tatsächlich verbraucht, wie Andreas Syré anschaulich betont hat. „Nur bunt und fröhlich – das ist für die Zukunft zu wenig“, konstatierte denn auch Regina Henke bei der Kundgebung der unverdrossenen ECE-Kritiker.
Die Aktiven der BI „Für Singen“ sind weiterhin samstags von 8 bis 12 Uhr auf dem Wochenmarkt anzutreffen und diskutieren dort mit ECE-Kritikern, Skeptikern, noch Unentschlossenen und gern auch mit (Noch-)Befürwortern.
Wer mehr von und über die Singener attac-Gruppe erfahren möchte, schaue unter www.attac-netzwerk.de/singen.
Uta Preimesser
wieso machen eigentlich die „singener“ nicht die ganze innenstadt flach und stellen auf dieser „freifläche“ dann ein riesenshopingcenter hin? dann könnten alle nördlich der alpen und südlich frankfurt/main da einkaufen. das würde noch mehr arbeitsplätze schaffen! einzig die autobahnanbindung müsste dann noch verbessert werden – min. 6-spurig bis ins parkhaus. auch das zollamt bietingen müsste um einige spuren ausgebaut werden. evtl würde sich da auch das anschaffen eines stempelautomaten lohnen, der alle ausfuhrscheine automatisch prüft und bescheinigt…….
😉
Der Euro ist jetzt, nach der „Brexit-Abstimmung“ noch günstiger und wird bald, wenn es weitere Referenden gibt, noch mehr fallen!
Noch mehr Grund zum „lädelen“ nach Konstanz oder bald auch Singen zu fahren.
Kosten entstehen nur den BürgerInnen, deren Umsätze nicht steigen und die mit ihren Steuergeldern „den Dreck des Konsums“ beseitigen müssen.
Auch die Rüstungsexporteure vom Bodensee freuts, denn ihre Exporte sind ebenfalls billiger.
Das Lago war der Anfang, Mit Realitätsverweigerung anderer Art macht jedoch auch Konstanz weiter. Den täglichen Wahnsinn aus Verkehr und Menschenmassen durch eben das innerstädtische EZ vor Augen, Warnungen von Klimaforschern und Umweltschützern zum Trotz, die natürlichen Grenzen ignorierend, werden fleißig weitere Neuansiedelungen sowie rücksichtslose Nachverdichtungen auch in der überlasteten Innenstadt geplant. 5000 weitere Wohnungen, davon nur 1/3 für den sozialen Wohnungsbau, reichen nicht, darf´s noch ein bisschen mehr sein? Die große Lüge der „nachhaltigen Stadtentwicklung“ hat schon jetzt üble Folgen für Klima, Umwelt, Natur und Mensch. Anstatt frischer Seebrise atmen wir Feinstaub und Stickstoffdioxid, gemessen wird nach wie vor nicht da, wo´s wehtun könnte. Das tägliche Verkehrschaos eine Folge der Vermarktung und Kommerzialisierung unserer Innenstadt. Die „Krönung“ des Irrsinns, abgesegnet durch ein passendes auswärtiges Gutachten, wird die bereits abgenickte Bebauung des Döbele mit bis zu 400 Wohneinheiten, die Umleitung des Grenzbachs, die Verlegung der Grenzbachstraße in Verbindung mit dem zum schon jetzt zum Scheitern verurteilten C-Konzept. Verkauft wird dies als „Lösung“ des Verkehrsproblems und gebaut wird selbstverständlich klimafreundlich! Zukunftsstadt Konstanz? Da haben die Damen und Herren von SV und GR wohl nicht zugehört! Wenn noch Herz und Hirn vorhanden wären bei den Verantwortlichen, die nicht nur unsere Gegenwart sondern die Zukunft kommender Generationen blind und planlos riskieren, könnte man an den gesunden Menschenverstand appellieren. So sind wohl wieder einmal die Bürger gefordert.
Der Artikel gefällt mir gut, schaut er doch über den Tellerrand des direkt sichtbaren Wahnsinns ein wenig hinaus. Über die Bedeutung des ECE für den Singener Einzelhandel, die Bewohnbarkeit der Stadt, die steuerlichen Luftblasen, die Rückgratlosigkeit und kindische Verliebtheit der politischen Entscheidungsträger in den sogenannten Fortschritt usw. wurde ja bereits recht gut und ausführlich berichtet. Sicher hat man noch nicht alle denkenden Menschen erreicht, aber es dürften inzwischen viele erfahren haben, dass es sinnvolle Alternativen zum schöngerechneten Konsumgeballer gibt, in dessen Ergebnis etliche Beteiligte mit abgesägtem Hemd vor leeren Kassen stehen werden.
Dieser Beitrag zeigt meiner Meinung nach den ökologischen und politischen Kontext auf, in dem dieses einfältige Projekt steht, das nicht nur für Singen sondern weltweit massive Auswirkungen hat.
Wenn man dieses kritiklose Werben für den totalen Konsum anschaut, fragt man sich, ob hier der Hofstaat der „Shopping Queen“ die Dramaturgie der Kommunalpolitik an sich gerissen hat. Die Spass- und Beautygesellschaft, die für uns rund um die Uhr von der Werbung inszeniert wird, ist nicht nur schädlich für Menschen und Umwelt, sie ist auch vor Allem eines: Eine Fälschung!
Sie ist so bedrückend wie es die Faxen eines Clowns sind, der weiß, dass er bald einer schweren Krankheit erliegen wird.
Ich hoffe, genügend Menschen mit Herz und Verstand schieben dieses Monstrum per Abstimmung vom Tisch.