Ein Begegnungsobszönchen – Provisorium als Mogelpackung

Gegen Ende eines Jahres blickt man gerne mal zurück und lässt so manches Revue passieren. Was erklärte beispielsweise vor einigen Monaten der Betreiber des Lago-Parkhauses? Richtig, wenn man seinem Unternehmen die Erweiterung der Blechaufbewahrungsstätte genehmige, dann dürfe die Stadt mit einer „hohen sechsstelligen Summe“ für die „verkehrsberuhigte Begegnungszone“ am Bahnhof rechnen.

Wunderbar, dachten sich da viele StadträtInnen, wenn die Euronen derart mächtig anrollen, dann stimmen wir halt zu. Mit einer Stimme Mehrheit, und die kam vom einst grünen Oberbürgermeister, wurde die Erweiterung abgesegnet und allseits hoffte man auf fette Kohle und rosige Zeiten.

Ratshirne rechneten schon kurz nach der Abstimmung fieberhaft hoch: Liegt ein sechsstelliger Betrag nach Adam Zwerg nicht irgendwo zwischen mindestens 100 000 und maximal 999 000 Euro? Ein hoher, da glühten die Wangen der Hoffenden in seliger Erwartung, könnte also durchaus etwa in der Mitte liegen. „Da sind 400 000 Euro für uns drin“, orakelte damals ein Ratsherr aus der konservativen Abteilung. Heute wissen wir, der großzügige Spender schiebt gerade mal 137 000 Euro aus seiner Kriegskasse rüber und die Stadt legt nochmal 40 000 drauf, damit der Platz vor dem Bahnhof zum Stelldichein all derer werde, die sich schon lange nicht mehr gesehen haben und sich endlich mal wieder begegnen möchten. Tja, dumm gelaufen.

Das vorläufige Fazit darf also durchaus folgendermaßen formuliert werden: Man lässt sich von einem Parkhausbetreiber über den Tisch ziehen, genehmigt ihm den Ausbau, lockt damit noch mehr Verkehr in die Stadt und träumt in naiver Verzückung davon, dass sich im Gegenzug ein Füllhorn öffnet, das fortan alle verbiesterten Kritikaster zum Schweigen bringt. Nun aber gibt es eben lediglich ein billiges Provisorium. So geht es halt, wenn man sich von abgezockten Investoren in die Tasche stecken lässt.

Was jetzt tun, um den Gesichtsverlust halbwegs zu kaschieren? Den so Gelackmeierten bleibt kaum etwas anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und alles dafür in Bewegung zu setzen, um den BürgerInnen das skelettierte Begegnungsobszönchen als verkehrspolitischen Durchbruch zu verkaufen. Erst neulich wieder kam das Thema im Technischen- und Umweltausschuss auf die Tagesordnung und da merkte man schnell, wie nachhaltig der ranzige Deal so manch` Gemüt in Wallung bringen kann.

Vor allem bei der FGL kochte der Ökokessel. Nein, posaunte Peter Müller-Neff ungefragt in den Saal: „Wir sind nicht käuflich“. Und sprach sich anschließend für die Begegnungszone aus. Das wiederum brachte seinen Fraktionskollegen Günter Beyer-Köhler in Rage. Sein Kollege, so Beyer-Köhler erbost, „zerreisst damit das grüne Erscheinungsbild“. Was er damit meinte, blieb nebulös, denn auch FGL-Rat Roland Wallisch fand Gefallen an der provisorischen Lösung. Anne Mühlhäußer wiederum war dagegen. Gift und Galle waberten in der grünen Kombo hin und her. Der Graben, der sich seit der KKH-Debatte durch die grünen Reihen gefressen hat, ist wohl kaum mehr zuzuschütten.

Neuerdings vollzieht Müller-Neff, früher Stadtrat bei der CDU, waghalsige Wendemanöver. Früher galt er als überzeugter Katamarangegner. Kaum aber hatte er Platz im Aufsichtsrat genommen, gab er den Wendehals und preist seitdem das schlingernde Eurograb als akzeptable Städteverbindung. Das zunehmend völlig unterschiedliche Abstimmungsverhalten der FGL vor allem in ihren Kernfragen wurde bislang nach außen als Ausdruck einer lebendigen Diskussionskultur verkauft. Doch lange kann und wird das nicht mehr gut gehen. Die Kapriolen und internen Machtspielchen von Jacobs-Krahnen kommen erschwerend hinzu und belasten die größte Fraktion im Rat zusätzlich. „Die Schmerzgrenze“, so eine altgediente Grüne aus der zweiten Reihe, „ist erreicht“.

Die vollmundig angekündigte „verkehrsberuhigte Begegnungszone“, innerhalb derer nur noch Tempo 20 erlaubt sein soll, ist nichts anderes als eine Mogelpackung. Jürgen Ruff (SPD), ausgewiesener Verkehrsexperte seiner Fraktion, nennt sie trocken ein „Übungsobjekt“, dem er rein gar nichts abgewinnen kann. Umgebaut werden soll das Zönchen ab Anfang April 2012, mit der Fertigstellung rechnet man bis Mitte Juni. Mehr Zeit braucht es auch nicht: Ein Pflanzenkübel hier, ein Bäumchen dort, dazu ein paar zusätzliche Querungsmöglichkeiten und fertig ist der neue Schildbürgerstreich der größten Stadt am See.

Autor: H.Reile