„Ein kleiner Schritt gegen die Wohnraumnot“

Der Vorsitzende des Mieterbunds, der Konstanzer SPD-Stadtrat Herbert Weber, wirbt für ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum. Bis 2006 musste in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt eine Nutzungsänderung von Wohnungen genehmigt werden. Die grün-rote Landesregierung will den Städten dieses Instrument wieder in die Hand geben. Darüber sprach seemoz mit Herbert Weber. Fazit: „Ein erster Schritt“

Mit der Änderung des Grundgesetzes vom 1.9.2006 haben nunmehr die Länder die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Zweckentfremdungsrechts. Das heißt: Die Landesregierung kann aktiv werden. Aber will sie das auch, Herr Weber?

Das steht so im Koalitionsvertrag. Und es sollte mich doch sehr wundern, wenn diese Vereinbarung nicht umgesetzt würde. Zumal sie der Landesregierung ja kein Geld kostet. Es muss nur genügend Druck von unten, aus den Kommunen also, aufgebaut werden…

…was der Konstanzer Gemeinderat ja getan hat

Richtig. In einer sehr knappen Entscheidung hat der Gemeinderat auf meine Initiative hin beschlossen: Die Wohnraumnot – und das meint nicht nur Studentenbuden, sondern auch bezahlbaren Wohnraum für junge Familien – in unserer Stadt ist so groß, dass wir vor Ort die Möglichkeit haben müssen, ein Zweckentfremdungsverbot  durchzusetzen. Doch dafür braucht es zunächst ein Landesgesetz. Und da  müssen wir aktiv werden. Oberbürgermeister Ulrich Burchardt setzte diesen Beschluss durch ein Schreiben an den Ministerpräsidenten bereits um; auch der Singener SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Peter Storz, der Mitglied im zuständigen Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft ist, wird aktiv

Herbert Weber (s.Foto) ist seit 1975 Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Bodensee e.V. Er war von 1999 bis 2007 Mitglied des Präsidiums des Deutschen Mieterbunds und stand von 1998 bis 2004 an der Spitze des Mieterbunds Baden-Württemberg. Der Konstanzer SPD-Stadtrat ist Mitglied im Aufsichtsrat der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK. Dem Vorstand des Deutschen Mieterbunds Bodensee e.V. gehören außerdem Hans Günter Heider, Johannes Spinner, Sonja Hotz, Hiltrut Bennen, Dr. Gerald Mende und Cornelia Metzger an.

Von diesem Kompetenztitel haben inzwischen verschiedene Bundesländer Gebrauch gemacht. Seit 1.7.2008 gibt es in Bayern ein Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, wonach Gemeinden mit Wohnraummangel die Möglichkeit erhalten, für ihr Gebiet durch Erlass einer eigenen Satzung das Verbot der Zweckentfremdung festzulegen. Ein Modell auch für Baden-Württemberg?

Durchaus. Aber ich weiß auch, dass Ordnungsmaßnahmen wie ein Zweckentfremdungsverbot nicht in jedem Fall verhindern können, dass Wohnungen vom Markt verschwinden. Doch der Vermieter kann gezwungen werden, für Ersatzwohnraum zu sorgen. Oder Geld für Sanierungen bereit zu stellen. Auch eine Bestimmung, wonach Mietwohnungen in den ersten zehn Jahren nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen, ist denkbar. In jedem Fall dürften dann Wohnungen ohne Genehmigung der Wohnungsbehörde nicht zu anderen als zu Wohnzwecken verwendet werden. Und bei Verstößen drohten Geldbußen in doch beträchtlicher Höhe.

Kein Wunder, dass sich der hiesige Grundeigentümerverband gegen eine solche Initiative sperrt

Das wundert mich tatsächlich nicht. Denn die Eigentümer verstehen das als Eingriff in ihr Privatvermögen. Doch wenn die Wohnraumnot so groß wie in Konstanz ist, sind auch solche Eingriffe unerlässlich.

Gilt das auch für Eigentümer, die Wohnungen leer stehen lassen? seemoz hatte erst vor kurzem von einem solchen Fall berichtet.

Ich habe schon früher solche Fälle zur Anzeige gebracht – ich erinnere nur an eine Situation in der Theodor-Heuss-Straße – und werde das auch weiterhin tun. Doch wir müssen sehen: Alles das ist, selbst wenn es konsequent umgesetzt wird – und dazu braucht es eben auch wache Leute in der Stadtverwaltung – nur ein erster, kleiner Schritt zur Behebung der Wohnraumnot gerade in Universitätsstädten wie Konstanz.

Was also sollte zusätzlich geschehen?

Da ist ein Umdenken in der Verwaltung nötig. In der Bebaungsplänen sollte mehr und öfter Wohnraum ausgewiesen werden. Dann hätten Wobak und Bauvereine die Möglichkeit, mithilfe günstiger Kredite für mehr und bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Und auch im Gemeinderat muss diese Erkenntnis wachsen, dass nur so die Versorgung mit ausreichendem Wohnraum zu sichern ist.

Zurück zur Zweckentfremdung. Ein typischer Fall liegt vor, wenn bisher als Wohnraum genutzte Räume neuerdings zu Geschäftszwecken (Bürogebäude, Ladengeschäft) verwendet werden. Bei der Menge von leer stehenden Gewerbeflächen in Konstanz eigentlich kein Problem…

…aber mit Gewerbeflächen lässt sich immer noch mehr Geld verdienen. Und genau deshalb bedarf es gesetzlicher Möglichkeiten, um da gegensteuern zu können. Denn der Markt reguliert eben das nicht.

Autor: hpk

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