Ein Mahnmal auf Rangiergleis Nr. 10
Es ist der Höhepunkt der an sich schon sehenswerten Ausstellung „Das jüdische Konstanz“, die noch bis zum 30. 12. im Konstanzer Kulturzentrum gezeigt wird: Vom 20. Oktober bis 1. November werden zwei Reichsbahn-Waggons, mit denen vor 75 Jahren 112 Jüdinnen und Juden aus Konstanz nach Gurs deportiert wurden, zum Mahnmal am Bahnhof. Am Jahrestag der Vertreibung, am 22. Oktober, finden zudem verschiedene Gedenkfeiern statt.
„Die Wagen erinnern auch daran, dass nicht-jüdische Nachbarn zustimmend, überwiegend schweigend und nur vereinzelt missbilligend zusahen, wie ihre Mitbürger fortgeschafft wurden. An der anschließenden öffentlichen Versteigerung des Eigentums der Deportierten beteiligten sich breite Bevölkerungskreise.“ So formuliert es Tobias Engelsing in dem soeben erschienenen Begleit-Flyer zu der Ausstellung am Bahnhof. Und der Direktor der Konstanzer Museen erinnert überdies daran, dass die Deutsche Bahn auch an diesem Transport ganz trefflich verdient hat. Denn es sollte nicht der letzte bleiben.
112 Menschen wurden am 22. Oktober 1940 zum Bahnhof Petershausen getrieben, um dort in eben diesen Waggons in das am Fuße der Pyrenäen gelegene Lager Gurs deportiert zu werden. Insgesamt wurden an diesem Tag 6504 Juden aus Baden, dem Saarland und der Pfalz innerhalb weniger Stunden aus ihren Häusern geholt und abtransportiert.
In dem schlammigen, aus kaum beheizbaren Holzbaracken bestehenden Lager starben viele der Deportierten an Mangelkrankheiten und an Unterernährung. Nur wenigen gelang es, sich durch noch rechtzeitig eingegangene Visa oder durch Freikauf aus dem Lager zu befreien und zu emigrieren. Die meisten jedoch wurden im Sommer 1942 in die Vernichtungslager Auschwitz, Majdanek und Treblinka weiter deportiert und dort ermordet.
Die Wagen aus dem DB-Museum in Koblenz nach Konstanz zu holen, ist ein aufwändiges und teures Unternehmen. Mit mindestens 30 000 Euro Gesamtkosten rechnet Engelsing, zumal zusätzliche Transport-Probleme aufgetreten sind und weitere Kosten für die Bewachung anfallen. Womöglich, so der Museumschef, muss deshalb das Rosgartenmuseum die vom Gemeinderat garantierte Defizitbürgschaft in Anspruch nehmen. Ansonsten aber wird die Präsentation auf Rangiergleis 10 unterhalb der Lagobrücke zu Zweidritteln aus privaten Spenden Konstanzer BürgerInnen finanziert.
hpk
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