Ein Prosit auf den ‚Südkurier‘. Oder eher nicht?
Eine illustre Schar handverlesener Gäste wird heute, am Montag, im Konstanzer Konzil den ‚Südkurier‘ hochleben lassen. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung verleiht den Deutschen Lokaljournalistenpreis 2011 an das Heimatblatt. Viel Eigenlob und manche Hymne wird’s geben und verdienten Applaus. Sowie Sonderseiten in der Dienstag-Ausgabe. Dennoch: Es lohnt sich, genau hinzuschauen, was denn prämiert – und was unterschlagen – wird. Aber dafür ist ja seemoz da.
Zuerst: Der Preis wird nicht verliehen für besonders gelungene Schreibe oder gar investigativen Lokal-Journalismus (den bekommt das ‚Hamburger Abendblatt‘); auch die hiesige Berichterstattung zur Kommunalpolitik scheint nicht preiswürdig (diesen Preis bekommt die ‚Badische Zeitung‘); selbst der Lokalsport scheint anderswo attraktiver (Preisträger: ‚Westfälische Rundschau‘). Nein, der ‚Südkurier‘ erhält die Auszeichnung einzig für sein Relaunch-Konzept.
Die Neuerung kam von einer externen Agentur
Das meint die 2010 realisierte Neugestaltung: Kleineres Format, durchgängige Farbigkeit – kostengünstige Folgeabsicht nach der Umstellung auf moderne Rotationsdruckmaschinen, in die der Verlag nach eigenen Angaben 30 Millionen Euro investiert hat. Vor allem aber preiswürdig: Die tatsächlich gelungene Öffnung der prominenten Seiten 2 und 3 für Hintergrundberichte, „um die großen Themen der Zeit auf die Region herunterzubrechen“, so die Lauidatio. Doch für die Umsetzung dieser Neuerung heuerte das ‚Südkurier‘-Medienhaus eigens eine externe Agentur an. Was also wird prämiert und wer für was ausgezeichnet?
Preiswürdige Redakteure?
Ausgezeichnet wird sicher nicht Geschäftsführer Rainer Wiesner für seine arbeitnehmerfeindliche Politik: Seit fast einem Jahr verweigert er den ‚Südkurier‘-Beschäftigten einen Haustarifvertrag, nachdem das Unternehmen ‚Südkurier‘ aus dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag geflohen war. Tagelange, bislang ergebnislose Streiks waren die Folge. Die seitdem betriebene Hatz auf Einzelarbeitsverträge mit Einkommensverlust vergiftet das Betriebsklima seit Monaten.
Ausgezeichnet wird sicher auch nicht Chefredakteur Stefan Lutz, der seine Sekretärin feuerte, weil sie mit den Streikenden sympathisierte. Die langjährige Mitarbeiterin ist derzeit „freigestellt“ und erwartet ab Jahresende eine Abfindung, die ihr die 15 Jahre bis zur ordentlichen Pensionierung versüßen soll. Aber womöglich sind es solche „außergewöhnlichen Kosten“, die zur jüngsten Preiserhöhung für Abonnement-Leser beitrugen. So vergrault die Leidzeitung ihre letzten, noch treuen Leser.
Wie der Boulevard die Oberhand gewinnt
Ausgezeichnet wird sicher auch nicht der Konstanzer Lokalchef Jörg-Peter Rau, der für die Boulevardisierung des Heimatblattes steht. Sein Boulevard funktioniert so: Montags wird ein Gerücht veröffentlicht, dienstags der Betroffene gescholten, dass er sich zu der Spinnerei nicht äußern mag, mittwochs füllt das Dementi der eigenen Falschmeldung die Zeitungsseiten – drei Tage die Spalten gefüllt. Mit nichts. So geschehen mit der Meldung, OB Frank würde aus Konstanz nach Stuttgart gehen, um dort Regierungspräsident zu werden. Auch die letzte Aufreger-Meldung folgt diesem Schema: Der Bund plane keine Mittel für den Ausbau der Gäubahn – MdL Lehmann und OB Frank empörten sich medienwirksam. Doch Jörg-Peter Rau (wie auch andere Medien) war offensichtlich einer Falschmeldung aufgesessen, wie das fundierte Dementi sämtlicher Experten – von Ramsauer (CSU) über MdB Jung (CDU) bis MdL Storz (SPD) – erweist. Eine Nachfrage der verantwortlichen Radakteure wäre wohl hilfreich gewesen, eine Richtigstellung allemal.
Dass Lokalchef Rau zudem für die Unterschlagung zahlreicher, kritischer Leserbriefe (allein drei solcher Kommentare hat seemoz in den letzten Monaten veröffentlicht) verantwortlich ist, sei nur am Rande erwähnt. Auch das nicht wirklich preiswürdig in einer demokratischen Presselandschaft.
Dennoch: Ein Prosit auf den ‚Südkurier‘. Für seine stockkonservative Politikberichterstattung, für seine unverbesserlich neoliberale Wirtschaftsberichterstattung, für seine Boulevardisierung, für seine Arbeitnehmer-Schikane. Wahrlich preiswürdig, findet die Konrad-Adenauer-Stiftung.
Autor: hpk
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