Ein Provisorium geht ins 30. Jahr
Die unendliche Geschichte des Palmenhauses auf der Insel Mainau ist auch eine Geschichte einer unendlichen Parlamentarier-Verarschung. Seit 1998 wird der Glasbau als Provisorium betrieben, das nur vorübergehend zum Schutz exotischer Pflanzen genutzt und alsbald wieder abgebaut werden sollte. Stattdessen stimmte der Konstanzer Gemeinderat seitdem viermal einer Verlängerung dieser kuriosen Konstruktion zu. Der Verdacht drängt sich auf, dass nie an einen Abbau gedacht war.
Denn seit nunmehr 18 Jahren dient das Palmenhaus mitnichten nur dem Schutz tropischer Pflanzen während der rauen Winterzeit, sondern ganzjährig auch vielfältigen gastronomischen Angeboten: Da wird getafelt und geschlemmt, gefeiert und getanzt, gehochzeitet und viel Geld in die gräflichen Kassen gespült. An die Story von einer Übergangslösung glaubt wohl selbst der naivste Gemeinderat nicht mehr – von Anfang an hatte die Grafen-GmbH vermutlich eine dauerhafte Nutzung im Sinn.
„Das ist unbezahlbar“
Nun soll der Konstanzer Gemeinderat am 27. Oktober einer neuerlichen Verlängerung dieses Provisoriums bis 2028 zustimmen – der willfährige Ortschaftsrat Litzelstetten, in letzter Zeit durch allerlei investorenfreundliche Stellungnahmen aufgefallen, hat bereits einstimmig ja gesagt (Jürgen Puchta, SPD, verwies auf die Bedeutung der Insel Mainau als Arbeitgeber und Werbeträger: „Das ist unbezahlbar“), und der Konstanzer Technische und Umweltausschuss winkte auf seiner Sitzung letzte Woche das Ansinnen auch mehrheitlich durch – kritische Stimmen gab es nur aus Reihen der FGL und von der LLK sowie eine von den Freien Wählern.
Bettina Gräfin Bernadotte, Geschäftsführerin der Mainau GmbH, ist seit Wochen auf Werbetour. Sie verspricht zum tausenden Mal für die Zeit nach 2028 „eine Lösung, die alle zufrieden stellen soll“. Vornehmlich meint sie damit offenkundig die eigene Familie, bei der ein Abbau des Palmenhauses mit 500 000 Euro ins Kontor schlagen würde. Und unumwunden gibt sie gleichzeitig zu, dass der Termin 2028 mit Bedacht gewählt wurde: „Dann ist das Projekt buchhalterisch abgeschrieben.“.
Vom Privatisierungsvirus befallen
Ein klassischer Fall von Volksverdummung also: Ein nie auf Dauer genehmigter Bau wird ein ums andere Mal geduldet und, wider besseres Wissen, immer wieder gebilligt nach dem Motto: Was scheren uns Gesetze und Bebauungspläne, wenn es nur dem Tourismus (und dem Einkommen der Grafen-Familie) dient. Da muss man als StadträtIn schon nachhaltig vom Privatisierungsvirus befallen sein, um solcher Beutelschneiderei nachzugeben.
Für alle, die sich solches Kriechertum anschauen wollen: Mitzuerleben ist das leider alles am Donnerstag, 27. Oktober, ab 16 Uhr im Ratssaal zu Konstanz, TOP 2.14 (der wohl eher nach 18 Uhr aufgerufen werden dürfte).
hpk (Foto: mainau.de)
Man kann sich ja auf der Insel durchaus ein „Schau-Gewächshaus“ für exotische Pflanzen vorstellen. Nur muss eine solche Zusatzeinrichtung nicht gleich an den Schlossbau gekoppelt sein. Die jetzige Konstruktion und die Örtlichkeit war deswegen gewählt worden, um einen direkten Zugang zum Gebäude zu bekommen. Dies ermöglichte von Anfang an Aktionen, welche über den Rahmen eines nur „Schau-Gewächshauses“ hinaus gingen. Dass diese Einrichtung vor der Sommersaison jeweils entfernt, im Herbst dann wieder zusammengeschraubt würde: daran war schon aus wirtschaftlichen Überlegungen kaum zu glauben. Insgesamt hat sich das Ganze sowohl „pflanzenmässig“, als auch „eventmässig“ als ein eher „zweifelhaftes Ding“ heraus gestellt. Aus raumästhetischer Sicht sowieso. Ob der Schloss-Glasanbau bereits wirtschaftlich aufgegangen ist, oder erst 2028 aufgeht, ist eine privatwirtschaftliche Angelegenheit. Ein Ratsgremium sollte Privatwirtschaftliches grundsätzlich nicht an seine Entscheidungen koppeln.