Ein schmerzvoller Rücktritt im Stadtseniorenrat
Dorothée Schmidt legt mit sofortiger Wirkung ihr Amt als Vorsitzende des Konstanzer Seniorenrates nieder. Das teilte sie gestern in einem Brief an OB Burchardt mit. Im Gespräch mit seemoz begründete sie diese überraschende Entscheidung: „Es wird nicht realisiert, dass der Stadtseniorenrat die gewählte Vertretung von einem Viertel der Konstanzer Bevölkerung ist. Die Interessen der Alten in dieser Stadt kommen in der Stadtspitze nicht an“.
Der letzte Tropfen, der ihr Fass zum Überlaufen brachte, so Schmidt in ihrem Brief, sei die selbstherrliche Entscheidung aus der Stadtverwaltung gewesen, die WLAN-Verbindung für den Stadtseniorenrat zu kappen, ohne den Vorstand vorab zu informieren. Gegenüber seemoz legt Schmidt noch nach: „So wird der Stadtseniorenrat zu einer Spielwiese für Alte ohne Rechte“.
Die 72jährige Dorothée Schmidt will ihren Rücktritt, von dem ihre VorstandskollegInnen (s. Foto) erst im Nachhinein erfuhren, durchaus als Signal verstanden wissen: „Wir fühlen uns im Stich gelassen – die Kommunikationsprobleme, vornehmlich mit Bürgermeister Osner, werden nicht geringer. Es wird Zeit, uns Alte, immerhin 20 Prozent der Stadtbevölkerung, ernster zu nehmen.“
Zwei aktuelle Beispiele führt Schmidt an: Mehr als vier Jahre wartet die Alten-Vertretung auf eine Beteiligung im Spitalausschuss: „Das spricht für sich. Wir bekommen einfach keine Antwort. Nicht einmal im Friedhofsausschuss lässt man uns mitreden“ Oder: Schon vor Monaten sei angeregt worden, neue Haltegriffe im Thermalbad anzubringen, weil ältere Gäste sich nicht mehr sicher fühlten – geschehen sei nichts.
Dorothée Schmidt will „nicht mehr in den Papierkorb arbeiten“. Ihr Engagement sei in der Allmannsdorfer Flüchtlingshilfe besser aufgehoben, meint die Seniorin nach siebenjähriger Verantwortung im Stadtseniorenrat. Und nicht nur dort wird ihr Rückzug als schmerzlicher Verlust verstanden – seine Signalwirkung sollte dieser Schritt dennoch nicht verfehlen.
hpk (das Foto zeigt den Stadtseniorenrat mit Bürgermeister Dr. Osner; rechts Dorothée Schmidt)
Ein Stadtseniorenrat wäre an und für sich schon ein richtiges Gremium. Was nicht richtig ist, ist dass es zu einem Feigenblatt verkommt, nach dem Motto, wir haben ja einen Seniotrenrat das ist doch toll. Dass dann nicht im ausreichendem Maße zugehört wird und deren Arbeit öfter ins Leere läuft, weil man sich nicht ernsthaft befasst, nicht wirklich zuhört, das ist dann fragwürdig.
Ich finde dieses Gremium, und auch dass gewählt wird, gut, aber hier ist die Politik wirklich gefragt deren Arbeit und Anregungen deutlich mehr und ernsthaft in die städtischen Entscheidungen zu integrieren.
Man muß das Rad nicht neu erfinden, aber man kann optimieren, da ist in Konstanz noch viel Luft nach oben.
@Ralph: Ich glaube es besteht keine Gefahr, dass ich ehrenamtliches Engagement nicht anerkenne, ganz im Gegenteil. Ich finde aber schon, dass man sich ab und zu dann schon auch selbst hinterfragen sollte, ob die bestehnde Struktur denn das richtige ist. Und ich bin keineswegs dafür, dass die Leute im Stadtseniorenrat aufgeben und zu Hause bleiben sollen – Aber ob es eben dieses Gremium sein sollte, das finde ich kann man durchaus überdenken (und da ich den Artikel im Südkurier erst danach las noch die Ergänzung: Das hat ja Frau Schmidt auch selber angeregt). Was ich nicht verstehe ist, warum dies eben so ein gewähltes politisches Gremium ist. Warum kein Verein oder eine freie Initiative, wo eben jeder mitmachen kann?
Und allein so eine Wahl für 20.000 BürgerInnen zu organisieren kostet nun mal Geld – im alten Seemoz-Artikel standen 10.000€ Kosten.Wenn dann das jährliche Budget bis vor kurzem 1.000€ und nun 5.000€ waren, dann steht dies irgendwie kaum im Verhältnis.
Und gerade im Sinne einer Neiddebatte stelle ich dieses Gremium in Frage, denn wollen wir wirklich für jede Bevölkerungsgruppe ein eigenständiges gewähltes Gremium? Ich wäre im Übrigen auch gegen ein gewähltes Gremium für Menschen meines Alters. Deshalb sage ich aber auch nicht, dass diese das Ehrenamt gleich lassen sollen. Aber Aufgabe der Politik sollte es schon sein, bestehende Strukturen zu überprüfen und wenn diese sei Jahrzehnten (und dies scheint mein Eindruck aus alten Seemoz und SK Artikeln zu sein) nicht oder nur wenig funktionieren, finde ich die Frage völlig berechtigt ob man so eine Struktur nicht überdenken und ggf. anders gestalten sollte.
Danke Ralph J. Schiel. Sie sprechen mir aus der Seele. Trotzdem überrascht mich der Rücktritt. Tatsache ist, dass die Möglichkeiten der Engagierten im Stadtseniorenrat immer noch gering sind. Was zu bedauern ist, da viele Gruppen in der Stadt von diesem Engagement profitieren können. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass sich die Situation langsam zumindest etwas verbessert, vor allem seit Herr Werner nicht mehr da ist. Ich kann nur hoffen, dass die anderen Mitglieder weiter kämpfen und die nötige Unterstützung finden.
Zu Dirk Kirsten. Nicht nur unsere Stadt, die ganze Gesellschaft, profitiert vom ehrenamtlichen Engagement auf allen Ebenen. Unter den Ehrenamtlichen die in Bereichen Soziales, Umwelt und Kultur in Vereinen, Bürgerinitiativen, Gemeinschaften und Ehrenamtgruppen tatkräftig Hand anlegen, ist die Gruppe Ü60 überproportional vertreten. Es steht allen Alters- und Gesellschaftsgruppen frei sich ihren Möglichkeiten entsprechend zu engagieren. Es wäre sehr zu wünschen, wenn sich die Jugend engagiert und politisch wie praktisch noch mehr einbringt. Ich denke, viele Ältere wären sehr froh darüber. An allen Ecken fehlt Nachwuchs, der bereit ist sich über einen Event oder ein kurzes unverbindliches Projekt hinaus, bereit wäre zu engagieren.
@Dirk:
Als Ergänzung zu der doch im wahrsten Sinne des Wortes sehr in Frage stellenden Frage „Was soll diese Gremium?“:
Wie wäre es mit einer übergreifender Anerkennung der Tätigkeit einer engagierten Gruppe? Wie auch bei vielen anderne Gruppen ist es auch hier wahrlich nicht so, dass nur „die Alten“ scheinbar von den Ergebnissen „profitieren“. Wenn z.B. ein Münsterplatz wieder in so einen Zustand versetzt wird, dass nicht nur ältere Menschen besser laufen können, dann hilft das so ganz nebenbei auch Leuten mit Geh- und Fahrhilfen, KinderwagenschubserInnen usw. Also dem Gemeinwohl. Das schöne dran ist, dass – egal wer sich in welchem Gremium für was einsetzt – immer auch automatisch andere davon was haben. Oft ganz unbewusst.
Eine Ergänzung eines Seniorenbeauftragten ist sicherlich vorstellbar, aber kann, wie auch die Beispiele vieler anderer personifizierten Stellvertreter zeigen, nie ausreichen, um die mannigfachen Belange der einzelnen Anspruchsgruppen gerecht zu werden. Da braucht es immer eine Reihe von komplementären Gruppen und Initiativen.
Auch ich wünsche mir einen demografisch durchmischteren Gemeinderat. Frage ist nur, woher kommt die Friedhofsverblondung dieser Kombo? Sicherlich nicht weil sich zu viele Jungspunte aufstellen lassen oder gar 90 % der Studenten von Ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Schön wär’s.
Ansonsten laufen alle Beteiligten Gefahr, dass da ein Schubladendenken gefestigt wird. „Die Alten, Die Jungen, Die Familien, Die Geflüchteten, die Studenten, etc. etc. werden ja laufend nur bevorzugt.“
Keine Neiddebatte brauchen wir, sondern eine gönnende, mitmenschliche Würdigung und gegenseitige Unterstützung von Engagement und Ehrenamt.
Meine Kenntnisse über den Stadtseniorenrat sind gering, daher wollte ich mich durch kurzes googlen gerne schlau machen: Als Resultat muss ich aber sagen, dass die Artikel unter https://archiv.seemoz.de/lokal_regional/stadtseniorenrat-eine-wahl-als-farce/ und http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Stadtseniorenrat-Vorwuerfe-an-Vorsitzenden-Klaus-Oettinger;art372448,4221384 eher den Eindruck erwecken, dass sich da ja seit 2010 wenig geändert hat. Und wenn diese Mängel scheinbar so systematisch sind, finde ich es schon ein wenig seltsam, wenn Frau Schmidt ihren Rücktritt explizit auf BM Osner bezieht. Solcherlei Probleme scheint es ja auch davor schon zuhauf gegeben zu haben.
Das stellt sich einfach ganz generell die Frage: Was soll dieses Gremium? Offenbar nimmt es seit vielen Jahren schon niemand so richtig ernst und erreicht wird auch nicht viel. Auch demokratisch finde ich es äußerst fragwürdig. Warum hat ausgerechnet diese Altersgruppe nochmal ein besonderes Gremium, was Junge und Mittelalte nicht haben? Und als ob ausgerechnet die Alten in dieser Stadt keine Stimme hätten: Wenn man sich die Besetzung des Gemeinderats anschaut, sind da ja nun auch einige Senioren vertreten. Wer dort nicht oder wenig vertreten ist, sind doch vielmehr die Jungen und Studierenden (die in unserer Stadt ja eine sehr große Bevölkerungsgruppe stellen) oder auch junge Familien.
Vielleicht wäre eine Lösung mit einem Seniorenbeauftragten analog zum Behindertenbeauftragten deutlich sinnvoller, demokratischer und effizienter.