Ein Sklavenhändler mit Filiale am Bodensee (II)
Johann Bernhard Friedrich Romberg (1729-1819) war ein international tätiger Kaufmann, der die Globalisierung seiner Zeit für sich zu nutzen wusste. Er war auch im Sklavenhandel tätig und hatte einen engeren Bezug zum Bodensee: Zeitweise war er Bürger von Lindau, das verkehrsgünstig im System europäischer Handelswege lag. Wer war dieser damals bedeutende Mann, was bezweckte und bewirkte er? Hier der zweite Teil unseres dreiteiligen Porträts.
Teil 2/3
Just in diesen Jahren, als Sklavenhändler Friedrich Romberg oft monatelang seine Geschäfte von Lindau aus betrieb, veröffentlichte das neue wöchentlich erscheinende „Reichsstadt Lindauische Intelligenz-Blatt“ ab dem 28. September 1782 einen fünfzehnteiligen Leitartikel über und gegen den Sklavenhandel sowie das Sklavenhaltersystem insgesamt. Offensichtlich stand der hiesige Zeitungsverleger, Carl Gottwald Benjamin Fritzsch, in der Tradition des sozialkritischen Flügels der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Diese neue Lindauer Wochenzeitung wurde seit 6. Juli 1782 von eben diesem Lindauer „Beisassen“ und Buchhändler Carl Gottwalt Benjamin Fritzsch herausgegeben. Als Beisasse hatte er innerhalb der Reichsstadt zwar nur eingeschränkte Bürgerrechte verliehen bekommen, im April 1782 aber trotzdem vom „Geheimen Rat“ der Stadt Lindau die Lizenz für die Herausgabe dieser Zeitung erhalten.14 Zusammen mit seiner Familie war er von außerhalb Lindaus zugezogen und wurde von 1782 bis 1791 in der Rubrik „Gäste“ des städtischen Steuerbuches jährlich mit 12 Gulden Steuern belastet.15
Es gab auch Gegner der Sklaverei
In besagtem Leitartikel in 15 Fortsetzungen „Nachrichten von der Bedeutung und dem Zustande der Negersklaven in Guinea“ standen gleich zu Beginn u.a. folgende markanten Sätze: „Wann wird doch die Zeit kommen, dass die Menschen alle menschlich werden und wiederanknüpfen die heiligen Bande der Bruderliebe, welche Ehrgeiz und Habsucht zerrissen haben? […]
Mit diesem Seufzer sah ich oft gen Himmel, da ich einige neuere Nachrichten von den noch immer fortdauernden unmenschlichen Verfahren einiger Europäer gegen unsere schwarzen Brüder las, welche ihrer grausamen Herrschaft unterworfen sind. Es ist schrecklich und übersteigt beinahe allen Glauben, was uns die Reisebeschreiber in ihren Tagebüchern noch immer einmütig davon berichten […]
Hier ist also ein Auszug der neuesten Nachrichten von dem schändlichen Sklavenhandel auf der Küste von Guinea und von dem Zustande der armen schwarzen Sklaven in den amerikanischen Kolonien der Europäer…“.16
Lindau um das Jahr 1780
Die Reichsstadt Lindau mit ihrer im Jahre 1788 amtlich erfassten Bevölkerung von 1.977 Menschen in der eigentlichen Stadt auf der Insel sowie zusammen mit den Landgemeinden des Festlandes, der „Reichsvogtei Lindau“ insgesamt 4.992 Einwohnerinnen und Einwohnern17, verharrte um das Jahr 1780 noch in ihren spätfeudalen Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen.
„An dem auf oder um Barthelmäi stattfindenden Wahl- und Schwurtag wurden 3 Bürgermeister, 2 Geheimräte und 14 Räte, zusammen 19 Personen des Inneren Rates gewählt, ferner 15, von 1591 an 17 Gerichtsbeisitzer mit dem Stadtammann an der Spitze […] und endlich als 3. Körperschaft der ‚Große Rat‘ oder die ‚Zwanzig‘, auch ‚Gemeinde‘ oder Gerichtsrat genannt […] Die Ämter waren lebenslänglich; es wurden also nur Ergänzungswahlen bei Tod, Krankheit […] vorgenommen […] Die drei Bürgermeister amtierten je vier Monate und gaben dann die Geschäfte weiter, um sie nach acht Monaten wieder zu übernehmen […]
Man sieht, es war keine ‚Demokratie‘ in unserem Sinne. Gewählt werden konnten nur Bürger, wahrscheinlich sogar nur Hausbesitzer und Inhaber eines Gewerbes oder eines sonstigen sie ernährenden Berufes. Ledige Männer ließ man nicht zu.
Dienstboten, Knechte, Tagelöhner und natürlich auch die Bauern konnten nicht in die Räte gelangen, Beamte im Allgemeinen auch nicht …“18
Macht in den Händen der Patrizier
Diese städtische Machtzentren wiederum wurden von der männlichen Hälfte der kleinen städtischen Oberschicht, dem Patriziat, maßgeblich gelenkt. Dieses war seit 1358 in der „Sünfzengesellschaft“ organisiert. Bei jährlich durchschnittlich 20 männlichen Mitgliedern und gelegentlich einer Patrizierswitwe, waren von diesen „Sünfzen“ rund drei Fünftel in der damaligen städtischen Selbstverwaltung tätig, obwohl sie nur 5% der Bevölkerung repräsentierten. Die rund 400 Mitglieder der acht Zünfte in der Stadt, des meist handwerklichen „Mittelstandes“, wurden hierbei deutlich unterrepräsentiert. „Daraus ergibt sich, dass man [das Patriziat des „Sünfzen“, K.S.] größten Wert darauflegte, abgegangene Stellen wieder zu erlangen, und dass endlich die einflussreichen Stellen, besonders das Bürgermeisteramt, überwiegend in den Händen der Patrizier lag.“19
Dieses Patriziat war hauptsächlich im Fern- und Großhandel in alle vier Himmelsrichtungen tätig, verwaltete seine Häuser und Ländereien und begann mit Bankgeschäften. Enge geschäftliche und verwandtschaftliche Beziehungen waren daraus mit Norditalien, Wien, London und Südfrankreich entstanden.
„Ein Welthandelszentrum“
Eine der für den Lindauer Handel wichtige Institution war damals der „Mailänder Bote“. Gewöhnlich am Montag begann er, mit Briefen und Waren beladen sowie von Reisegästen begleitet, seine Fahrt am größten Hotel in der Stadt, der „Krone“ in der Ludwigstraße. Die Route führte über den Bodensee nach Chur und über den Splügenpass bis nach Milano sowie am nächsten Montag wieder zurück nach Lindau. Ab 1771 versuchte die österreichische kaiserliche Reichspost mit ihrem Postamt in Bregenz vergebens, diese lukrative Post- und Güterverbindung des „Mailänder“, bzw. „Lindauer Boten“ an sich zu reißen. Doch dieser verblieb in der Hand von drei Lindauer Fernhandelsfamilien und war noch bis 1826 in Betrieb20. Etwas übertreibend stellte der Historiker Magnus Ressel im Jahre 2016 in Lindau fest: „Mit dem Lindauer Boten war Lindau ein Welthandelszentrum. Ohne denselben wäre die Stadt bedeutungslos gewesen.“21
Einzigartige Insellage
Die Handelsbeziehungen Lindaus waren im 17. und 18. Jahrhundert längst auf außergewöhnlich hohem Niveau, als Friedrich Romberg sich 1780 entschloss, diese Stadt für seine Geschäfte intensiv zu nutzen: „Diese hervorragende Eigenschaft des Lindauer Hafens, dass man bei jedem Wetter ausfahren konnte, die einzigartige Insellage der Stadt und damit die besondere Sicherheit der Bürger und der hohe Schutz alles dessen, was sich innerhalb der Stadtmauern befand, dies zusammen gab Lindau die Möglichkeit, sich zu einer rechten Kaufmannsstadt zu entwickeln und seinen Handel und die Handelsbeziehungen überallhin auszubauen […]
So wurde besonders der Handel mit den schweizer Kantonen betreiben, mit Tirol und den oberdeutschen Städten Ulm, Augsburg, Memmingen, Kempten, Isny etc. Außerdem natürlich mit Frankfurt, Nürnberg, München usw. Aber nicht nur die nähere und weitere unmittelbare Umgebung wurde in den Handel eingeschlossen, sondern ebenso Italien und Frankreich. Es ist auch von Beziehungen nach Sachsen die Rede …“.22
Text: Karl Schweizer, www.edition-inseltor-lindau.de. Bild: Das offizielle Medaillon der Britischen Gesellschaft gegen Sklaverei, 1795, Quelle Wikipedia, gemeinfrei.
Anmerkungen
14 Adolf Dresler, „Aus den Anfängen des Lindauer Zeitungswesens (1596-1810)“, in „Schriften des Vereines für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung“, Konstanz und Lindau 1956, S. 80f; sowie Thomas Stettner, „Handel und Verkehr – Die Zünfte“, in: Karl Wolfart (Hrg.), „Geschichte der Stadt Lindau im Bodensee“, Teilband 2 des Bandes 1, Lindau 1909, S. 180f.
15 Steuerbuch der Reichsstadt Lindau von 1765-1803, Stadtarchiv Lindau, Sign.: D V-99, Rubrik „Gäste“, S. 1190.
16 „Reichsstadt Lindauisches Intelligenz-Blatt“ Nr. XIII vom 28. September 1782. Die fünfzehnteilige Artikelserie erstreckt sich bis zur Ausgabe Nr. XXII vom 30. November 1782.
17 Johann Georg Krünitz, „Enzyklopädie“ von 1804, zitiert durch Melchior Baptist in seinen handschriftlichen historischen Notizheften.
18 Alfred Otto Stolze, „Der Sünfzen zu Lindau – Das Patriziat einer schwäbischen Reichsstadt“, Lindau 1956, S. 176f.
19 Alfred Otto Stolze, „Der Sünfzen zu Lindau – Das Patriziat einer schwäbischen Reichsstadt“, Lindau 1956, S. 177.
20 Werner Dobras/Angela Heilmann, „Mailänder Bote – Lindauer Bote – Auf den Spuren des historischen Verkehrsweges“, Lindau 1989.
21 „Als Lindau ein ‚Weltzentrum‘ war – Historiker Magnus Ressel stellt seine neuesten Erkenntnisse über den ‚Lindauer Boten‘ vor“, Lindauer Zeitung vom 15. 10. 2016.
22 Hendrik Dane, „Der Lindauer Handel und Verkehr auf den Landstraßen im 17. und 18. Jahrhundert“, unveröffentlichte Doktorarbeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg, Nürnberg Sommersemester 1964, S. 7f.