Eine Apotheke geht auf Reisen

Doris Brunner führte die Ried Apotheke 17 Jahre lang. Nun schließt sie und spendet das Equipment nach Burundi. Unter der Schirm­herrschaft des Stadttheaters wird ein Container gepackt und eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Somit zieht die pharma­zeutische Institution, die fortan als sozialer Betrieb geführt wird und Medikamente für alle Bevölkerungsschichten zur Verfügung stellt, weiter: von Wollmatingen nach Bujumbura.

Hinter Doris Brunner liegen stürmische Zeiten. Vor 17 Jahren hat sie die Ried Apotheke in Wollmatingen übernommen. Die Einrichtung bestand dort bereits 33 Jahre,doch die Zeiten ändern sich. Brunner ist heute 61 Jahre alt. Sehr gerne hätte sie die Apotheke weitergeführt, bis zu ihrer Rente, doch das war nicht möglich. Eine Belebung des Berchengebiets mit Einkaufsmöglichkeiten, wie es zu Zeiten der Apothekenübernahme versprochen wurde, ist nie erfolgt. Die älteren Menschen, die in den umliegenden Blocks wohnten, sind gestorben. Sie haben einen Großteil der Kundschaft der Ried Apotheke ausgemacht: „Ältere Leute brauchen eben mehr Medikamente als die Jungen“, so die Apothekerin.

Dann schloss die Arztpraxis direkt über ihr und kurz darauf kam auch noch das Edeka-Center mit der Filiale der Rosgarten Apotheke quasi ums Eck. „Das da hinten war mein größter Feind“, sagt Brunner und nickt in Richtung von Volker Albrecht, der gerade die Regale der Ried Apotheke abmontiert. Auch Ulla Hastreiter, die gemeinsam mit Albrecht die Rosgarten Apotheke leitet und Szilvia Petri von der Mohren Apotheke sind fleißig am Kartonspacken. Nanu? Helfen da die größten Konkurrenten beim Schließen?

Was auf den ersten Blick zynisch anmuten mag, entpuppt sich als das Gegenteil. Brunner, hinter der neben der Auflösung ihres Geschäftes auch noch ein nervenzehrender Streit mit dem Vermieter liegt, hatte auf einmal eine Idee, die eine Wendung brachte. „Nachdem mir die WOBAK mitteilte, dass ich das Gebäude im Urzustand an den Nachmieter übergeben müsse, war mir ganz schlecht. Hier war über 50 Jahre lang eine Apotheke, mit allem, was dazu gehört. Im Keller ist ein Labor, das schon Denkmalschutzcharakter hat, dazu die vielen Apothekerschränke… Eine Renovierung in den Urzustand hätte ein Vermögen gekostet“, so die Apothekerin, sichtlich bewegt. Ihr ginge es nicht um das Geld, sondern um den Umgang mit dem Gebäude und die herzlose Kommunikation mit der WOBAK. „Da stehen Verträge vor den Menschen“, so ihr fassungsloses Fazit.

Damit hätte Doris Brunner jetzt einpacken können – im wahrsten Sinne des Wortes. Doch wie es das Leben manchmal so will, kommt alles anders und die Dinge wenden sich zum Besseren. In Brunners Fall war diese Wendung ein Gespräch mit Theaterintendanten Christoph Nix. Er hatte bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit Theaterreferent Daniel Morgenroth die Idee, eine Apotheke in Afrika zu errichten. Auf Reisen auf den anderen Kontinent und im Rahmen von Theaterprojekten wie „Die Farbe des Lachens“ konnten sich er und seine MitarbeiterInnen mit eigenen Augen von der miserablen medizinischen Versorgung ein Bild machen.

Schiffscontainer statt Müllcontainer

Als Nix hörte, dass die Ried Apotheke schließen musste, war schnell ein Beschluss gefasst: Die Wollmatinger Apotheke würde nicht in den Müllcontainer wandern, sondern in einen Schiffscontainer. Zusammen mit der Fondation Stamm und dem Verein burundikids e.V. wurde diese Idee in die Tat umgesetzt. Beide Institutionen waren von der Spende der Ried Apotheke so angetan, dass sie spontan einen Container gestellt haben, um alles nach Bujumbura zu verschiffen.

Zahlreiche MitarbeiterInnen des Theaters waren vor Ort, um beim Abbau der Apotheke zu helfen. Aber auch ehemalige Kundschaft sowie Menschen aus der Nachbarschaft und dem persönlichen Umfeld unterstützten den Umzug der Ried Apotheke. Von diesem Projekt waren auch andere Apothekerinnen und Apotheker in Konstanz begeistert und erklärten sich zur Mithilfe sowie zur Unterstützung mittels einer Spendenkampagne bereit. In zahlreichen Konstanzer Apotheken finden sich nun also braune Spendengläser mit dem Logo der Aktion.

Spendenaktion in Konstanzer Apotheken

Mit den gesammelten Spenden wird die von burundikids e. V. finanzierte Schule Ecole Polyvalente Carolus Magnus (EPCM) die Apotheke aufbauen, und Ausbildungsplätze zur Pharmazeutisch Technischen Assistenz stellen. Somit ist das Projekt nachhaltig und läuft nicht Gefahr, mangels fehlender Ausbildung nicht zum Einsatz zu kommen, wie es zum Teil bei medizinischen Projekten der Fall ist. Und für Doris Brunner erfüllt sich ein Traum: „Meine Apotheke lebt weiter und hier in Konstanz ist durch ein solches Projekt der Konkurrenzkampf beseitigt und alle packen gemeinsam an. Etwas Schöneres kann ich mir gar nicht denken.“

Veronika Fischer (Text und Foto. Das Bild zeigt v. l. Daniel Morgenroth, Volker Albrecht, Doris Brunner und Szilvia Petri)

Spenden per Überweisung können direkt an burundikids e. V. erfolgen:
IBAN: DE50 4306 0967 4045 9481 00
BIC: GENODEM1GLS
GLS Bank
Verwendungszweck: Apotheke

Weitere Infos: www.burundikids.org