Eine Botschafterin des Friedens
Nahezu 100 Menschen wollten am Dienstag die palästinensische Professorin und Pädagogin Sumaya Farhat-Naser hören, die im Konstanzer Astoriasaal ihre Sicht auf den Nahostkonflikt schilderte. Und die vielfach ausgezeichnete Friedensaktivistin enttäuschte ihre ZuhörerInnen nicht: Als die Diskussion aus dem Ruder zu geraten drohte, gelang es ihr, mithilfe ihrer eigenen Konflikt-Bewältigungs-Strategie die BesucherInnen zu beruhigen.
Viele der Fakten, die Farhat-Naser vortrug, waren den politisch informierten Besuchern nicht neu: Dass Quelle des Nahost-Konflikts die willkürliche Grenzziehung durch europäische Siegerstaaten ist, wodurch rund um Palästina erst Nationalstaaten entstanden; dass alle Friedens-Bemühungen durch die israelische Regierung torpediert wurden, die keinen der Oslo-Verträge eingehalten hat; dass Krieg das beste Geschäft nicht nur im Nahen Osten ist; dass die Politik die Religion als Kriegsgrund missbraucht, wie bei den aktuellen Kämpfen vom Jemen bis Syrien und Libyen zu beobachten ist; dass Israels Grenzzaun nicht der eigenen Sicherheit dient, sondern der Abkapselung palästinensischer Ortschaften.
Friedensarbeit mit Frauen
Aufhorchen ließ dann aber die Friedenspädagogin, als sie von ihrer 20-jährigen Friedenserziehung mit israelischen und palästinensischen Frauen und Jugendlichen berichtete. Wie sie via Internet ein Jugend-Parlament mit bereits 78 000 Nutzern zustande brachte, wie sie Genossenschaften auf dem Dorf ins Leben rief, in denen Frauen ihren Lebensunterhalt verdienen; wie sie gegen den Widerstand der Besatzungsmacht ein Museum gründete; wie sie, die im Freiheitskampf vier Familienmitglieder verloren hat und deren Familie in der ganzen Welt verstreut leben muss, Friedensarbeit und Konflikt-Bewältigung vorlebt. Ihr Credo: „Wir wollen eine Front aus Palästinensern und Israelis sein, die gegen die Front der Kriegshetzer in beiden Ländern antritt“.
Pädagogin und nicht Politikerin
Davon ließ sich Sumaya Farhat-Naser auch nicht abbringen, als ihr in der anschließenden Diskussion politische Einseitigkeit vorgeworfen wurde. Vornehmlich VertreterInnen der Deutsch Israelischen Gesellschaft aus Konstanz kritisierten, dass sie die kriegerische Rolle der Hamas unerwähnt gelassen und den Friedenswillen, den es auch in Israel gebe, ausgeblendet habe. Ihre Antwort: „Ich bin Pädagogin und keine Politikerin“. Und: „Von mir hören Sie keine Schuldzuweisungen, sondern nur eine Beschreibung der Realität“.
Als dann die Diskussion aus dem Ruder zu geraten drohte, als manche Kritiker gar nicht mehr zu schwadronieren aufhören wollten, war es die Pädagogin Farhat-Naser, die charmant und souverän ihre eigene Konflikt-Vermeidungs-Strategie abrief und den Protest befriedete. So wie damals, als sie einen israelischen Soldaten vor Gewaltanwendungen gegen Jugendliche abhielt, sich vor ihn stellte und sagte: „Ich kenne Deine Mutter“. „Wieso und woher?“ „Ich bin Mutter und Mütter sprechen eine Sprache“.
hpk
Einerseits scheint die Berichterstattung von „SeeMoZ“ zu dieser Veranstaltung einseitig gewesen zu sein (was wiederum aber den Empfindungen der Leser entspricht, die laut Umfrage zu knapp 40 Prozent diese Eigenschaft dem Online-Portal attestieren – was allerdings zunächst ohne jegliche Wertung bleiben kann). Immerhin erachte ich die Grenzen zwischen Sachtext und Kommentar hier als verschwommen. Sicherlich wäre es zwar möglich gewesen, der wiedergegebenen Stimmung und dem pointierten Vortrag auch redaktionell einen Standpunkt entgegenzusetzen. Solange aber die Möglichkeit der Leserkommentare besteht, scheint mir ein einseitiger Bericht durchaus zulässig.
Schwieriger ist viel eher die Haltung der Veranstalter: Wer bereits im Vorfeld weiß, welche Richtung ein Referent einnehmen wird, der wäre im demokratischen Sinne angehalten, entweder eine Diskussionsrunde mit unterschiedlichen Positionen statt einer selbstinszenierenden Lehrveranstaltung abzuhalten – oder aber auch andere Experten mit unterschiedlichem Background zu Wort kommen zu lassen.
Und die Beteuerung des Gastes, es gehe ihr um Pädagogisches, nicht um Politisches, ist bei solch einer Thematik obsolet. Selbst wenn sie mit dem Anspruch nach Unterrichtung und Aufklärung, Wegweisung und Darstellung nach Konstanz gekommen sein sollte, kann das nur aus einem subjektiven Ansporn heraus geschehen. Persönliche Darlegungen zu einem solch brisanten Komplex können selten neutral ausfallen, besonders dann nicht, wenn man sich bereits im Vorfeld ein Bild darüber machen konnte, wie Farhat-Naser bisher „politisierte“.
Insofern waren die Veranstaltenden offenbar klar geleitet vom Willen nach Einseitigkeit, zumindest eine zweite Veranstaltung mit einem Blick aus anderer, debattierender Perspektive wäre nun gerecht, um einigermaßen erörternd und nicht dogmatisch zu wirken.
Herr Linge, jetzt haben Sie ihren Standpunkt zur Schuldfrage ja recht ausführlich dargestellt und auch noch einen kritischen, nachdenkenswerten Beitrag zur Verwendung der deutschen Sprache hinzugefügt.
Ich würde mich freuen, wenn jetzt auch noch die eine oder andere Anregung zu irgend einer nichtmilitärischen Friedenspolitik kommen würde.
„An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen.“ *
Kleine Anregung zum Selbstversuch:
Man bemühe den Duden als getreuen Spiegel der deutschen Sprache und ihrer Anwendung, (heute) also „duden.de“.
Dort gebe man „irankritisch“ ein….kein Treffer, aber der freundliche Verweis: „Oder meinten Sie israelkritisch?“
Man wiederhole das mit „saudiarabienkritisch“…auch kein Treffer, aber wieder der gleiche freundliche Verweis: „Oder meinten Sie israelkritisch?“
(Nicht den armen Duden prügeln, er ist ja nur das Spiegelbild…)
Wenn also dem Deutschen — stellvertretend den die Veranstaltung ausrichtenden Gruppen/Initiativen — „zu“(besser: gegen) Israel ganz viel einfällt, zu Iran und Saudiarabien, beides anerkannte totalitäre Henkerregime mit bekanntem („Tugend-„)Terror gegen Frauen, Homosexuelle, religiöse Minderheiten und frei denkende Menschen, beides notorische Paten des Terrors in Arabien und gegen Israel(letzteres vor allem der Iran) aber eher wenig :
Was heisst das?
Zumindest passt dazu, dass es kaum jemandem aufstösst, wenn eine „Botschafterin des Friedens“ den praktischen eliminatorischen Antisemitismus von Hamas nicht einmal anspricht.
* Hans Jacob, An ihrer Sprache sollt Ihr sie erkennen: Die Gleichschaltung der deutschen Sprache, In: Das Wort 1 (1938), S.81-86.
Lieber Herr Grempels,
leider kann ich in Ihrem Beitrag weder einen konstruktiven Ansatz zur Sache erkennen noch einen Erkenntnisgewinn, der uns weiterbrächte. Ich sage hier bewusst ›uns‹ da ich davon ausgehe, dass jeder, der sich hier zu dem Thema äußert, einer friedlichen Lösung den Vorzug geben würde – somit hätten wir also zunächst einen kleinsten gemeinsamen Nenner.
Letztlich bleibt Ihr Beitrag dort stecken, wie es sich auch im Nahen Osten abbildet: In gegenseitiger Schuldzuweisung. Es sollte jedoch schon längst klar sein, dass solche, wie auch jegliche Ursachenforschung, kein Schritt nach vorne bedeutet. Letztlich landen wir hier bei Abraham, Isaac – und dem Alten Testament, das mit seinen von Steven Pinker (Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit) errechnenden 1,2 Millionen Opfern sicherlich keine Blaupause darstellt für einen künftigen Frieden in dieser Region.
Was im Nahen Osten zum Teil fehlt, ist jener Individualisierungsprozess, den unsere Gesellschaft seit der Renaissance und dann verstärkt seit dem 18. Jhd. durchgemacht hat – und der dem Einzelnen heute die Freiheit gibt, seine Person jenseits von Rasse, Nation, Religion und Tradition selbst zu definieren. Dieser Prozess (der ja letztlich Grundlage für Demokratie bedeutet) mag in Israel, da gebe ich Ihnen Recht, teilweise ausgeprägter sein als in seinen Nachbarländern. Jedoch: Die israelische Gesellschaft war mit dieser Entwicklung zu Zeiten eines Jitzchak Rabin deutlich weiter als unter der aktuellen Regierung, wie sie das Land gewählt hat. Daher wäre es heute wohl kaum mehr ratsam, ›Der Prophet hat gelogen!‹ oder ähnliches in einem ultraorthodoxen Viertel in Tel Aviv oder Jerusalem laut zu rufen . . .
Erst wenn ALLE Nationen im Nahen Osten aufhören, ihre Identität aus der Vergangenheit heraus zu definieren, die aus der (Wahn)Idee von Rasse, Religion, Kultur, Blut und Boden ›Gemeinsamkeit‹ bilden – und damit den jeweils Anderen, der sich genau gleich aus seiner Rasse, Religion, Kultur, Blut und Boden heraus identifiziert, zwangsläufig zum Feind erklärt, statt dessen jedoch aus einer eigenständigen ethischen Haltung heraus (Jan Hus!) das Bewusstsein einer universellen Menschheit entwickeln, dürfte Frieden möglich sein. Ich wüßte nicht, was es sonst als Lösungsansatz geben könnte. Wem hierzu etwas Besseres einfällt, möge sich gerne äußern.
Ich kann Anselm Venedey und Herrn Linge nur zustimmen, der auf seine konkreten Fragen keine Antworten bekommt und lieber argumentfrei der Propaganda bezichtig wird. Erst wenn die angeblichen Friedensfreunde z. B. zuerst in Tel Aviv und dann in Gaza oder Kairo auf einem frequentierten Platz mehrfach und ganz laut „Es gibt keinen Gott!“, „Der Prophet hat gelogen!“, „Ich bin Atheist!“ oder nur „Ich bin Homosexuell!“ skandiert haben und lebend zurückkommen, um mir von ihren Erlebnissen zu berichten, werde ich vielleicht bereit sein, mit denen über den Nahostkonflikt ein paar Worte zu wechseln.
Aber die wahnhafte Besessenheit, die sie zwingt, sich ausgerechnet mit dem winzigen, einzig demokratischen Land der Region auseinandersetzen zu müssen, in dem seine arabischen Ein-wohner selbstverständlich weitaus mehr individuelle Freiheitsrechte und Lebensstandard haben als unter der Knute eines jeden Drecksregimes der Region im Allgemeinen und besonders der in mittelalterlichen Aberglauben verhafteten Menschenfeinde der antisemitischen Hamas oder der korrupten Verbrechereliten der Al Fatah, kann nur tiefstem antisemitischem Ressentiment entspringen. Aus welchem anderen Grund sollte man sich den Judenhassern andienen und ausgerechnet in Deutschland den eliminatorischen Antisemitismus (nicht nur) der Hamas als Pe-titesse beiseite wischen?
Die primäre Ursache für die Gewalt im Nahen Osten und speziell der
israelisch-palästinensische Konflikt ist die Identifikation mit Religion, Tradition und Glaube, der im Anderen gar keinen Menschen sieht, sondern durch die Glaubenssätze der Buchreligion festzementierte Kategorien der Abgrenzung. Für aufgeklärte Mitteleuropäer erscheint heute die Vorstellung, dass die eigene Person ausschliesslich und weitgehend fremdbestimmt ist durch gegebene Traditionen, Ahnenreihen, Blut und Boden sowie religiöse Rituale genau so anachronistisch wie sich ein AfD-Gauland in unserem Lande ›fremd‹ fühlt, weil er das ›deutsche‹ nicht mehr ausmachen könne.
Wie schwer es jedoch fällt, generell auf selbst kreierte Kategorisierungen zu verzichten – die ja immer aus der Vergangenheit resultieren und mit der Realität der Gegenwart gar nicht zu tun haben – zeigt sich auch in diesem Forum.
Kein geringerer als der hier bereits erwähnte Dalai Lama bemerkt daher in seinem Beststeller ›Ethik ist wichtiger als Religion‹, dass jegliche Religion ein Hindernis zu einem universellen Welt-Ethos darstellt, da diese mit ihren Vorstellungen immer kategorisieren, ausgrenzen und richten – und er sieht daher, wie ich meine völlig zu recht, eine Zukunft ohne Religion. – Was wäre das Gegenmodell eines solchen vorbehaltlosen, aufgeklärt-spirituellen Humanismus?
Pseudolinks ist der alte Reflex aus Sowjetzeiten, in Israel den Feind und in den Palästinensern das Volk des Friedens zu sehen. Interessanterweise ist das einer der letzten Reflexe, der noch immer bei ganz vielen Menschen in Deutschland funktioniert, die sich einst als Linke bezeichneten. Warum wohl..? Falsch war er schon damals – das habe auch ich leider erst viel später erkannt. Links wäre, sich dezidiert mit Ursache und Wirkung auseinanderzusetzen. Und es wäre interessant, ergründen zu wollen, warum denn solche Veranstaltungen, wie die in der VHS, so grossen Erfolg haben – gerade bei uns in Deutschland. Und zu meinem Vorwurf der Esoterik: Die Schnittmenge zwischen Palästinafreunden, Dalai Lama-Anhängern usw. ist doch leider ziemlich gross.
Wen meinst Du, lieber Anselm, wenn Du Esoterikfans und Pseudolinke vermutest? Es ist immer solche Nebelstocherei, die eine sachliche Debatte über den Palästina-Konflikt erschwert. Und es sind stets solche Schuldzuweisungen, lieber Christoph, die keinen Lösungsansatz bieten. Und alles das an diesem beeindruckenden Vortrag dieser ungewöhnlich starken Frau festzumachen, ist unfair und womöglich oberflächlich. Auf eine stattdessen unvoreingenommene Diskussion wartet und freut sich hp
In einer Zeit, in der unverblümter Antisemitismus gerade bei Esoterikfans und Pseudolinken und bei esoterischen Pseudolinken so ungeheuer populär ist, tut es sehr, sehr gut, jeweils die klugen, sachlichen Kommentare von Christoph Linge zu lesen.
Herr Linge scheint mir ein hochmotivierter Botschafter des Unfriedens auf allen Ebenen zu sein. Ich erkläre mir das so, dass er direkt oder indirekt von seiner Propaganda lebt, und von Berufs wegen überall Antisemitismus sieht, vergleichbar mit den gesellschaftlich isolierten Teile der Antifa, für die es außer ihnen selbst nur noch Nazis gibt, oder Erich von Däniken, der alles, was er nicht versteht, den Außerirdischen zuschreibt. Dass die deutsche Regierung Waffen an Ntanjahu-Israel liefert, ja schenkt, ist derzeit einfach nicht zu verhindern, aber Netanjahus Apologeten kann man immer noch ungestraft die kalte Schulter zeigen.
Botschafterin des Friedens oder Wiederholung der immer gleichen Anklage: Alleine Israel ist schuld…ist schuld…ist schuld? An 50 Jahren Unfrieden, der „Mauer“, „knappem Wasser“(*1), nicht abgeholtem Müll?
Wie glaubhaft kann der eigene Anspruch von Friedenspädagogik sein, die für sich reklamiert, „die“ Realität zu beschreiben und sich auch in die andere Seite einfühlen zu können, wenn man über 90 Minuten das Programm von Hamas zum eliminatorischen Judenhass(* 2)mit keiner Silbe erwähnt? (Gerade der Linken als Siegelbewahrerin des „Nie wieder“ sollten derlei Leerstellen auffallen…)
Und auf Nachfrage „schwadronierender Kritiker“ (O-Ton seemoz) dazu erklärt: „Ich bin Pädagogin, keine Politikerin“?
(„Dann kann man ja gleich im Gebetshaus bleiben“, so der spontane Kommentar einer Freundin dazu…)
„Politik“ also nur dann, solange es die „böse“ israelische ist?
Dass es für eine solche Position den geschlossenen Beifall vom evangelischen Friedensfrauenkreis gibt, ist genauso erwartbar wie traurig.
Aber von Leuten, die sich als Linke in rationalistisch-aufklärerischer Tradition sehen? Geht so „kritisch-informativ…“?
Und warum interessiert die unbestritten traurige palästinensische Realität anscheinend immer nur dann, wenn Israel der „übliche Verdächtige“ ist?
Wo sind die Verlautbarungen/Veranstaltungen von Friedensfreunden und Pro-Palästina-Aktivisten zu den zahlreichen palästinensischen Opfern der Assad`schen Fassbomben in Yarmouk/Damaskus(Das sind weitaus mehr als die, die im Zusammenhang mit der aktuellen Welle der Messerattacken auf Juden in Israel getötet wurden)?
G**gelt man „Friedensnetz“ und „Israel“, erhält man 3220 hits.
Zu „Friedensnetz“ und „Yarmouk“ magere 2….
Woran sich auch nichts ändert, wenn man „Jarmouk“, Yarmuk“ oder „Jarmuk“ eingibt.
Why?
*1: „95% of Households Enjoy Access to Improved Water and Sanitation“
Quelle: Palestinian Water Authority, abrufbar unter:
http://www.pwa.ps/page.aspx?id=OCCsiOa1146862365aOCCsiO
*2: http://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/36358/antisemitismus-in-der-charta-der-hamas?p=all