Eine Idee wird beerdigt: So sieht eine Bürgerbeteiligung à la Burchardt aus
Über zwei Jahre hat Simon Pschorr für die LLK in der Projektgruppe Bürgerbeteiligung mit gearbeitet. Nach der Gemeindrats-Entscheidung am vergangenen Donnerstag ist er nur noch frustriert. Hier erklärt er, was schief gelaufen ist und warum der Gemeinderat mit seiner mehrheitlichen Entscheidung falsch liegt.
Zweieinhalb Jahre für ein entkerntes Papier. Wenn man sich bürgerschaftlich engagiert, dann fragt man sich manchmal schon: Wofür tue ich das eigentlich? Einen solchen Moment erlebte ich am letzten Donnerstag. Der Gemeinderat stimmte über die „Leitlinien für Bürgerbeteiligung“ ab und beendete damit einen langwierigen und frustrierenden Prozess. Für mich gleicht dieser Abschluss eher einem Grabstein denn einem Schlussstein in einem verwaltungsarchitektonischen Prachtbau.
Warum ich so pessimistisch und enttäuscht bin? Nun, ich habe den Prozess als Mitglied der Projektgruppe Bürgerbeteiligung selbst von Anfang an begleitet und möchte Ihnen einfach mal erzählen, wie die jetzigen Leitlinien zustande kamen und woran sie meiner Meinung nach kranken.
Katz und Maus mit ungleichen Akteuren
Die Initiative zum Bürgerbeteiligungsprozess kam 2014 von Oberbürgermeister Burchardt. Er hatte im Wahlkampf versprochen, die Konstanzer Bürgerschaft in alle Entscheidungen der Kommune einzubeziehen und für Transparenz und Offenheit zu sorgen. Deshalb sollte ein Papier zur Beteiligung der Bürgerschaft her – und wie könnte man ein solches Papier besser erstellen als in einem gemeinschaftlichen Akt von Verwaltung und Bürgern? Deshalb wurde die „Projektgruppe Bürgerbeteiligung“ geschaffen, die sich aus Vertretern der Gemeinderatsfraktionen, Interessengruppen der Bevölkerung und einigen Verwaltungsvertretern zusammensetzte.
Die Projektgruppe machte sich voller Elan ans Werk. Martin Schröpel, Koordinator des Prozesses und Vorkämpfer für einen neuen Arbeitsstil im Verwaltungskorpus, sei hier noch einmal ausdrücklich für sein unermüdliches Engagement gedankt. Er hatte die leidvolle Aufgabe, die vielen, teilweise widersprüchlichen und vor Kreativität blühenden Ideen aller Beteiligten nach innen zu kommunizieren und in einem verwertbaren Text zu bündeln.
Doch der erste Schock kam Mitte des Jahres 2015. Zu diesem Zeitpunkt fand – entgegen aller Planung – das erste Treffen mit dem Oberbürgermeister statt. Anstatt von Anfang an gemeinsam mit dem OB an einem Text zu arbeiten, hatte die Projektgruppe einen vollständigen und schlagkräftigen Entwurf vorgelegt. Dieser wurde von OB Burchardt rundum verworfen. Die Projektgruppe, so sagte er, hätte ihren Auftrag vollkommen missverstanden. Von einem eigenen Entwurf sei nie die Rede gewesen. Wenn, dann könne ein Entwurf zur Bürgerbeteiligung nur aus den Reihen der Verwaltung kommen, die mit den Ideen der Projektgruppe sowieso nichts anfangen könne.
Ab diesem Moment fochten wir Rückzugsgefechte. Stückchen für Stückchen wurden die Kernelemente der „Leitlinien Bürgerbeteiligung“ vom Oberbürgermeister und den mittlerweile fast vollständig abwesenden Mitarbeitern der Verwaltung zerpflückt. Mitte des Jahres 2016 drohte das Projekt gänzlich zu scheitern – zu groß war die Angst der Gemeinderäte, das Papier in seiner unangetasteten Form in den Gemeinderat einzubringen und zu sehr die Luft raus, um erneut einen eigenen Vorschlag vorzulegen. Das in der Rückschau traurige Ergebnis dieses „Beteiligungsprozesses“ liegt Ihnen nun vor und wurde vom Gemeinderat beschlossen.
Defizite des Papiers
Das vorliegende Papier krankt an einigen zentralen Stellen. Beginnen wir mit der Rechtsqualität des Konstrukts im Ganzen: Das vorliegende Papier bezeichnet sich selbst als „Leitlinien“. Dies ist ein Terminus, der keine verwaltungsrechtliche Bedeutung kennt. Im Verwaltungsrecht gibt es einerseits Satzungen und Verordnungen – das sind bindende Rechtsakte, die Gesetzeswirkung entfalten – und andererseits Verwaltungsvorschriften. Verwaltungsvorschriften wirken als Anleitung für die Verwaltung und geben intern eine Richtung vor.
Noch unterhalb dieser Ebene steht die Leitlinie. Im Ergebnis ist sie ein rechtliches Nichts, eine Handlungsempfehlung ohne jedwede Bindungswirkung. Die Verwaltung kann sich daran halten oder sie einfach ignorieren. Konsequenzen? Keine. Auch die Tatsache, dass der Gemeinderat hierüber einen Beschluss gefasst hat, ändert daran nichts – er hat ja schließlich selbst entschieden, ein solches Nichts zu beschließen. In der von der Projektgruppe vorgelegten Fassung war vorgesehen, die Kernelemente der Leitlinien in einer rechtlich bindenden Satzung festzuschreiben und damit deutschlandweit Vorreiter zu werden. Doch daraus sollte nichts werden.
So wenig, wie die Verwaltung durch die jetzt verabschiedeten Leitlinien rechtlich bindend verpflichtet wird, so wenig binden sich damit die einzelnen Organe der Stadtpolitik. Weder der Gemeinderat noch, allen voran, der Oberbürgermeister unterwerfen sich dem Votum der Bürgerinnen und Bürger. Die Letztentscheidungskompetenz bleibt beim Gemeinderat, respektive in seinem Hoheitsbereich beim Oberbürgermeister. Beiden Organen wird durch die Leitlinien ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, die Bürgermeinung vollständig zu ignorieren und gegenteilig zu entscheiden. Der Oberbürgermeister wehrt sich auch strikt gegen einen Einfluss des Gemeinderates über das zentrale Hilfsmittel der Vorhabenliste. Auch dies war in den früheren Entwürfen anders vorgesehen.
Doch Silvia Löhr, Justiziarin der Stadt, äußerte juristische Bedenken. Wie von der Projektgruppe vorgeschlagen, neben dem vertrauten Bürgerentscheid neue Mittel einer wirksamen Bürgerbeteiligung zu etablieren, verstieße Ihrer Meinung nach gegen die Gemeindeordnung. Allerdings: Eine entsprechende wegweisende Gerichtsentscheidung dazu gibt es nicht. Warum? Es hat sich einfach noch nie eine Kommune in Deutschland getraut. Im Wege der freiwilligen Selbstbindung hätte der Gemeinderat meiner Meinung nach auch ohne Verstoß gegen die Gemeindeordnung zumindest die Richtung seiner Entscheidung vorgeben können und ein „Soll“ der Zustimmung begründen können. Der Gemeinderat hätte nach grundsätzlich freiwillig an das Ergebnis der Bürgerbeteiligung binden können, ohne gegen die Gemeindeordnung zu verstoßen. So muss der Gemeinderat nicht einmal sein abweichendes Votum separat begründen – das steht ja alles in den Beschlussprotokollen der Sitzungen.
Die Angst in der Verwaltung ist zu groß
Womit wir beim „Soll“ sind: Dieses Papier strotzt nur so von Ermessens-Normen und vermeidet „Ist“-Bestimmungen, die klare Handlungsanweisungen an die Verwaltung zum Ausdruck gebracht hätten. Stattdessen wird der Verwaltung allenthalben die Freiheit eingeräumt, Bürgerbeteiligung doch nicht durchzuführen. Eine Überwachung ihres Arbeitsprozesses findet nach den Leitlinien nicht statt. In einer älteren Version war vorgesehen, dass nicht das jeweilige Fachamt, sondern eine übergeordnete „Fachstelle Bürgerbeteiligung“ über Art und Ablauf des Beteiligungsprozesses im Rahmen des Gemeinderatsbeschlusses entscheidet. Diese Stelle sollte mit Fachleuten für Bürgerbeteiligungsprozesse besetzt werden. Übrig geblieben ist davon heute nur noch eine Anlaufstelle für hilfesuchende Fachämter. Zu groß war wohl die Angst vor einem „Superministerium“.
Und wenn den Bürgerinnen und Bürgern das alles nun nicht passt? Was ist, wenn sie selbst auf die Idee kommen, Bürgerbeteiligung anzuregen? Die vorliegenden Leitlinien geben der Bürgerschaft dieses Recht. Dazu müssen in ganz Konstanz 800 Unterschriften gesammelt werden. Betrifft eine Entscheidung nur einen Stadt-/Ortsteil, dann reichen 200 Unterschriften aus diesem Ortsteil aus.
Meines Erachtens sind das ziemlich hohe Hürden. Man beachte allerdings, in welcher Zeit die Unterschriften beizubringen sind: Nach Veröffentlichung der Vorhabenliste, dem Kernstück Burchardtscher Transparenzpolitik, kann innerhalb von drei Wochen eine Bürgerinitiative angemeldet werden. Danach werden weitere vier Wochen eingeräumt, um die Unterschriften beizubringen. Mehr nicht. Wird eine dieser Fristen versäumt, ist Bürgerbeteiligung gestorben. Ausschlussfristen für Bürgerbeteiligung? Geht’s noch?
Fristen zur Verhinderung
Kommt unter dem Jahr eine Frage oder ein Vorhaben auf, das nicht auf der Liste steht, bei dem sich die Bürgerschaft aber denkt, man könne doch mal beteiligt werden, so scheitert ein entsprechendes Begehr schon daran, dass nur drei Wochen nach der Veröffentlichung der Vorhabenliste begehrt werden darf. Ansonsten ist die Bürgerschaft auf das gnädige Entgegenkommen der Verwaltung angewiesen, ihre Vorhabenliste zu ändern. Ab dem Zeitpunkt laufen die gleichen Fristen.
Dieselben Hürden bestehen auch für organisierte Gruppierungen der Bürgerschaft. Hier seien vorrangig die Bürgergemeinschaften und Ortsvereine genannt. In einer Vorgängerversion waren diese bevorzugt. Man hat ausdrücklich das Engagement und die Repräsentativität solcher Gemeinschaften für ihre jeweiligen Stadtteile anerkannt und ihnen ein Initiativrecht eingeräumt. Das aber hat OB Burchardt verhindert. Er sieht darin eine ungerechte Ungleichbehandlung der Engagierten gegenüber all den schweigenden Bürgern. Ja – natürlich ist das eine Ungleichbehandlung. Aber eine Ungleichbehandlung wesentlich Ungleicher.
Die Bürgergemeinschaften tragen zur Gestaltung unserer Stadt bei und sind eine bedeutende Stimme im öffentlichen Diskurs. In ihren Gremien findet demokratische Meinungsbildung statt. Sie bilden sich nicht ad hoc nach dem Geschrei des Lautesten, sondern diskutieren Fragen intern aus, bevor sie an die Öffentlichkeit gehen. Ich sage: Es wäre ein Zeichen des Respekts vor diesem ehrenamtlichen Engagement und ein Symbol des Vertrauens in Bürgerorganisationen gewesen, diese Gruppierungen besser einzubinden.
Chancen wurden verschenkt
Leider haben wir die Möglichkeiten, die Konstanz als Stadt offenstanden, verschenkt. Die Stadt am Bodensee hätte zur Keimzelle einer neuen Politik der Offenheit und Transparenz werden können. Es bestand die Chance, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mitzunehmen, einzubinden und am politischen Leben teilhaben zu lassen. Ein besseres Mittel gegen Angst, Hass und Politikverdrossenheit gibt es kaum. Stattdessen haben versteinerte Strukturen gewonnen. Wir werden sehen, ob das am Donnerstag gegebene Versprechen in Zukunft Konsequenzen hat oder sich als leer erweist. Ich jedenfalls höre mit meiner Arbeit nicht auf.
Simon Pschorr
Mitglied der Projektgruppe Bürgerbeteiligung,
Bundestagskandidat DIE LINKE Wahlkreis Konstanz
Da hat die Bürgerinitiative Pappelallee ein echtes Deja-Vu-Erlebnis:
Zu unserem großen Erstaunen wurden wir im Mai 2015 vom Baubürgermeister in der heißen Phase der Auseinandersetzungen nach monatelangem Schweigen eingeladen. Ins Baubüro als so genannte „Spurgruppe“ – dazu gehörte auch eine „Synopse“: Alle beteiligten Gruppen sollten die Möglichkeit bekommen, einen Antrag in der Gemeinderatssitzung zur Abstimmung zu stellen! Das empfanden wir als geradezu revolutionär. Herr Schröpel war auch da mit einer Protokollantin. Er hatte damals – wie wir später erfuhren – mit aller Sorgfalt einen professionellen Plan zur Bürgerbeteiligung für diesen Konflikt ausgearbeitet.
Die Gruppe mit Umweltamt und Bürgermeister tagte zwei Stunden im Baubüro und endete dann etwas abrupt mit ziemlich unterschiedlichen Vorstellungen zum Tag des „Bürgerforums“. Man wollte die strittigen Positionen von beiden Seiten bedenken und sich wieder treffen. „Wir hören wieder voneinander“ und „Sie haben hoffentlich gemerkt, wie gut wir es mit Ihnen meinen“ sagte der Baubürgermeister. Wir hörten nie mehr von ihm…
Wir warteten noch zwei Monate und erfuhren dann auf Anfrage bei Herrn Schröpel, dass der Oberbürgermeister das Verfahren gestoppt hatte.
Nachzulesen in der Dokumentation „Was war los im Tägermoos?“
Lieber Juri,
letzteres nur, nachdem ich leider die letzte Sitzung aus beruflichen Gründen nicht wahrnehmen konnte – und dies bereits zuvor ankündigte – und meine Vertretung kurzfristig ausfiel. Meine Bedenken hatte ich zuvor Hrn. Schröpel in einem dreistündigen außerplanmäßigen Gespräch mitgeteilt. Wenn nun also die Auseinandersetzungen deiner Meinung nach unverändert fortdauerten, dann verstehe ich erst Recht nicht, wie du dieses Ergebnis feiern kannst. Ich finde es heuchlerisch, ein Papier weit unter unseren Möglichkeiten so kommentarlos stehen zu lassen.
Gruß
Simon Pschorr
@Simon: Die Auseinandersetzungen speziell zwischen Verwaltung und dem Rest der Projektgruppe gab es schon deutlich von Beginn an – einzig der respektlose Umgang mit der Zeit der Teilnehmer hat am Ende noch ein Fünkchen Schärfe dazu gegeben. Insofern hast Du da schon was verpasst. Und was das Ergebnis angeht, so haben wir darüber abgestimmt – ohne Gegenstimme, korrigiere mich bitte wenn meine Erinnerung mich da betrügt.
@Dirk Kirsten: Leider trügt Sie ihr Eindruck, Ihnen sei die Lektüre meines Kommentars nochmal nahegelegt. Weder werfe ich Herrn Pschorr vor er würde sich *nicht* engagieren, noch bezeichne ich ihn persönlich als Selbstdarsteller. Was die Ideologie angeht, so spielt diese tatsächlich keine Rolle. Herr Pschorr kann sicher bestätigen, dass wir in der Projektgruppe meist konstruktiv zusammen und vehement gegen die Aufweichungsversuche gearbeitet haben. Fraktionszugehörigkeit spielt dabei keine Rolle.
@Carla Farré: Ich lade Sie herzlich in unsere öffentliche Fraktionssitzung immer Montags um 18 Uhr ein, uns ihre Kritik an unserer Haltung zu erläutern. Durch Input von außen lernen wir, und sind daher jederzeit an einem konstruktiven Dialog interessiert.
Die Bemerkung von Herrn Buchmüller beweist leider nur wieder einmal wie sehr das Junge Forum darum bemüht ist, möglichst nicht beim Establishment anzuecken und so überhaupt keine jungen und frischen Gedanken zu vertreten, womit ja eigentlich einmal Werbung für das ‚Junge‘ Forum gemacht wurde…
Wenn sich diese Fraktion weiter so deklassiert wie bisher, wird sie bei der nächsten Kommunalwahl so schnell wieder verschwunden sein wie sie aufgetaucht ist.
Lieber Dirk,
gerne möchte ich versuchen, deine Fragen erschöpfend zu beantworten.
1. Der Zuschnitt der Stadtteile ergibt sich aus der Stadtplanung. Wann allerdings eine Angelegenheit auf einen Stadtteil beschränkt ist, logischerweise nicht. Diese Entscheidung sollte eigentlich bei der Koordinierungsstelle Bürgerbeteiligung liegen. In der nun entschiedenen Version meine ich, wird diese Entscheidung dem jeweiligen Fachamt obliegen, das dann entweder eine Gemeinderatsvorlage entwirft oder nicht. Eine andere Kontrollinstanz ist nicht vorgesehen.
2. Gemeinderäte können nur beantragen, dass ein Vorhaben auf die Vorhabenliste aufgenommen wird. Genauso können sie beantragen, dass einem gewissen Vorhaben die Eignung für Bürgerbeteiligung zugeordnet wird. Dazu bedarf es ganz normal einer Gemeinderatsmehrheit. Ein Minderheitenrecht ist nicht vorgesehen. Ich meine, dass darüber in der Projektgruppe diskutiert, doch im Angesicht der Bürgermöglichkeiten verworfen wurde. Dies kann ich aber ob des langen Arbeitszeitraums nicht beschwören.
Gruß
Simon Pschorr
Was für eine billige Kritik, Herr Buchmüller. Gerade als Vertreter des Jungen Forums, die im Wahlkampf immer wieder Ideologiefreiheit propagiert haben, finde ich die Beleidigung von Simon als angeblichen „Selbstdarsteller“ und dass er sich angeblich nicht engagieren würde, völlig unter der Gürtellinie (und noch dazu unwahr). Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Kritik nur erfolgt, weil Simon nun mal bei der Linken ist. Nicht konstruktiv ist damit leider nur ihr Kommentar.
Sachliche Kritik (natürlich gemischt mit Kritik am OB, das ist ja auch völlig valide in einer Demokratie) sehe ich hingegen im Artikel. Vielen Dank zumindest für den Artikel, ich persönlich habe zumindest etwas über Verwaltungsjargon bzgl „Leitlinien“ gelernt. Zwei Fragen hätte ich aber noch, vielleicht können die an der Ausarbeitung Beteiligten das ja aufklären:
1. Was heißt denn „auf einen Stadtteil“ bezogen, wer und woran entscheidet sich das? Wenn ich jetzt beispielsweise (völlig willkürlich ausgewähltes Beispiel…) für ein Konzerthaus neben dem Bodenseeforum werben möchte, betrifft dass dann nur Petershausen-West? Wenn Bäume im Tägermoos gefällt werden, welchen Stadtteil betrifft das denn dann?
2. Was genau können denn einzelne Gemeinderäte/Fraktionen machen, um Vorhaben auf diese Vorhabenliste zu setzen? In dem Papier steht dazu „Er / Sie bespricht die Angelegenheit mit seiner / ihrer Fraktion bzw. anderen GemeinderätInnen, die wiederum die Aufnahme des Themas auf die Tagesordnung des Gemeinderats beim Oberbürgermeister beantragt bzw. beantragen.“ Heißt das also, Gemeinderäte und Fraktionen können das lediglich im GR besprechen lassen und um es draufsetzen zu lassen, braucht es trotzdem eine Gemeinderatsmehrheit? Das ist doch aber völlig albern, wenn es dort bereits eine Mehrheit für das Vorhaben gäbe, dann bräuchte ich doch keine Bürgerbeteiligung mehr, sondern könnte es gleich normal abstimmen. Viel sinnvoller wäre hier doch ein Minderheitenrecht, wie es in anderen Parlamentsangelegenheiten (vergleiche Große Anfragen im Bundestag oder Einsetzung von Untersuchungsausschüssen) üblich ist, so dass auch einzelne GemeinderätInnen oder zumindest Fraktionen ein Vorhaben direkt auf die Liste setzen können.
Lieber Juri,
ich sehe großzügig über die Frechheiten hinweg, die deine Unterstellung, ich sei abwesend gewesen, mit sich bringen. Deine gefühlte Wahrnehmung zu beurteilen, steht mir nicht zu – allerdings bleibt sie nur dein Gefühl, korrespondiert aber nicht mit der Realität. Dass ich erst nach ca. 8 Monaten zur Projektgruppe stieß, ist der internen Aufgabenverteilung in unserer kleinen Fraktion geschuldet, doch tut das hier keinen Abbruch – zu diesem Zeitpunkt begannen gerade die Auseinandersetzungen mit der Stadtverwaltung lebhaft zu werden.
Jedoch scheinst du auch den Text nicht gelesen zu haben: Mitnichten verriss ich die Tätigkeit der Projektgruppe! Im Gegenteil – es handelt sich um ein Lob deren Arbeit. Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, wie positiv ich die konstruktive Zusammenarbeit in diesem Gremium empfand.
Das vorliegende Ergebnis ist aber gerade nicht Produkt der Projektgruppe, sondern ein verkürzter, verkrüppelter und zusammengestauchter Rest dessen, was die Projektgruppe als eigenen Vorschlag vorgelegt hat. Es handelt sich um ein Ergebnis verwaltungsinterner Angst. Das jetzt schönzureden als „vorsichtiger“ Schritt in die richtige Richtung wird der Arbeit der Projektgruppe gerade nicht gerecht, sondern beschönigt einen beschämenswerten Umgang mit bürgerschaftlichem Engagement. Ich persönlich – das ist nun mein Gefühl – glaube, dass du dich nun an den letzten Rest eines wahrgenommenen Erfolges klammerst, anstatt das Ergebnis nüchtern zu betrachten.
Schade.
Gruß
Simon Pschorr
Lieber Simon,
ganz so schlecht, wie Du die Leitlinien aussehen lässt sind sie nicht. Trotz Verbindlichkeitsproblematiken und haufenweise Bedenken aus der Verwaltung sind sie ein (vorsichtiger) erster Schritt in die richtige Richtung für Transparenz und Nachvollziehbarkeit, und es ist jetzt an uns, diese Werte weiter zu stärken!
Dagegen zu unken hilft vielleicht bei der Selbstdarstellung, aber konstruktiv ist es nicht. Mal ganz abgesehen davon: Bürgerbeteiligung braucht Engagement, aber Dein Engagement hat sich gefühlt auf deutlich weniger als die Hälfte aller Sitzungen der Projektgruppe Bürgerbeteiligung beschränkt. Meiner Meinung nach nicht genug jedenfalls für einen Verriss der engagierten Arbeit der Projektgruppe.
Viele Grüße,
Juri
@Bruno Neidhart
800 „Papier“unterschriften (Willkommen übrigens im 21 Jahrhundert!) sind durchaus eine Hürde, vor allem in Kombination mit:
– einem durchaus sehr engen (unnötig fixen) Zeitfenster von 3 Wochen
– der Tatsache, dass man z.B. mit einem Infostand in der Stadt vor allem Schweizer Einkäufer und keine Konstanzer erreicht
– eine unnötige Hürde schafft, dass man eigentlich von Tür zu Tür gehen muss (wer will schon wie ein Bettler auftreten)
– dem Risiko die 800 Unterschriften nicht ganz zu erreichen, aber trotzdem das Vorhaben anmelden zu müssen und befürchten zu müssen, dass ein mögliches Nicht-Erreichen von der Verwaltungs-PR dann negativ ausgelegt wird und somit das Risiko besteht, dass eine positive Beteiligung für etwas negativ ausgelegt wird.
Und all dieser Aufwand dann wozu? Damit die Verwaltung das alles gnädig zur Kenntnis nehmen kann und das Verfahren gestalten kann wie sie es will. Wer wird den erheblichen Aufwand betreiben, wenn er als Ziel dann praktisch nichts erreicht?
Abschreckender kann man den Prozess nun wirklich kaum noch gestalten.
Danke für gar nichts und 2 Jahre Resourcenverschwendung!
Pschorr irrt! 800 ist keine „hohe Hürde“ in einer Stadt mit 83’000 Einwohnern. Und 200 für einen „Ortsteil“ ebenso nicht. Das bringt man allemal zusammen.