Eine neue Wohnungspolitik muss her
„Eine Zwischenbilanz des Handlungsprogramms Wohnen zeigt: Nur öffentliche Bauträger und Genossenschaften schaffen in Konstanz bezahlbaren Wohnraum, sie müssen Priorität gegenüber dem Markt haben“, begründet Stadträtin Anke Schwede einen LLK-Antrag an den Konstanzer Gemeinderat, der erstmals am kommenden Dienstag in der Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) beraten wird.
Nicht nur die Pappel-Fällung am Konstanzer Seerhein und nicht nur der Planungsstand zum Umbau des Schweizer Bahnhofs stehen am 16.1. auf der TUA-Tagesordnung – vor allem die städtische Wohnungspolitik wird zur Sprache kommen. Die Vorschusslorbeeren für das Handlungsprogramm Wohnen sind längst verwelkt, dennoch bejubelt die Stadtverwaltung im gerade erstmals erschienenen Amtsblatt ihre Politik: „Positive Bilanz zum Wohnen“ ist ein ganzseitiger Artikel zur Evaluierung für das Handlungsprogramm Wohnen überschrieben, in dem letztlich nur einem „weiter so“ das Wort geredet wird.
Dabei ist es höchste Zeit für neue Lösungen, jeder Wohnungssuchende erlebt das tagtäglich. Die Drei-Zimmer-Wohnung in Konstanz für 1420 € Miete, aktuell im Internet angeboten, ist wohl nicht jedermanns Sache. Anderes Beispiel: Vier Mietern in einem Niederburg-Haus wurde gleichzeitig vor Monaten schon gekündigt – keine der Familien hat trotz intensiver Suche bisher eine neue Wohnung gefunden – und die Frist läuft im März ab. Wer da noch von einer „positiven Bilanz“ und von einem „guten Weg“ schwadroniert, hat jeden Bezug zur Konstanzer Realität verloren.
Dass es aber doch Lösungen geben könnte, zeigt die Linke Liste Konstanz (LLK) auf. In ihrem Antrag, der erstmals am Dienstag im TUA und zwei Tage später im Gemeinderat diskutiert werden soll, sind acht Forderungen formuliert, die eine Wende in der städtischen Wohnungspolitik einläuten könnten:
Acht-Punkte-Programm der LLK
1. Die Zielkorridore des Handlungsprogramms Wohnen werden neu festgesetzt. Gegenstand des Programms ist ausschließlich der soziale Wohnungsbau und preisgedämpfter Wohnungsbau.
2. Die Mietobergrenzen für den sozialen Wohnungsbau werden auf 5,50 Euro/qm festgelegt, für den preisgedämpften Wohnungsbau auf 8,50 Euro/qm.
3. Der Anteil des öffentlich geförderten Wohnungsbaus (Bundes-, Landes-, kommunale Mittel) am Handlungsprogramm Wohnen wird auf 50% festgelegt.
4. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wobak verpflichtet sich, 50% des geförderten und preisgedämpften Wohnraums zu schaffen. Im Haushalt der Stadt werden die nötigen Mittel bereitgestellt, um der Wobak die Umsetzung dieser Zielstellung zu ermöglichen.
5. Geltende Laufzeiten der Mietpreisbindung bei geförderten Wohnungen werden, sofern rechtlich möglich, auf mindestens 30 Jahre erhöht. Für alle geförderten Neubauten gilt eine Mietpreisbindung von mindestens 30 Jahren.
6. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, einen Katalog von Fördermaßnahmen für genossenschaftlichen Wohnungsbau zu erarbeiten, ebenso für Baugemeinschaften (z.B. Mieter- oder Eigentümer-Initiativen) und andere alternative Wohnformen.
7. Für Grundstücke in kommunalem Eigentum gilt ab sofort ein Verkaufsstopp. Werden Grundstücke für Bauprojekte vergeben, geschieht dies ausschließlich in Erbbau.
8. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, Instrumente zur Mietpreisdeckelung zu prüfen, z.B. Mietstopp bei der Wobak (auch im Fall von Renovierungsmaßnahmen), Milieuschutzsatzungen für einzelne Stadtteile, Schärfere Maßnahmen gegen Leerstand etc.
Die Verwaltung hat in ihrer schriftlichen Vorlage zur Dienstag-Sitzung bereits signalisiert, dass sie an ihrem alten Kurs festhalten will. Und auch vom Großteil der RätInnen ist eine Kehrtwende wohl kaum zu erwarten. Um so dringlicher, dass solche Alternativen wie die von der LLK formulierten in die öffentliche Diskussion gelangen. Denn in einem Jahr wird ein neuer Gemeinderat gewählt. Und in zwei Jahren ein neuer Oberbürgermeister.
hpk
Das „Acht-Punkte-Programm“ der Linken Liste Konstanz ist ein gelungener Start in den Wahlkampf für die anstehenden Kommunalwahlen. Bisher zeigt sich von Seiten der anderen Parteien nur wenig Kritik am eingeschlagenen Weg des „Handlungsprogramms Wohnen“, das zumindest in sozialer Hinsicht seine Ziele weitgehend verfehlt hat.
Dabei offenbart es selbst, welche Maßnahmen nun angezeigt sind: Das alleinige Befördern des Wohnungsbaus, ein Schaffen von Angebot, entschärft die Situation keineswegs. Es führt viel eher zu einer Schieflage – und zu einem Umbau der Zivilgesellschaft Konstanz‘. Denn die dramatischen Beispiele der Wohnungsnot, die kursieren, sie betreffen nicht nur die Ärmsten, sondern reichen bis weit in die Mittelschicht hinein.
Wer Steuern auf Grundstückserwerb und Wohneigentum erniedrigen will, der schafft damit noch lange keinen Platz für die, die Wohnraum dringender denn je bräuchten. Natürlich bedarf es Anreize, überhaupt zu bauen. Und selbstverständlich sind viele Vorschriften und Paragrafen nur zusätzlicher Ballast in der Wohnraumförderung. Doch in den meisten Parteiprogrammen fehlt es über die Entlastung der Hausbesitzer hinaus an Maßnahmen, wie der neu entstehende Wohnraum auch denen zugutekommen kann, die auf ihn angewiesen sind.
Und die Schlussfolgerungen aus der Zwischenbilanz zum „Handlungsprogramm Wohnen“ sind eindeutig: Tatsächlich sind es allein öffentliche Träger, die garantieren können, dass die Verteilung von Wohnraum endlich wieder gerecht ausfällt. Der Punkte-Plan der Linken Liste ist gewohnt markig, aber anders scheint man in Konstanz kaum noch Gehör zu finden, in einer eingefahrenen Zufriedenheit über das Erreichte, das letztlich nicht mehr ist als gesellschaftlicher Sprengstoff: Wir bauen und halten Wohnraum vor für die, die ihn sich leisten können – und vergessen die, die sich ohnehin nicht wehren dürften.
Natürlich haben wir gehandelt: Das Programm der Stadt machte seinem Namen alle Ehre, immerhin zieht es immer mehr Menschen nach Konstanz. Bläht sich allerdings ein Bauch der Einkommenspyramide unter den Neubürgern einer Stadt zu sehr auf, dann weist das deutlich darauf hin, dass hier etwas nicht sonderlich ausgewogen vonstatten geht. Und dort, wo Extreme sich bahnbrechen, da muss mit viel Engagement entgegengehalten werden: Die LLK lädt ein, im kommenden Wahlkampf die Argumente auszutauschen – und legt mit provokanten Forderungen vor. Sie packt Pfunde auf die Waagschale derer, die bisher keine Stimme hatten. Man wird abwarten müssen, wer noch dazustößt ins Konzert der Ideen, die Konstanz fairer machen sollen.