Einmal um die ganze Welt
Geschichte wird gemacht, es geht voran – zumindest mit dem Radverkehr in Konstanz: Der Radweg an der Straße durchs Tägermoos wird endlich ausgebaut und besser angeschlossen, und es wird einen neuen Fuß-und Radweg zwischen der Max-Stromeyer-Straße und dem Bahnradweg geben. In der Stadt sollen zusätzliche Anlehnbügel installiert werden, und auch an manchen Schulen soll sich die Fahrradabstellsituation verbessern. Dazu noch ein virtueller Reisetipp unter dem Motto „Surfen statt radeln“.
Die Stadt Konstanz hat sich für diesen Sommer, ob er nun kommen mag oder nicht, einiges an Maßnahmen für RadlerInnen vorgenommen. Längst überfällig ist natürlich der Ausbau des Fuß- und Radweges entlang der Straße durch das Tägermoos, der derzeit eine echte Schande ist. Nachdem schon kleine Abschnitte des neuen Anschlusses nahe dem Zoll fertiggestellt wurden, soll es jetzt mit Volldampf weitergehen und auch der Anschluss auf deutscher Seite ausgebaut werden.
Neuer Radweg Weiherhof
Eine größere Verbesserung wird es auch in Petershausen geben. Dort soll auf dem Weiherhof-Areal ein neuer Fuß- und Radweg zwischen der Max-Stromeyer-Straße und dem Bahnradweg in Petershausen entstehen. Er führt westlich am Kinderhaus Dorothea von Flüe vorbei, kreuzt die Weiherhofstraße und mündet dann am Bolzplatz in den Bodenseeradweg. Damit die Benutzer des neuen Weges heil über die Max-Stromeyer-Straße kommen, wird diese an beiden Seiten verengt und für ein Stück zur Tempo-30-Zone erklärt. Die nahe Ampel darf leider nicht an die neue Radwegkreuzung verlegt werden, wie es auf den ersten Blick sinnvoll erschiene, weil in Tempo-30-Zonen seit dem 1.11.2000 keine neuen Lichtsignalanlagen mehr zulässig sind (kein Witz, sondern § 45 1c StVO).
In der Altstadt wird es an mehreren Stellen neue Anlehnbügel („Panzersperren“) etwa von der Art geben, wie sie Umberto Petriciuolo von den TBK auf dem Foto oben montiert, und auch am Humboldt-Gymnasium werden die Fahrradabstellanlagen erweitert. Außerdem wird die Schützenstraße im Zuge von Renovierungsmaßnahmen endlich zur Fahrradstraße ausgebaut, so dass die Achse von der Uni in Richtung Schweiz um ein gutes Stück länger wird. Es ist zu hoffen, dass für die Querung zwischen Schützen- und Schottenstraße über die Gottlieber Straße eine vernünftige Lösung gefunden wird, denn dort kriegt man derzeit immer noch die Krise. (Erst neulich ist ein Kumpel von mir dort nächtens sturztrunken in die Ketten gerauscht und hatte echt Mühe, noch rechtzeitig Fahrerflucht zu begehen, ehe die Scheinwerferkegel der sofort aufgestiegenen Suchdrohnen ihn erfassen und auslöschen konnten. Er ist als Vampir äußerst lichtempfindlich, aber seit einer Flügelverletzung nun mal aufs Fahrrad angewiesen.)
Zu den geplanten Maßnahmen zählt auch die auf zwei Jahre angelegte Neuausschilderung der Radstrecken im gesamten Stadtgebiet, die natürlich insbesondere für ahnungslose TouristInnen von Bedeutung ist. Ein bisschen traurig ist das natürlich schon, denn bisher konnte man als Einheimischer den verzweifelten und verirrten Touris, die sich – vor Wut schwitzend – nahe der AGIP-Tankstelle über eine veraltete Landkarte beugten, mit weltläufiger Lässigkeit zurufen: „Über die Ampel, dann schräg links, bis Sie am Gasbehälter vorbei sind, dann um den Kreisverkehr, zweite Ausfahrt nehmen, in westlicher Richtung bis zur nächsten Einmündung, dann rechts rein und hoch zur Bahn. Sofort links, und sie können geradeaus bis Singen durchfahren.“ Dieser Rat ist natürlich völlig nutzlos, weil ihn sich keiner merken kann. Deshalb pflege ich mit Verschwörermiene und gesenkter Stimme im falschen Ton tiefster Anteilnahme hinzuzufügen: „Aber unter uns, nach Singen will nun wirklich kein Schwein“.
Weitere Informationen der Stadt finden sich hier:
Maßnahmen 2019
Wegweisung
Konstanz ist Aufsteiger unter den Radstädten
Soeben teilt Gregor Gaffga, Radverkehrsbeauftragter der Stadt, stolz mit, dass Konstanz im aktuellen Fahrradklima-Test 2018 des ADFC einen der ersten Plätze in den Kategorien „Aufholer“ (größte Verbesserung im Vergleich zum Ergebnis des ADFC-Fahrradklima-Tests 2016) bzw. „Spitzenreiter“ (bester absoluter Durchschnittswert) erreicht hat.
An der Befragung nahm eine Rekordteilnehmerzahl von fast 170.000 Menschen teil. 683 beteiligte Kommunen haben die erforderliche Mindestteilnehmerzahl erreicht und sind so in die Wertung für das Städte-Ranking gekommen. Am 9. April 2019 findet die Preisverleihung in Berlin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur statt.
Das Radeln der Anderen
Im Internet gibt es immer wieder Seiten, die man einfach mag und am liebsten knuddeln möchte. Natürlich sagen diese Vorlieben oft mehr über den Betrachter aus als über die Seiteninhalte, aber was soll’s, wenn das Kuschelbedürfnis einen übermannt? (Nein, Herr Kardinal, mir können Sie nicht erzählen, dass Sie automatisch von www.caritas.de auf www.kinderbademoden.de weitergeleitet wurden!).
Zu meinen Lieblingen gehört die Seite, auf der das Betreiberunternehmen auch der Konstanzer Fahrradmessstelle die aktuellen Messwerte seiner weltweit derzeit 228 Zählstellen veröffentlicht: http://eco-public.com/ParcPublic/?id=4586#
Nicht nur, dass ich vor Lokalpatriotismus erglühe, weil Konstanz gleich nach Freiburg und noch vor Sao Paulo (muss ganz schön anstrengend sein, bei der brasilianischen Hitze mit der obligatorischen kugelsicheren Weste durch den Smog zu radeln!) weltweit auf dem zweiten Platz liegt. Nein, es macht auch Spaß, auf der dortigen Landkarte entlegenere Fahrradzählstellen zu besuchen.
Radeln statt gegessen werden
Zu meinen Lieblingen zählt die Stadt Alta in Nordnorwegen, von der ich zuvor noch nie gehört hatte. Sie hat 12.000 Einwohner, also knapp doppelt so viele wie Wollmatingen, und war laut Wikipedia „für einige Jahre die weltweit nördlichste Ortschaft mit mehr als 10.000 Einwohnern“. Dieser schmucke Ort leistet sich gleich zwei Fahrradzählstellen, aber ich wundere mich immer wieder, dass da überhaupt jemand Fahrrad fährt. Das dortige Wetter ist derart beschissen, dass man mich nur mit vorgehaltener Waffe zum Verlassen des Hauses bewegen könnte. Immerhin sind an beiden Zählstellen zusammen trotz der ewigen Finsternis in diesem Jahr bereits über 13.000 RadlerInnen gezählt worden, die meine ganze Hochachtung genießen! Entweder sind sie viel härter als wir alemannischen Weicheier, oder sie sind ganz einfach auf der Flucht vor fleischfressenden Elchen, die zu schnell rennen, als dass man ihnen auf Skiern entkommen könnte. Wie gesagt, mir müsste man da eine Knarre an den Kopf halten, selbst wenn kein Bier mehr im Haus ist.
Eine echte Überraschung ist immer wieder auch die Zählstelle in Dubai. Fahrradfahren in Dubai, wo der dortige Trend doch nicht nur zur Viertfrau, sondern auch zum Drittauto geht? Wo Benzin aus dem Wasserhahn strömt und nur einen Bruchteil von echtem Wasser kostet? Radeln in der gleißenden Sonne, wo doch (kein Witz!) selbst die Bushaltestellen klimatisierte Wartehäuschen haben? Wo man beim Strampeln mit der Abaya oder Kandura auch noch in der Kette hängen bleibt? Da ruft der Einheimische doch aus Herzensgrund „Njet!“: An dieser Zählstelle wurden in diesem Jahr bisher folglich auch nur 0 Fahrradbewegungen gemessen. Also, Radler, kommst Du nach Dubai, hast Du die Chance, dort die Nummer 1 an der Zählstelle zu werden – oder festzustellen, dass das Ding ganz einfach nur kaputt ist.
O. Pugliese unter Verwendung verschiedener Medienmitteilungen
Foto: Umberto Petriciuolo von den TBK installiert Fahrradbügel, © Stadt Konstanz.
Wermutstropfen im erkennbaren Aufwärtstrend:
– Kettenabsperrungen und Poller ohne massive optische Kennzeichnung auf der Fahrbahn an Fahrradhauptachsen halte ich nach wie vor für strafbare gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (auch kein Witz, sondern § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB).
– Auch an der sogenannten (aber nie gewesenen) Bischofsvilla am Seerhein könnten hiner den Treppenstufen Sammelboxen für ausgeschlagene Zähne angebracht werden, mit dem bekannten Slogan “ S a u b e r e r ist konstanzerischer“. Sie würden nicht nur von überraschten Radfahrern, sondern auch von Fußgängern genutzt.
Bernhard Wittlinger
Rechtsanwalt