Ellenrieders Lehrstunde in Demokratie
Gerne würde seemoz über eine Podiumsdiskussion am Konstanzer Ellenrieder-Gymnasium in Wort und Bild berichten – allein: Die beiden Redakteure wurden auf Geheiß der Schule an ihrem Auftrag gehindert und von freundlichen Polizisten aus dem Saal gewiesen. Wobei Schulleiter Peter Beckmann auf die willfährige Hilfe einiger Lehrer und die unkritische Unterstützung mancher Eltern bauen konnte: Pressefreiheit nach Gutsherrenart.
Rektor Peter Beckmanns höchst persönliches Peter-Prinzip selektiver Pressefreiheit funktioniert so: Zur Diskussion um die Bildungspartnerschaft zwischen dem Ellenrieder-Gymnasium und dem Rüstungskonzern EADS wird vollmundig „die Presse“ eingeladen; vor Ort aber stellt sich heraus, dass mit Presse ausschließlich der Südkurier gemeint ist; andere Pressevertreter sind nicht gelitten. Pikant zudem: Ausdrücklich wünschte Rektor Beckmann Frau Schlüter als Berichterstatterin. Deren unkritische Artikel zur Partnerschaft Ellenrieder-EADS hatten es Peter Beckmann seit langem angetan. Ausdrücklich verzichten wollte er hingegen auf die seemoz-Redakteure. Deren seit Jahren kritischen Texte hatten Peter Beckmann stets geärgert. Er wollte schlicht Hofberichterstattung gegen Eintrittskarte.
Was war da schulintern?
Wahr ist: Die Diskussionsrunde war als schulinterne Veranstaltung ausgeschrieben. Doch gegen dieses Gebot verstieß nicht nur die Anwesenheit von Jungreporterin Schlüter, sondern auch der ausdrücklich begrüßte Besuch etlicher EADS-Mitarbeiter. Da hatten sich (Originalton Beckmann) „im Publikum versteckt“ unter anderem eine Ausbildungsleiterin, der Betriebsratsvorsitzende, ein Kommunikationsmanager, ein Personalleiter: Stichwortflüsterer, Bodyguards oder nur Claqueure für EADS-Standortleiter Nielsen, der ansonsten reichlich unsicher auf dem Podium agierte?
Der wahre Skandal aber ist die ungleiche Behandlung von Pressevertretern nicht nur durch Rektor Beckmann, sondern auch durch manche Lehrpersonen und führende Elternvertreter, die sich ohne Not zu willfährigen Bütteln des Zuchtmeisters machten. Zwei LehrerInnen womöglich namens Lehmann und Stöckel – mit ihrer Vorstellung nahmen es die gymnasialen Ausbilder nicht so genau – fingen Hans-Peter Koch ab, kaum hatte er die Schule betreten, und forderten ihn harsch auf, den Raum zu verlassen. Sein Einwurf, die Presse sei offiziell eingeladen, wurde zunächst infrage gestellt. Dann aber tauchten unversehens Frau Schlüter und Fotograf Hanser vom Heimatblatt auf – ja, die seien von Rektor Beckmann eigens eingeladen worden, hieß es plötzlich. seemoz-Redakteur Koch weigerte sich daraufhin zu gehen: „Solche Ungleichbehandlung nehme ich nicht hin“.
Sodann traten Rosi Siber und Alexandra Bianchi-Bek auf den Plan. Die beiden Elternbeiratsvorsitzenden drängten Koch und Holger Reile, der zweite seemoz-Redakteur war mittlerweile auch eingetroffen, zum Abgang. Was nicht nur den Protest der beiden Journalisten provozierte – auch Theaterintendant Christoph Nix, zufälliger Zeuge der Szene, mischte sich lautstark ein. Die Damen der Elternvertretung riefen daraufhin die Polizei.
Wer hat gegen Gesetze verstoßen?
Nach einer halben Stunde erschienen zwei freundliche, gleichwohl irritierte Streifenpolizisten. Reile und Koch ließen sich aus dem Saal führen, Nix und sein Sohn begleiteten sie aus Solidarität.
Der Juraprofessor Christoph Nix brachte dann noch ein bedenkenswertes Argument in die Diskussion: Kann es sein, dass mit Holger Reile nicht nur ein Journalist an seiner Arbeit gehindert, sondern auch ein Gemeinderatsmitglied als Vertreter des Schulträgers des Hauses verwiesen wird? Die Polizisten mochten diese Frage nicht entscheiden – andere Entscheidungsträger der Stadt aber werden um eine Beantwortung nicht herumkommen.
Fest steht: Ellenrieder-Rektor Peter Beckmann, der in seinem Eingangsstatement das Schulgesetz Baden-Württembergs zitierte, hat offenkundig gerade gegen dieses Gesetz verstoßen. Da wird nämlich nicht nur vorgeschrieben, die SchülerInnen zur „Friedensliebe“ zu erziehen, sondern auch zu „Wertvorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung…, wie im Grundgesetz… verankert“.
Dazu gehört auch die Pressefreiheit. Doch diese Lehrstunde in Demokratie hat am vergangenen Donnerstagabend Rektor Beckmann – und mit ihm Lehrer und Eltern – gründlich verbockt.
Autor: hpk
Da hat Herr Beckmann nicht nur politisch gesehen einen groben Fehler gemacht… – und bringt so seine Schule leichtfertig weiter in Verruf!
Non scholae sed vitae discimus. Nicht fuer die Schule, fuer das Leben lernen wir. Und das stimmt auch hier: Besser als in jedem Gemeinschaftskundeunterricht kann man hier lernen, was das Gelernte wert ist, wenns denn mal eng wird. Was das ganze schoene Gerede von Pressefreiheit, Grundgesetz bis hin zu „westlicher Wertegemeinschaft“ letztlich bedeutet.
Ja, wieder was gelernt.
Ein Trauerspiel, diese Schule. Keinen guten Ruf mehr, alles verspielt. Was hat ein Hr. Beckmann zu verbergen, das er sich vehement gegen eine offene Presse sträubt??? Dann noch ausgerechnet Frau Schlüter als Berichterstatterin???? Elternvertretung holt die Polizei, also lächerlicher geht es nicht. Das Ellenrieder-Gymnasium wird durch so dummes und undemokratisches Verhalten geschädigt. EADS geht in einer Schule gar nicht ohne Pressefreiheit oder ist es mehr wie man glaubt??? Geht das alles in KN???
Es gibt kein Hausverbot, werter Bübi. Stattdessen die freundliche Bitte eines damals noch freundlichen Herrn Beckmann (es muss an einem Dezember-Nachmittag des Jahres 2010 gewesen sein) eine Wandtafel im Ellenrieder doch bitte nicht zu fotografieren und die Schule zu verlassen. Was auch geschah.Also nichts Geheimnisvolles. Was die Hintergründe dieser Entscheidung betrifft, ist wohl eher Rektor Beckmann der geeignete Ansprechpartner. Aber der antwortet nicht auf inquisitorische Fragen. Womit er ausnahmsweise recht hat.
Klarer Verstoß gegen die Pressefreiheit, in meinen Augen. Noch dazu handelt es sich hier ja um eine Schule, also ein öffentliches Gebäude und nicht um ein Privatgrundstück, wo ich als Eigentümer vielleicht ein bisschen freier bin in meiner Entscheidung, wem ich Zugang gewähre. Vor allem ist dies nicht nur falsch, sondern auch ausgesprochen dumm vom Schulleiter und allen Beteiligten, siehe Streisandeffekt.
Das Hausverbot wurde nicht erwähnt. Darf man da mal die Hintergründe erfahren?