Empört euch – aber gegen die Richtigen!

So die Überschrift eines Leserbriefs, der wegen der Äußerungen von Till Seiler in einer Abizeitung an den „Südkurier“ ging. Doch Kritisches, vor allem gegen die eigene Berichterstattung, lässt man bei der Tageszeitung dann doch lieber unter den Tisch fallen. Frei nach dem Motto: Das merkt schon keiner. Falsch gedacht. Hier nun die verschwiegene Lesermeinung in vollem Wortlaut.
„Früher wurde die Abi-Zeitung oft auch „Bier-Zeitung“ genannt: Zum einen, weil sie meist unter Zuhilfenahme einiger Biere entstanden war und auch mit diesen gemeinsam nach der mündlichen Prüfung verteilt und konsumiert wurde, zum anderen, weil das Wort schon nahelegte, dass man sie auf keinen Fall bierernst nehmen darf. Lediglich persönlich verunglimpfende Kommentare sollten unterlassen werden. Wie Herr Seiler ja selbst sagt, hatte das Ganze einen „unernst-ironischen“ Charakter, und von Oberstufenlehrern wird einfach erwartet, dass sie mit übertriebenen, witzelnden Antworten den Schülern in ihren Interviews Contra geben.

War früher ein Gag besonders witzig, fand man ihn „zum Schießen“, „zum Totlachen“ oder er „schlug ein wie eine Bombe“. Wer denkt bei diesen spielerischen Übertreibungen schon an Winnenden? Hier wird doch ein wirklich tragisches Ereignis vorsätzlich gegen jemanden missbraucht, der sich auch noch für die Abrüstung in der Region, in der Schule (die einen Kooperationsvertrag mit der Rüstungsindustrie fortbestehen lässt) und nicht zuletzt in den Köpfen einsetzt. Der Verdacht liegt nahe, dass unsere „Heimatzeitung“ sich mit einem selbst inszenierten Skandälchen über das Sommerloch retten will.

Schade, wenn ich gewusst hätte, dass diese Zeitung sich mit anonymen Briefen „von Betroffenen aus Konstanz“ abgibt, dann hätte ich schon vor Jahren meinem Ärger über unqualifizierte Äußerungen von Lehrern der selben Schule Luft gemacht. Damals, der Abiturjahrgang 2009 wird sich erinnern, wurde einer Schülerin aufgrund ihrer schwachen Leistungen nahe gelegt, doch Klofrau zu werden. Ein andermal – die selbe Schülerin aß zu Unterrichtsbeginn erst ihr Pausenbrot fertig – wurde ihr vom kompetenten Pädagogen geraten, ihre „anatolischen Essgewohnheiten“ bleiben zu lassen. Die Familie stammt aus der Türkei. Witzig, oder? Jedenfalls wurde von den wenigen darüber erschrockenen Eltern das direkte Gespräch gesucht, ohne stasimäßige Berichte an die Presse weiterzuleiten.

Also, empört euch, aber gegen die Richtigen!“

Autorin: Susanne Kapp-Freudenberger.

Dieser Leserbrief ging bereits am 21.7. an den Südkurier