Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (32)
Die Pfeife rauchende Wahrheitsverkünderin
Vier ihrer fünf Kinder waren bereits verkauft worden, das Jüngste ließ sie sich nicht mehr nehmen. Obwohl im Bundesstaat New York die Sklaverei gerade abgeschafft wurde, wollte ihr Herr sie nicht freilassen, und so nahm sie eines Nachts ihre Tochter bei der Hand und verschwand. Das war 1827. Fünfmal hatte sie in den vergangenen drei Jahrzehnten den Besitzer gewechselt, sie war versteigert, misshandelt und zwangsverheiratet worden. Jetzt wollte sie ein Leben in Freiheit führen, ihr Startkapital war ein tiefer Gottesglaube.
Unterschlupf fand sie zunächst bei QuäkerInnen, die damals zu den entschiedensten GegnerInnen der Sklaverei zählten. Sie nahm eine Arbeit als Hausangestellte an, engagierte sich in diversen religiösen Zirkeln (wo sie ihr Redetalent entdeckte) und zog schließlich als Wanderpredigerin durchs Land. Und die ZuhörerInnen waren fasziniert von der großen Pfeife rauchenden Schwarzen, die mit Inbrunst und tiefer Stimme von ihrem Leben und von Gott erzählte.
1844 stieß sie in Massachusetts auf die Northampton Association of Education and Industry, eine Kooperative von Frauenrechtlern und Sklavereigegnerinnen, in derGeschlecht, Hautfarbe, Religion keine Rolle spielten: Über zweihundert Menschen lebten und arbeiteten hier zusammen, züchteten Vieh, unterhielten Sägemühlen, kultivierten Maulbeerbäume für ihre Seidenzwirnfabrik.
Das Unternehmen endete zwei Jahre später zwar im wirtschaftlichen Fiasko, die Verbindungen aber blieben bestehen. 1850 veröffentlichte sie schließlich ihre Memoiren, die sich so erfolgreich verkauften, dass sie davon leben konnte. Und wieder ging sie auf Wanderschaft, geißelte Sklaverei und Rassismus und beschämte die weiße Frauenrechtsbewegung mit ihrer berühmten Rede „Ain’t I a woman?“, „Bin ich denn keine Frau?“, weil diese die schwarzen Frauen borniert ignorierte.
Später engagierte sie sich auch im Freedman’s Village bei Washington, einem Siedlungsprojekt, in dem nach Beginn des Sezessionskriegs 1861 Tausende geflohene Südstaaten-SklavInnen Unterkunft, medizinische Versorgung und Ausbildungsmöglichkeiten erhielten.
Wer war die 1883 verstorbene US-Prominente, die noch mit achtzig gegen Rassentrennung, Todesstrafe, Korsett und Alkohol zu Felde zog?
Text und Collage: Brigitte Matern
Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.