Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (40)

Der unerschütterliche Utopist

Fast einen Monat loderte das Feuer. Dann waren all die Hundert-Franc-Scheine verbrannt, deren Herstellung ihn zuvor fast ein Jahr seines Lebens gekostet hatte. Falls Frankreich 1962 den Krieg gegen Algerien weitergeführt hätte, wäre mit diesen Blüten der französische Markt überschwemmt worden, um die Wirtschaft zu destabilisieren. Doch nun war Algerien unabhängig, das Falschgeld Asche. Er war erleichtert und, wie er selbst sagte, „trunken vom wiedergefundenen Frieden“.

Der 1925 in Buenos Aires geborene Sohn einer russisch-jüdischen Emigrantenfamilie wollte so gern Fotograf werden. Bis er diesen Beruf aber in Ruhe ausüben konnte, musste er lange warten, denn er beherrschte das Fälschermetier wie kein anderer. Bereits als Schüler hatte er sich mit Typografie und Gravurtechniken beschäftigt; den Umgang mit Stoffen, Farben und Texturen lernte er mit vierzehn Jahren, als er in Paris eine Färberlehre absolvierte; eigene chemische Experimente am Küchentisch komplettierten sein Wissen.

Als die Nazis Frankreich überrollten, wurde die Résistance auf den kunstfertigen jungen Marxisten aufmerksam. Den „Judenstempel“ aus einem Ausweis zu tilgen, war für diesen längst ein Kinderspiel. Bald fabrizierte er bis zur Erschöpfung Geburtsurkunden, Pässe, Demobilisierungsformulare, Passierscheine und bewahrte so Unzählige vor Deportation, Folter und Tod. 1943 wurde er von den Nazis verhaftet und ins Durchgangslager Drancy bei Paris verbracht. Damals rettete ihn sein echter argentinischer Pass.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war sein Einsatz gegen Rassismus, Ausgrenzung und Ungerechtigkeit nicht beendet. Um möglichst vielen Holocaust-Überlebenden die Einreise nach Palästina zu ermöglichen, fälschte er massenweise Touristenvisa. Und wo immer Menschen verfolgt wurden – ob in den antikolonialen Befreiungskämpfen Lateinamerikas und Afrikas, in den Militärdiktaturen Spanien und Griechenland oder wenn, wie im Vietnamkrieg, US-Soldaten den Militärdienst verweigerten –, setzte er seine Fälschermaschinerie in Gang, ohne dass er je Geld dafür genommen hätte.

Als sein Labor 1971 aufzufliegen drohte, hängte er das klandestine Handwerk an den Nagel. Und hatte endlich Zeit für ein eigenes Leben und die Fotografie. – Wie heißt der pazifistische Widerstandskämpfer, der dem damaligen Revoluzzer Daniel Cohn-Bendit 1968 die Wiedereinreise nach Frankreich ermöglichte und dem nach Experimenten mit Mullbinden das Fälschen des Schweizer Passes gelang?

Text und Bildcollage: Brigitte Matern

Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.