Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (41)

Sie mochte sie nicht, diese gleichgültigen Ladies der Upper Class, und porträtierte sie in ihren Kurzgeschichten mit spitzer Feder. Als sie noch für „Vanity Fair“ und „Vogue“ schrieb, hatten die Redakteure viel zu tun, der zierlichen jungen Frau mit der honigsüßen Stimme die Seitenhiebe aus den Artikeln zu streichen. Auch in eine Bürodisziplin ließ sie sich nicht einbinden.

Sie kam meist zu spät (wie ihre Artikel) und verbrachte die Arbeitszeit lieber im Hotel Algonquin, im Kreis angehender KünstlerInnen, die nach dem überstandenen Weltkrieg lachen, trinken und berühmt werden wollten (viele wurden es, etliche soffen sich tot). Auch sie hatte Erfolg. Mit ihrer feinen Beobachtungsgabe und schmerzhaft präzisem Spott wurde sie die gefürchtetste Literatur- und Theaterkritikerin New Yorks und eine der bedeutendsten US-SchriftstellerInnen. Und sicher war sie auch eine der unglücklichsten.

1893 in eine wohlhabende New Yorker Familie hineingeboren, hatte sie ihre Mutter bereits mit vier Jahren verloren; der Vater – ein armer Emigrantensohn, der sich zum Fabrikbesitzer hochgearbeitet hatte – starb, als sie zwanzig war. Mit ihren schottischen, deutschen, jüdischen und protestantischen Wurzeln empfand sie sich zeitlebens als „Bastard“. Und dann folgte sie bei der Gattenwahl auch noch dem falschen Beuteschema. Drei Dinge verlange sie von einem Mann, verkündete sie einmal, „gutes Aussehen, Rücksichtslosigkeit und Dummheit“. Immer wieder verzweifelte sie am Leben und an der Liebe, versank tief im Alkohol. Als überzeugte Kommunistin bewahrte sie sich jedoch die Hoffnung auf eine bessere Welt.

Sie ging auf die Straße, als 1927 in Boston die italienischen Anarchisten Sacco und Vanzetti zum Tode verurteilt wurden, berichtete aus dem Spanischen Bürgerkrieg, sammelte Spenden für die hungernden Kinder, begründete in Hollywood die Anti-Nazi League mit und hauchte der Gewerkschaft für DrehbuchautorInnen neues Leben ein. Als sie in den Fünfzigerjahren über ihre „unamerikanischen Umtriebe“ Rechenschaft ablegen musste, stellte sich heraus, dass das FBI akribisch Buch geführt hatte: Dreiunddreißig politische Organisationen hatte sie mit Geld (wenn sie welches hatte), mit ihrem berühmten Namen oder aktiv im Vorstand unterstützt.

1967 blieb ihr Herz stehen. Die Rechte an ihren Werken hatte sie zuvor Martin Luther King und der schwarzen Bürgerrechtsbewegung vermacht. – Wer war die Gastprofessorin der California State University, die mit vierzehn von der Schule abgegangen war und einmal sagte: „Wenn du wissen willst, was Gott über Geld denkt, musst du nur die anschauen, denen er es gibt“?

Text und Bildcollage: Brigitte Matern

Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.