Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (49)
Der unbegnadigte Rädelsführer
Die Kunsthochschule in Santa Fe wollte er besuchen, doch es fehlte das Geld. So jobbte er in Kalifornien als Saisonarbeiter, in Portland als Schweißer und betrieb in Seattle, inzwischen einundzwanzigjährig und als Kfz-Mechaniker angelernt, eine Autowerkstatt. Damals bot er auch Unterkunft für in Not geratene indianische Landsleute, von denen es viele gab, seit die Regierung Eisenhower Schritt für Schritt den Sonderstatus der Reservate beendet und die dort dringend benötigte Unterstützung für Jobs, Bildung und Gesundheit eingestellt hatte. Zehntausende Native Americans strandeten damals in den Elendsvierteln der Städte – während auf ihrem ehemaligen Land Uran-, Kupfer-, Kohle- und Goldminenbetreiber die heiligen Stätten entweihten.
1944 im Turtle-Mountain-Reservat in Norddakota geboren, kannte der Angehörige der Ojibwe die sozialen und kulturellen Verheerungen, die der Landhunger der europäischen Einwander:innen und die an Eigeninteressen ausgerichteten und von Rassenhass durchdrungenen US-Gesetze hinterlassen hatten (was Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen miteinschloss). „Tötet den Indianer, rettet den Menschen“, lautete die Umerziehungsstrategie, und so wurde auch er, wie viele indianische Kinder zuvor und danach, aus der Familie geholt und in ein Internat verfrachtet; diese Zeit nannte er „meine erste Gefängnisstrafe“. Mit vierzehn kam er tatsächlich in Haft, weil er einer verbotenen Lakota-Sonnentanz-Zeremonie beiwohnte. Danach, weil er aus einem Armeetankwagen Heizöl für die kalte Familienbude abgezapft hatte.
Als er 1972 der Protestbewegung American Indian Movement AIM beitrat, geriet er bald ins Fadenkreuz des FBI, das ihn zusammenschlagen ließ und dann wegen versuchten Mordes belangen wollte (wovon er später freigesprochen wurde). Er tauchte unter und mischte weiter mit im mühsamen Kampf um Selbstbestimmung. Bis ihm ein Hilferuf aus Süddakota zum Verhängnis wurde. In dem für die US-Atomwirtschaft interessanten Pine-Ridge-Reservat – der Uranabbau sollte forciert, AKWs und Überlandleitungen errichtet werden – geriet er mit anderen AIM-AktivistInnen in den Hinterhalt einer groß angelegten Polizeiaktion, bei der zwei FBI-Agenten den Tod fanden. Ohne stichhaltige Beweise wurde der heute 77-Jährige wegen Mordes zu zweimal „lebenslänglich“ verurteilt.
Wer ist der gesundheitlich stark angeschlagene Vorkämpfer der Native-Lives-Matter-Bewegung, der lange Jahre keine Gnade, sondern Gerechtigkeit forderte und den trotz internationalem Druck weder Bill Clinton noch Barack Obama freilassen mochte?
Text und Bildcollage: Brigitte Matern
Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.