Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (51)

Der Migrant mit dem Zeichenstift

„Wir können Ihre Arbeiten nicht annehmen“, beschied ihm ein Schweizer Redaktor, „denn wenn Sie eine Nachtigall zeichnen, dann sieht sie kommunistisch aus.“ Obwohl erst spät politisiert, war der Grafiker in den dreißiger Jahren eindeutig zu verorten. Für den „Basler Vorwärts“ war dies kein Problem, und mit Freuden nahm auch die Gewerkschaftspresse sein Können in Anspruch. Bis die Behörden den Illegalen zur Ausreise zwangen.

Kindheit und Jugend waren schwierig gewesen. 1903 im rheinländischen Koblenz unehelich geboren, war er beim Vater aufgewachsen, einem Beamten mit ausgeprägtem Untertanengeist, den dieser wohl auch seinem Sohn abverlangte. Denn kaum elf Jahre alt, wurde er in eine katholische Fürsorgeanstalt gesteckt. Vier Jahre Prügel und Demütigung folgten. In den Wirren der Novemberrevolution 1918 lief der Junge davon.

Die vom Vater aufgezwungene Malerlehre brach er ab, hielt sich mit Diebstahl über Wasser und begegnete endlich einem Sozialisten, der sein zeichnerisches Talent erkannte, ihn Parolen und Politplakate malen lehrte. Bis der Vater 1921 den missratenen Spross als „Bolschewisten“ denunzierte und ins Gefängnis werfen ließ.

Wieder in Freiheit, fand er Anschluss an linke Kreise, avancierte als politischer Karikaturist, zog nach Berlin, wo ihn Käthe Kollwitz unter ihre Fittiche nahm und seine ausdrucksstarken Linol- und Holzschnitte auch Lehrer-Freunde wie John Heartfield und Heinrich Vogeler begeisterten. 1930 folgte er Vogeler an den Lago Maggiore, wo er in der Künstler-Landkommune Fontana Martina mitarbeitete. Bei einem Grenzübertritt 1933 entkam er nur knapp dem Zugriff der Gestapo und tauchte in der Schweiz unter. Da seine Grafiken für die Gewerkschaftspresse und die über den Naziterror in Deutschland unter Pseudonym erschienen, erkannten die Schweizer Behörden erst 1935, wer da den Arbeitsfrieden und die Beziehungen zum nördlichen Nachbarn störte.

Er emigrierte nach Argentinien und fand schnell Arbeit – seine Bildergeschichten beeindruckten auch wortlos. Dort entstand der Linolschnittzyklus „Nacht über Deutschland“, und seine Illustrationen zu Hitlers „Mein Kampf“ waren so bissig, dass die deutsche Botschaft in Buenos Aires ein Verbot forderte, doch vergeblich. Als mit Juan Perón jedoch ein Faschismusverehrer an die Macht kam, wurde der unbequeme Chronist nach Patagonien verbannt.

Wer war der mit 85 Jahren im Thurgau verstorbene Zeichenlehrer, der dem gewaltsamen Tod des Anarchisten Erich Mühsam eine Bildfolge widmete und den 1962 ein Militärputsch zurück in die Schweiz trieb?

Text und Bildcollage: Brigitte Matern

Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.