Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (6)

Alle zwei Wochen freitags fragen wir nach Persönlichkeiten aus der Geschichte – nach frechen Frauen, couragierten Männern und überhaupt nach Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzten und dabei nicht selten viel riskierten. Manche sind noch heute bekannt, viele andere aber sind in Vergessenheit geraten – wie etwa jene französische Sozialistin, die Gleichheit vor dem Gesetz radikal definierte.

Die sanfte Eheverweigerin

Dieser elende Privatlehrer! Da wollte die Mutter, eine verwitwete Postvorsteherin, ihrer Tochter eine gute Ausbildung bieten, und prompt ließ sie sich von sozialistischen Ideen anstecken. Und dann musste das ausgerechnet auch noch ein Anhänger Henri de Saint-Simons sein, der die völlige Gleichheit der Geschlechter propagierte! Zum Heiraten war die 1805 geborene junge Dame natürlich nicht mehr zu bewegen, stattdessen begann sie sich mit religiösem Eifer der Befreiung des weiblichem Individuums zu widmen. Dazu gab es auch allen Grund, denn Napoleon hatte mit seinem viel gerühmten Code civil und der darin festgeschriebenen Gehorsamspflicht den Frauenrechten einen nachhaltigen Fußtritt verpasst.

Mit achtundzwanzig Jahren siedelte die gebildete Normannin von Falaise nach Paris über, wo sie George Sand und andere SozialistInnen kennen lernte. Sie schrieb für diverse linke Publikationen – wie die „Voix des femmes“ und die „Encyclopédie nouvelle“ – und brachte drei Kinder zur Welt (die sie selbstverständlich ohne deren Väter aufzog). Finanziell stets am Abgrund, lebte sie nur in der zentralfranzösischen Landwirtschafts- und Druckereigenossenschaft Boussac wirklich sorgenfrei, wo sie rund zwei Jahre lang die Schule leitete und eine Zeitung herausgab.

1848 kehrte sie nach Paris zurück, gründete eine Vereinigung sozialistischer LehrerInnen, warb für Lohngleichheit und bessere Arbeitsbedingungen und half mit, die ArbeiterInnenvereine zu einer Union zusammenzufassen. Da man im nachrevolutionären, republikanischen Frankreich überall Umsturz witterte, wurde sie dafür wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Als Staatspräsident Louis-Napoleon sich 1851 vom konservativen Wahlvolk mit diktatorischen Vollmachten ausstatten ließ und es daraufhin zu Revolten kam, wurde die staatsgefährdende Frauenrechtlerin erneut verhaftet und mit zehntausend Oppositionellen nach Algerien geschafft. Sieben Monate später erwirkten Freunde ihre Begnadigung, auf der Heimreise starb sie jedoch völlig ausgezehrt mit nur 47 Jahren.

Wer war die pazifistische Gewerkschafterin, die zu „Algérie +“ – Deportation plus Zwangsarbeit – verurteilt worden war, nachdem sie vor Gericht erklärt hatte, dass sie am Aufstand gegen Louis-Napoleon zwar nicht aktiv teilgenommen habe, „im Herzen aber voll und ganz“ mit dabei gewesen sei?

Brigitte Matern (Text und Collage)

Die Auflösung folgt am kommenden Montag.