Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (67)
Die Nomadin des Sozialismus
„Ich bin geflohen, weil ich zu viel hatte. Du, weil du zu wenig hattest. Jetzt eint der Sozialismus unsere Anstrengungen“, soll sie 1903 in Lausanne zum jungen Benito Mussolini gesagt haben. Elf Jahre später war es vorbei mit der Einigkeit. Der Linksradikale, mit dem sie das sozialistische Zentralorgan Avanti! herausgab, mutierte zum Kriegstreiber, während sie als Pazifistin zum Generalstreik gegen den „Krieg der Kapitalisten“ aufrief. Zu dieser Zeit saß die Russin bereits im Vorstand der Sozialistischen Partei Italiens und forcierte den Ausschluss des Verräters.
Zur Welt gekommen war die Philosophiedoktorin und Nationalökonomin vermutlich 1875 bei Kiew. Ihr Vater, ein reicher Gutsbesitzer, starb früh; mit ihrer despotischen Mutter vertrug sie sich nicht. Knapp zwanzigjährig entfloh sie ihr und dem verhassten Zarenreich und zog, fünf Fremdsprachen im Handgepäck, in die Welt hinaus. Sie studierte unter anderem in Brüssel, Leipzig und Berlin, fand Anschluss an die sozialistische Bewegung und ging schließlich nach Rom, um die Vorlesungen des Marxisten Antonio Labriola zu hören. Dabei verliebte sie sich in das, wie sie meinte, „wunderbare Auffassungsvermögen des italienischen Volkes, seine revolutionäre Solidarität“.
Mit einem außergewöhnlichen Redetalent begabt, wurde sie 1902 dann in die Schweiz entsandt, um die italienischen Arbeitsmigrantinnen in den Sankt Galler Textilfabriken zu organisieren. Als 1905 die russische Revolution ausbrach, veranstaltete die Parteifunktionärin und ArbeiterInnensekretärin Solidaritätskampagnen. 1910 kehrte sie nach Italien zurück, nutzte jedoch fünf Jahre später wieder die nun neutrale Schweiz, um im bernischen Zimmerwald eine internationale sozialistische Opposition gegen den Krieg auf die Beine zu stellen.
Nach der Oktoberrevolution verabschiedete sie sich nach Moskau, wo sie Sekretärin der neu gegründeten Kommunistischen Internationale wurde. Die Niederschlagung des Kronstädter Matrosenaufstands 1921 entzweite sie jedoch mit Lenin. Sie ließ sich zunächst in Rom nieder, musste aber bald vor den Faschisten fliehen und lebte schließlich bis 1947 in den USA.
Wie heißt die 1965 in Rom verstorbene Politikerin und Publizistin, die von der Schweizer Regierung anlässlich des Generalstreiks 1918 des Landes verwiesen worden war und zeitlebens international politisch aktiv blieb?
Text und Bildcollage: Brigitte Matern
Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.