Erneut Streit um Büdingen und Zoffingen

Aufgebrachte BürgerInnen haben im Gemeinderat wieder mächtig Dampf abgelassen. Für die unangekündigte Fällung der Zoffingen-Bäume im Morgengrauen, die geplante Hafner-Bebauung sowie die Markierung von rund 60 Bäumen in Büdingen wurde von der Verwaltung vehement Rechenschaft gefordert. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn gestand im Kreuzverhör nach einigem Sich-Winden, bei einer Besprechung mit dem Investor in Büdingen anwesend gewesen zu sein, plädierte ansonsten aber auf Nichtwissen.

Die Stimmung in Konstanz wird angesichts der geplanten Baugroßvorhaben spürbar gereizter und die Verwaltung zunehmend nervöser.

So wollte ein Büdingen-Aktivist wissen, wer denn neulich nach einem Ortstermin mit dem Hotelerbauer rund 60 Bäume auf dem Areal markiert habe und was die Verwaltung damit zu tun habe. Karl Langensteiner-Schönborn antwortete ihm zuerst ausweichend, in seiner Behörde arbeite man gerade an der Freiflächenplanung. Er schob dann aber nach kurzem Zögern eine Art Geständnis hinterher, ja, er sei bei dem Treffen vor Ort gewesen (etwa in dem Ton, als habe er dort nur mal schnell einem fußkranken Regenwurm über einen Baumstumpf helfen wollen). Er wisse aber nicht, wer die Bäume markiert habe (höhnisches Getuschel im Publikum).

Picknick ja oder nein?

Eine Anwohnerin setzte die hochnothpeinliche Befragung unverzüglich fort und wollte von Langensteiner-Schönborn wissen, was denn bei dem Treffen mit dem Investor besprochen worden sei (oder sagte sie „Immobilienhai“ – es herrschte gelinder Tumult im Saal, so dass nicht alles richtig zu verstehen war, zumal das Mikro für das Volk auf Wackelkontakt programmiert zu sein schien). Laut Langensteiner-Schönborn ging es bei dem Gespräch um die Freiflächenplanung und dass der Bauherr seinen Freianlagenplan im April vorlegen müsse. Es gehöre zum normalen Amtsgeschäft eines Baubürgermeisters, sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen, fügte er entschuldigungsheischend hinzu.

Doch die Inquisition war an diesem Abend wachsam: Als ein anderer Bürger vernehmlich mit den Daumenschrauben klapperte, bequemte sich der Bürgermeister schließlich zu erläutern, dass es eine öffentliche „Wegeführung“ auf dem Gelände geben werde, die der Gestaltungsbeirat dann noch gutheißen müsse. Auf die Frage aber, ob man dort im Büdingen-Park dann am Wegesrand auch picknicken dürfe, plädierte KLS erneut auf Nichtwissen: „Man kann verlangen, was im Bebauungsplan steht. Steht dort nicht Picknick drin, gibt’s kein Picknick.“

Na ja, Picknicken kann man ja immer, Plan hin oder her. Lassen wir uns das mal auf der geistigen Zunge zergehen: An einem lauen Sommerabend flammen in Büdingen rund ums Hotel – gleich lustigen Glühwürmchen auf Brautschau – die züngelnden Feuerchen hunderter Klappgrills auf, und der Wind treibt den herzhaften Duft echt konstanzerischer Grillwürstchen in dichten Rauchschwaden in den Wellness-Tempel, in dem gerade zuckerfreier Staudensellerie an zuckerkranke Millionärsgattinnen verfüttert wird. Der selige Gesang der glücklichen Prasser und Zecher lässt wenige Stunden später den Sonnenuntergang noch farbenprächtiger erstrahlen und bereichert bis zum Morgengrauen das Luxusleben derer, die nicht säen und doch viel üppiger ernten als ihre Mitmenschen, um eine bodenständige Komponente. Wenn die Leute schon von so weit anreisen, sollen sie doch den Kontakt zu den Einheimischen und deren Brauchtum nicht missen müssen.

Hafner-Bebauung wird reduziert

Eine Anwohnerin des Hafner monierte, dass die geplante Bebauung dort auch die Hänge bedecken solle, die traditionell als Naherholungsgebiet genutzt würden, und zeigte sich von diesem Wortbruch enttäuscht. Karl Langensteiner-Schönborn gab ihr Recht, so solle es nicht sein, und diesen Teil der Planung müsse das siegreiche Architektenbüro noch korrigieren, den Auftrag dazu habe er schon erteilt. Die Bebauung solle nicht einmal so weit den Hang hinaufkriechen wie die derzeit schon vorhandene Bebauung. Die geänderten Pläne sollen dann in einer erneuten Bürgerbeteiligung offengelegt werden.

Wer fällte Todesurteil für die Kastanien?

In Zoffingen wurden neulich hinterrücks im Morgengrauen, zur besten Genickschusszeit also, vier ausgewachsene Kastanien kaltblütig und aus niederen Beweggründen umgelegt. Ein Anwohner wollte wissen, wieso man denn mit den Baumfällungen nicht gewartet habe, bis über die Widersprüche gegen den Bau, die beim Regierungspräsidium eingelegt wurden, entschieden sei. Wenn das Regierungspräsidium feststelle, dass der Bau viel zu groß sei und kleiner gebaut werden müsse, wovon man ausgehen dürfe, hätten die Kastanien ja stehenbleiben können. Die Verwaltung schaffe hier brutal und über die Köpfe der Bürger hinweg Fakten, denn dieser Verlust könne nie wieder gutgemacht werden. So hinterrücks sei die Baumtötung gar angelaufen, dass Nachbarn die Polizei riefen, weil sie an einen Irrtum oder Dumme-Jungen-Streich glaubten. Aber dann habe ein Architekt im Auftrag des Bauherrn eine Fällgenehmigung aus dem Juli 2018 (!) vorgezeigt. Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn antwortete kühl mit dem Verweis auf den berühmten § 34, nach dem hier Baurecht bestehe und folglich auch gefällt werden dürfe. Der Oberbürgermeister forderte die Erbosten auf, sich doch schriftlich an ihn zu wenden, damit sein Büro das klären könne.

Mehr linksrheinische Pflegeplätze

Eine andere Niederbürglerin hatte sich einige kluge Gedanken darüber gemacht, wie man die Zahl der Pflegeplätze im linksrheinischen Konstanz erhöhen könne, ohne in Zoffingen anbauen zu müssen. Die Begründung für den Umzug vom Marienhaus im Paradies nach Zoffingen sei ja, dass in Zukunft in derartigen Einrichtungen nur noch Einzelzimmer erlaubt seien.

Wenn man also am bisherigen Standort Marienhaus Einzelzimmer einbaue und den vorhandenen Schulbau in Zoffingen ebenfalls für Einzelzimmer nutze, habe man am Ende gar 40 bis 45 mehr Zimmer als bei dem jetzt geplanten Komplettumzug der gesamten Einrichtung nach Zoffingen. Dann könne man zudem auch auf den Anbau in Zoffingen verzichten. Sie forderte, die Planung zu stoppen, ihr Modell zu prüfen und dann noch einmal neu zu planen, denn das Ziel seien doch möglichst viele linksrheinische Pflegeplätze. Der Oberbürgermeister, der ob so viel Kreativität nicht wusste, ob er lachen, weinen oder einen Tobsuchtsanfall bekommen sollte, antwortete ihr darauf, Pflege koste Geld und sei „schwer in Rentabilität zu bringen“ (ein tolles Wortungetüm). Über die Details des Bauvorhabens müsse die Bauherrin Caritas entscheiden, das sei nicht Sache der Stadt, und er kenne sich auch mit der Planung und Wirtschaftlichkeitsberechnung von Pflegeheimen gar nicht aus.

Wir drehen uns im Kreis

Mit dem Verweis auf die Caritas kam der OB aber schlecht an. Eine Bürgerin klagte, „wir drehen uns ständig im Kreis, werden vertröstet und einer zeigt auf den anderen. Sie haben sich die Bürgerbeteiligung auf Ihre Fahnen geschrieben, aber Sie tun nichts! Ich habe das Vertrauen in die Verwaltung verloren.“

Der OB erwiderte ihr darauf erneut, was hier geschehe, sei Baurecht, das alles sei keine politische Frage, die er zu entscheiden hätte. Seine Aufgabe als OB sei es, dafür zu sorgen, dass die einzelnen Fachämter rechtskonform arbeiten, und er sei davon überzeugt, dass sie das auch tun. Wer daran zweifele, möge sich schriftlich an ihn wenden (oder den Rechtsweg beschreiten).

Eine Bürgerin wollte daraufhin wissen, wie lange es denn dauere, bis er eine Mail beantworte. Laut OB hängt das einerseits von der Dringlichkeit ab, so habe er neulich um 23 Uhr in einer eiligen Sache sofort geantwortet, andererseits komme es darauf an, wie knifflig die Frage sei und ob er sie zuerst den Fachämtern vorlegen und deren Antwort abwarten müsse. Im Schnitt habe man in zwei bis vier Wochen eine Antwort.

Kein Kontakt zur Caritas

Franzis von Stechow fasste dann die frustrierenden Erfahrungen der AnwohnerInnen noch einmal zusammen. Die Caritas mauere, und es sei praktisch unmöglich, zu deren Chef vorzudringen. Der Informationsfluss funktioniere einfach nicht, der OB solle doch mal Klarheit reinbringen, denn man habe ja noch nicht mal eine konkrete Vorstellung davon, wie sich die Caritas die Nutzung des Gebäudes vorstelle.

Hier hechtete Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn dazwischen. Er verwies darauf, dass das gesamte Projekt im Gestaltungsbeirat öffentlich ausführlich vorgestellt worden sei. Dieser Termin sei auch rechtzeitig angekündigt worden, aber es sei niemand der heute Protestierenden zu dieser öffentlichen Sitzung aufgetaucht, wie denn der BürgerInnenzuspruch bei öffentlichen Sitzungen überhaupt meist äußerst spärlich sei (Bemerkung aus dem Publikum: weil da immer nur Ihr schwätzen tut!)

Auch der OB wusch seine Hände in Unschuld. Er versprach aber immerhin, dem Caritas-Vorstand Andreas Hoffmann den Gesprächswunsch der Anwohnerschaft auszurichten, wenn er ihm über den Weg laufe. Mehr könne er nicht tun.

Camus behauptete, wir müssten uns Sisyphos, der für alle Ewigkeit immer wieder einen Fels einen Berg hinaufrollen muss, bis der Fels kurz vor dem Gipfel wieder nach unten kullert, als einen glücklichen Menschen vorstellen. Als die Zoffingen-/Büdingen-Leute den Ratssaal verließen, machten sie den Eindruck, ein weiteres Mal echte Sisyphosarbeit verrichtet zu haben – aber man darf sie sich nicht als glückliche Menschen denken. Nein, das ganz und gar nicht.

O. Pugliese (Bild: Tizian [Public Domain])