Eröffnung Bodenseeforum: Ein Nachmittag von Profiteuren für Profiteure über den Profit

seemoz-bofoDass die Eröffnungsfeierlichkeiten für das Bodenseeforum auch ohne Kotau vor den zukünftigen Anzeigen-Kunden beschrieben werden können, beweist unsere Autorin mit diesem Beitrag. Auch die übrige Pro­mi­nenz bleibt bei ihr nicht ungeschoren. Ob Minis­terin oder OB oder EU-Kommissar – allen ge­mein­sam war die tiefe Verbeugung vor den „Eliten“. Konstanzerinnen und Konstanzer kamen in den Reden kaum vor.

Als ich am Freitag vor dem Bodenseeforum ankam, dachte ich schon, ich sei bei einem Pferderennen in Ascot gelandet, nachdem eine Dame mit recht dominantem Kopfschmuck vor mir auf den Veranstaltungsort zu stolperte. Nach der In-Augenscheinnahme der übrigen zahlreich erschienen Gäste war jedoch schnell klar: Diese ‚Prominenten‘ kenne ich nicht und der Habitus ist auch eher der von selbsterklärten denn von tatsächlich bedeutenden Persönlichkeiten. In Empfang genommen wurden alle von (fast) durchweg jungen Menschen in einer Art Uniform, die der Kleidung von Flugbegleitern oder Hotelpagen auffällig nahe kam. Die Lobbyboys und -girls lächelten überfreundlich.

Völker, hört die Signale!

Der ‚große‘ Saal, in dem der Festakt zur feierlichen Einweihung des Bodenseeforums stattfand, fasst gerade einmal 1100 Personen. Ein Tina Turner-Konzert, hätte sie ihre Karriere nicht schon lange beendet, würde hier schon einmal nicht stattfinden. Auch mit der Technik schien es noch etwas zu hapern. Noch vor tatsächlichem, aber bereits nach offiziellem Beginn der Veranstaltung ertönte der Feueralarm und war offenbar so schnell auch nicht wieder abzuschalten. Als das Hotelpersonal schließlich begann, in aller Seelenruhe die Türen des Saals zu schließen und das Gejaule der Sirene immer noch nicht beendet war, äußerte der Herr neben mir Bedenken, die Türen zuzumachen sei doch jetzt eigentlich nicht die richtige Reaktion, oder? Ich war bereits kurz davor, die Internationale anzustimmen, da verstummte nach guten fünf Minuten der ohrenbetäubende Lärm. Wurde auch Zeit. Was machten die versammelten Wirtschaftsfunktionäre, Stadtpolitiker, Neureiche und diejenigen, die es noch werden wollen? Sie klatschten. Ist ja auch eine Wahnsinnsleistung, so einen Feueralarm unabsichtlich zu aktivieren und dann wieder abzuschalten. Naja, immerhin funktioniert das Ding.

Ein Haus für alle?

Im Vergleich zu den anderen Rednern verlor OB Burchardt bei seinem Grußwort nur wenige Worte, das Nötigste eben: Dank und Glückwunsch an alle, die den Spaß mitgemacht haben, als Anerkennung ein liebevoll zusammengestellter Geschenkkorb, und ein wenig Selbstbeweihräucherung darf natürlich auch nicht fehlen. Das Bodenseeforum sei nun ein neuer „Hotspot der Konstanzer Innenstadt“. Wenn die Innenstadt nämlich zu voll sei, dann sollte man die Leute, die Schweizer Kundschaft war hier selbstredend angesprochen, nicht hinausjagen, sondern die Innenstadt einfach kurzerhand vergrößern. Ganz nach dem Motto: Wenn Moses nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg eben zu Moses kommen. Das Centrotherm ist wohl der neue Gipfel.

Besonders lobenswert natürlich und von jedem Redner betont, das Bodenseeforum ist mit seinen schlappen 17,5 Millionen Euro Kosten im Budget geblieben und planmäßig fertiggestellt worden. In Zeiten von Stuttgart21 und dem Berliner Flughafen sei das nicht mehr selbstverständlich und müsse deshalb besonders hoch angerechnet werden. Gleichheit im Unrecht, oder was? Was Burchardt tatsächlich zugutegehalten werden muss, ist, dass er der Einzige war, der zumindest ein wenig Bezug zu den Konstanzer BürgerInnen und deren Verbindung zum Bodenseeforum aufnahm, auch wenn dieser nicht gerade schmeichelhaft war. Der neue Veranstaltungsort solle ein „Haus für alle Konstanzer“ sein, aber es passten nun nicht alle gleichzeitig rein und deswegen habe man die Otto-Normal-Bürger eben erst für später herbestellt und feiere jetzt nur mit denen, die ordentlich was auf sich halten.

Was wäre denn dabei gewesen, sagen wir, 30 KonstanzerInnen zufällig auszuwählen und mit einer Begleitperson zu diesem ‚Großereignis‘ einzuladen? Stattdessen richtet man eine Zwei-Klassen-Feier aus, in deren ersten Teil das Großkapital über das „Gesamtinteresse der Wirtschaft“ schwadroniert (man merke: die IHK hat sich lediglich an 30 Prozent der Kosten beteiligt) und im zweiten Teil die doofen BürgerInnen von Tobias Bücklein bespaßt werden, damit sie nicht merken, was die Damen und Herren Unternehmer noch alles mit ihnen vorhaben.

Oettinger als Klassenclown

Aber auch die feinen Leute wurden belustigt – von niemand geringerem als Günther Oettinger: das Gesicht Baden-Württembergs in der Europäischen Union. Heiter und im tiefsten Schwäbisch erzählte er Schwänke aus seinem Leben und viele weitere netten Dinge, zum Beispiel, dass die EU-Mitgliedsstaaten des ehemaligen Jugoslawiens nur durch das von der EU vermittelte jüdisch-christliche Menschenbild nun so gut da stünden (Was ist da mit den verfolgten Sinti und Roma?).

Besonders würde Baden-Württemberg, also die EU (oder wie war das gleich nochmal?), Frieden und nicht nur S-Klasse exportieren. Na da könnte sich der liebe Herr Oettinger ja mal selber an die Nase fassen und gucken, was da, besonders aus dem Bodenseeraum, so alles an Friedensförderung exportiert wird. Natürlich sieht er die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU, also Baden-Württembergs, extrem gefährdet, wegen der „Amis“ und „Inder, Chinesen“ und vor allem „Putin“. Daher gehe es gar nicht an, dass CETA jetzt in Wallonien stecken bleibe. Das wäre ja gerade so, als hätte auch der Kirchengemeinderat in Biberach noch ein Wörtchen mitzureden. Aha.

Die Funklöcher an den Landesgrenzen innerhalb der Europäischen Union seien vergleichbar mit dem Mobilfunknetz in afrikanischen Staaten wie Uganda oder Burundi. Ein weitgereister Mann, dieser Herr Oettinger. Zu guter Letzt noch ein Kalauer über die „verhängnisvolle und falsche Rente mit 63“. Die jungen Leute im Saal (fast niemand!?) sollten sich schon einmal darauf einstellen, dass sie erst mit 70 in Rente gehen dürften, denn selbstverständlich bedeutet ein Lebensjahr mehr auch ein Arbeitsjahr mehr. Man soll ja nicht zu viel Spaß haben im Leben. Da ist es auch kein Wunder, dass sein achtzehnjähriger Sohnemann nur dann ZDF schaut, wenn „der Papa in der Heute-Show verarscht wird“.

Herr, lass Hirn vom Himmel regnen

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut ging allerdings als heimliche Siegerin aus dem Witze-Wettbewerb hervor. Sie bezeichnete das ehemalige Centrotherm-Gebäude als lebenden Beweis für eine gescheiterte Energiewende. Der arme Energiesektor habe nämlich so unter den staatlichen Eingriffen gelitten, dass es doch besser gewesen wäre, der Staat hätte sich da rausgehalten. Nach Pfiffen aus dem Publikum meinte sie, für die Energiewende sei sie trotzdem, sie sei ja ein religiöser Mensch. Den Markt machen lassen und beten, dass der liebe Gott uns dann irgendwann die Energiewende schenken möge? Lange nicht so gut gelacht.

Moment, weswegen war ich hergekommen? Ach ja, zur Eröffnung einer neuen Einrichtung der Daseinsvorsorge in Konstanz, einem gemeinsamen Veranstaltungshaus. Doch die einzige Information, die ich von diesem Festakt mitnehmen konnte, war, dass keiner der Beteiligten, weder Stadt noch IHK, das Gebäude den Bürgern widmet. Alle Reden und Ansprachen kreisten um die Wirtschaft. Es war ein Nachmittag von Profiteuren für Profiteure über den Profit. Allein – die Profitabilität gerade dieser Einrichtung aber steht noch in den Sternen.

Carla Farré