Erste Betriebsratswahl in privatisiertem Edeka im Land
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di freut sich über erfolgreiche Nominierung eines Wahlvorstands zur Gründung eines Betriebsrates bei einem namhaften privat geführten Edeka-Markt in Konstanz. Aufgrund der aktuellen Einschränkungen insbesondere für Versammlungen gab es hierbei im Vorfeld organisatorische Schwierigkeiten. So konnte der Arbeitgeber pandemiebedingt keine geeigneten Räumlichkeiten anbieten.
Dank der Unterstützung durch die Stadtverwaltung konnte nun dennoch im Bürgersaal in Konstanz die erforderliche Wahl eines Wahlvorstandes erfolgreich durchgeführt werden. Trotz Empfehlungen des Arbeitgebers, „aus gesundheitlichen Gründen“ nicht zu dem von der Gewerkschaft eingeladenen Treffen zu kommen, folgten nach Ladenschluss spätabends zahlreiche Mitarbeiter*innen der Einladung und wählten einstimmig die von ver.di vorgeschlagenen 3 Verkäuferinnen in den Wahlvorstand. Dies werden nun zeitnah für Ihre Aufgabe geschult, die Wahl eines Betriebsrats gemäß den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen. Für zusätzliche Motivation hatte zuletzt die Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters gesorgt, welcher im Alter von Mitte 50 gekündigt wurde, nachdem ihm unter anderem „die rechtliche Beratung von Mitarbeitern“ vorgeworfen wurde. Hierbei habe er nach Angaben von ver.di lediglich über die Möglichkeit von Betriebsratsgründung gesprochen. Mit Unterstützung der Gewerkschaft klagt der Betroffene nun vor dem zuständigen Arbeitsgericht gegen den Rauswurf.
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In der Einzelhandels-Branche sind die zunehmend privatisierten Märkte bei Edeka und Rewe den Gewerkschaftern grundsätzlich ein Dorn im Auge. Das Geschäftsmodell ist nach Angaben von ver.di geprägt von tariflosen Arbeitsbedingungen und der Tatsache, dass es faktisch keine Interessenvertretungen für die Beschäftigten durch Betriebsräte gibt. Lediglich bei der Übernahme ehemaliger „Marktkauf-Märkte“ mussten private Kaufleute einige Betriebsräte übernehmen.
Der regional zuständige ver.di Fachbereichssekretär Markus Klemt kritisiert in diesem Zusammenhang massiv die Vorgehensweise der privaten Kaufleute und der im Hintergrund agierenden Lebensmittelkonzerne. Nach seinen Angaben liegen die Löhne und Gehälter oftmals um 20-30 % unterhalb des üblichen Tarifniveaus des Einzelhandels. Hier droht den Beschäftigten selbst nach Jahrzehnten Vollzeitarbeit die Altersarmut. Durch zahlreiche Teilzeitarbeitsverhältnisse sind hiervon insbesondere Frauen stark gefährdet. „Hier werden Gewinne privatisiert und die Kosten für Aufstockungen bereits während der Arbeitsphase und erst recht bei der Rentenfinanzierung der Gesellschaft aufgebürdet“ – so der Vorwurf des Gewerkschafters des ver.di-Bezirkes Südbaden Schwarzwald. In diesem Zusammenhang wirft er unter anderem Edeka und Rewe grundsätzlich vor, sich mit der zunehmenden Abgabe an Private der sozialen Verantwortung gegenüber seinen Beschäftigten zu entziehen. Edeka „liebt seine Lebensmittel“ und „verkauft seine Verkäuferinnen und Verkäufer“, ärgert sich Klemt und kündigt an, dass die Gewerkschaft in Zukunft ihr Augenmerk zunehmend auf derlei Geschäftspraktiken richten wird.
ver.di fordert die Allgemeinverbindlichkeit der geltenden Tarifverträge des Handels. Seit der Aufhebung des jahrzehntelang geltenden Gesetzes erleben die Beschäftigten in der Branche eine Erosion der Tarifbindung. So begründete zum Beispiel zuletzt real seinen Tarifaustritt mit der zunehmenden Konkurrenz tarifloser privater Kaufleute. „Es darf nicht sein, dass der verschärfte Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten durch Lohndumping ausgetragen wird. Wenn der angestrebte Umsatz mit immer mehr niedrigen Gehältern und möglichst wenig Personal auf der Verkaufsfläche erreicht werden soll, leidet in erster Linie die Kundschaft unter einem Mangel an qualifizierter Verkaufsberatung!“ urteilt der Gewerkschafter und befürchtet auch deswegen eine zunehmende Abwanderung in Richtung Internethandel und warnt in diesem Zusammenhang vor einer Verödung der Innenstädte.
MM ver.di (Foto: O. Pugliese)